Europawahl 2024 in Potsdam: Mann erhebt unbelegte Vorwürfe gegen Wahlhelfer – Stadt erstattet Anzeige
Auf Tiktok behauptete ein Mann, Wahlhelfer in Potsdam hätten ihn beleidigt, Wählende dazu aufgefordert, nicht für die AfD zu stimmen und es habe Schredder gegeben. Doch die Polizei und die Landeshauptstadt widersprechen, es gibt keine Belege für den Vorfall.
Nach der Europawahl 2024 kursieren in Sozialen Netzwerken zahlreiche Beiträge, in denen Vorwürfe zu angeblicher Wahlmanipulation zuungunsten der AfD geteilt werden. Die Bundeswahlleitung schrieb am Wahlsonntag auf X, dass es keinerlei Belege für solche Vorwürfe gebe.
Darunter ist auch der angebliche Fall eines Mannes in Potsdam. Auf Tiktok teilte er noch am Wahlsonntag zwei Videos, in denen er schwere Vorwürfe gegen die örtliche Wahlleitung der Wahlbezirke 7110, 7111, 7112 erhebt: „Ich wurde rausgeschmissen und warte jetzt auf die Polizei! Ich gehe von Wahlbetrug in Potsdam aus, deshalb der Rausschmiss“, schreibt er dazu. Die Videos erreichten mehr als eine Million Views. Sie sind inzwischen auf Tiktok gelöscht, kursieren aber noch auf X und Telegram und werden auch auf Youtube aufgegriffen.
Vermeintlicher Wähler verbreitet unbelegte Vorwürfe über Wahlvorgang in Potsdam
Das erste Video wurde offenbar tatsächlich in Potsdam aufgenommen, im Video sind Hinweiszettel für die drei Stimmbezirke zu sehen, für die das Wahllokal in der Grundschule am Pappelhain eingerichtet war. Der Mann filmt sich davor und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Wahlhelfer: Im Wahllokal habe er beobachtet, wie diese den Wählerinnen und Wählern gesagt hätten, sie sollten nicht die AfD wählen. Er habe nachgefragt, was das soll. Daraufhin sei er beleidigt worden, er solle seinen „Mund halten“ und sei später von einem Sicherheitsmann des Wahllokals verwiesen worden.
Und weiter: „Um 16.45 Uhr kam ein Wahlhelfer rein und der hat Schredder verteilt. Da hab ich gefragt, warum Schredder verteilt werden.“ Der Wahlhelfer habe dazu gesagt, das gehe ihn nichts an. „Daraufhin hab ich gesagt, hier werden aber nicht irgendwelche Wahlbetrugsgeschichten begangen?“, so der Mann weiter. Dann sei er erneut des Wahllokals verwiesen worden. Als er nicht habe gehen wollen, habe ihn ein Sicherheitsmann am Nacken gepackt.
Im zweiten Video gehen die Vorwürfe noch weiter: Eine Wahlleiterin habe ihn als Nazi beleidigt, er habe die Polizei gerufen und das zu Protokoll gegeben – die Wahlleiterin hätte gegenüber der Polizei zugegeben, ihn beleidigt zu haben.
Polizei Potsdam ist kein derartiger Vorfall bekannt – Landeshauptstadt erstattet Strafanzeige
Doch: Es gibt keinerlei Belege dafür, dass es diesen Vorfall gab. Wir haben bei der Polizei Potsdam, bei der Stadt Potsdam und der Bundeswahlleitung nachgefragt.
Eine Sprecherin der Polizeidirektion West, zuständig für Potsdam, schreibt, dass es keinen zu dem geschilderten Vorfall passenden Einsatz gegeben habe, auch darüber hinaus sei der Polizei kein solcher Sachverhalt im genannten Wahllokal bekannt.
Eine Sprecherin der Stadt Potsdam teilte uns mit, dass der Landeshauptstadt die zwei Videos bekannt seien. „Die dort erhobenen Vorwürfe und Behauptungen wurden intensiv geprüft. Nach derzeitigem Erkenntnisstand gibt es keine Hinweise auf einen solchen Vorfall.“ Deshalb sei davon auszugehen, dass es sich um eine gezielte Verbreitung von Desinformationen handele, deren Ziel darin bestehe, Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung von Wahlen zu säen. „Der Wahlleiter der Landeshauptstadt Potsdam hat deshalb heute Strafanzeige beim Polizeipräsidium Polizeidirektion West wegen Vortäuschen einer Straftat gemäß Paragraph 145d StGB erstattet.“
Die Sprecherin der Landeshauptstadt erklärte zudem, es habe keine Schredder im Wahllokal gegeben, der Mann im Video sei von den Wahlhelfenden nicht gesehen worden – weder als Wähler noch als Wahlbeobachter. Auch seien keine Sicherheitskräfte in Potsdamer Wahllokalen im Einsatz gewesen. Und: „Selbstverständlich ist es Privatpersonen erlaubt, länger im Wahllokal zu verweilen: Jede Person kann sich als Wahlbeobachter im Wahllokal aufhalten. Die Beobachtung ist ab Öffnung der Wahllokale bis zum Ende der Stimmenauszählung jederzeit möglich.“
Auch der Bundeswahlleitung sind keine derartigen Vorwürfe bekannt
Auch eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin äußerte sich auf unsere Nachfrage zu den Vorwürfen:Der Bundeswahlleiterin seien keine derartigen Störungen bei der Wahlbeobachtung oder regelwidriges Handeln von Wahlvorständen bekannt.
Da der Tiktok-Account des Manns nicht mehr verfügbar ist, konnten wir ihm keine Möglichkeit zur Stellungnahme geben.
Alle Faktenchecks zur Europawahl finden Sie hier.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Kimberly Nicolaus