Ja, der Vater des Hanau-Attentäters drohte Menschen und sprach Kinder an
Der Vater des Attentäters von Hanau habe Ende November Kinder an einer Grundschule angesprochen, heißt es auf Instagram. Den zuständigen Behörden ist das bekannt.
Verwandte berichteten besorgt davon, dass wiederholt der Vater des Hanau-Attentäters an der Grundschule in Kesselstadt auftauche und in der Pause Kinder anspreche, heißt es in einem Instagram-Beitrag vom 23. November. Der Mann habe außerdem bereits Familien von Opfern bedroht, die Herausgabe der Tatwaffen seines Sohnes gefordert und er bekomme „Polizeischutz“.
Im Beitrag geht es um den Vater des Mannes, der am 19. Februar 2020 in der hessischen Stadt Hanau ein rassistisch motiviertes Attentat verübte, mehrere Menschen tötete und verletzte. Ob auch sein Vater eine Rolle bei dem Attentat spielte, wurde von der Generalbundesanwaltschaft geprüft. „Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung haben sich nicht ergeben“, hieß es dazu in einer Mitteilung im Dezember 2021. Ein übereinstimmendes „Weltbild von Vater und Sohn mit extremistischen und verschwörungstheoretischen Tendenzen“ allein genüge nicht, um eine Einflussnahme oder Mitwisserschaft des Vaters zu begründen. Doch an den Ermittlungen der Behörden äußerten Angehörige und Betroffene immer wieder öffentlich Kritik, die in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden soll.
Wir haben bei den Pressestellen von Polizei und Staatsanwaltschaft nachgefragt, was an den Vorwürfen gegen den Vater des Attentäters dran ist.
Schon eine erste Internetrecherche liefert Medienberichte zu einem Großteil der Aussagen aus dem Instagram-Beitrag. Im Juni 2021 schrieb der Deutschlandfunk, dass der Vater des damaligen Täters offenbar dieselbe Ideologie teilte und die Waffen zurückforderte, mit denen sein Sohn auf Menschen geschossen hatte. Im Oktober 2022 berichtete der Spiegel, dass der Vater Angehörige von Opfern bedroht habe. Dass der Mann an einer Grundschule „Kinder beleidigt und bedroht“ habe, schrieb Bild.de am 26. November.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Vater des Hanau-Attentäters wegen des Anfangsverdachts der Beleidigung und Bedrohung
In dem Instagram-Beitrag vom 23. November heißt es unter anderem, der Mann habe an diesem Tag Kinder gewarnt, „dass bald etwas Großes passieren wird und sie besser aufpassen sollen“. Weiter heißt es, er bekomme „Polizeischutz“ und erfahre „keinerlei Konsequenzen“, wenn er sich wiederholt Kindern nähert. Inwiefern der Mann Schutz von der Polizei erhalten soll, geht aus dem Beitrag nicht hervor.
Wir haben beim zuständigen Polizeipräsidium Südosthessen per E-Mail nachgefragt. Pressesprecher Christopher Leidner antwortete uns, es habe zwischen Schülern und dem Mann am 23. November gegen 9.50 Uhr am Außengelände einer Schule im Stadtteil Kesselstadt in Hanau eine verbale Auseinandersetzung gegeben. In diesem Zusammenhang werde gegen den Mann ermittelt.“
Pressesprecher und Staatsanwalt Markus Jung von der Staatsanwaltschaft Hanau bestätigte uns auf Anfrage, dass gegen den Mann wegen des Anfangsverdachts der Beleidigung und Bedrohung ein Ermittlungsverfahren geführt werde, das noch nicht abgeschlossen sei (Stand: 6. Dezember 2022).
Hinweise, dass sich der Mann vor dem 23. November an der Grundschule aufhielt, sind laut Polizeisprecher Leidner nicht bekannt. Aber: Am 29. November 2022, habe sich Herr R. erneut im Umfeld der Grundschule in Kesselstadt aufgehalten. „Er soll versucht haben, sich mit Kindern zu unterhalten. Der Sachverhalt wurde geprüft. Eine Straftat konnte nicht festgestellt werden“, so Leidner.
Auf die Frage, ob der Mann „Polizeischutz“ erhalte und Konsequenzen erfahre, wenn er sich wiederholt Kindern nähert, teilte uns der Sprecher mit: „Wir bitten um Verständnis, dass aus einsatztaktischen Gründen und zum Schutz von Persönlichkeitsrechten keine näheren Ausführungen gemacht werden können.“
Staatsanwaltschaft Hanau bestätigt die Bedrohung einer Angehörigen eines Opfers
Zudem läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann wegen eines anderen Vorfalls: Polizeisprecher Leidner schrieb uns, Mitte Oktober habe er die Wohnanschrift einer Familie aufgesucht und zu einer Angehörigen Kontakt aufgenommen, die mit einem der Opfer des Attentats verwandt war.
Nach Angaben von Staatsanwalt Markus Jung wurde gegen den Vater des Attentäters am 18. Oktober 2022 ein Ermittlungsverfahren wegen des Tatverdachts der Nachstellung und der Bedrohung eingeleitet und in der Folge auf mögliche Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz erweitert.
Im Monat zuvor, am 12. September, wurde der Vater laut Medienberichten in zwei anderen Fällen wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro vom Landgericht Hanau verurteilt. Er habe Hinterbliebene der Opfer unter anderem „wilde Fremde“ genannt und ein Spezialeinsatzkommando der Polizei als „Terrorkommando“ bezeichnet.
Laut Spiegel-Informationen habe er außerdem am 21. September 2020 die Herausgabe der Tatwaffen und Munition seines Sohnes gefordert. Dies habe der Generalbundesanwalt der Polizei in Hanau am 6. Oktober 2020 in einem Schreiben zur Kenntnisnahme und „eventuell weiterer Veranlassung in eigener Zuständigkeit“ gemäß der Gefahrenabwehr in Hessen mitgeteilt. Wir wollten vom Generalbundesanwalt wissen, ob der Mann nach seiner Forderung die Tatwaffen erhalten hat. Pressesprecherin Ines Peterson antwortete uns: „Fragen zu Asservaten oder etwaige Kommunikation von Betroffenen in einem bei uns geführten Verfahren betreffen Details, zu denen wir uns grundsätzlich nicht zu äußern.“
Redigatur: Sarah Thust, Uschi Jonas