Faktencheck

Pendlerpauschale abschaffen? Aussage von Alice Weidel stammt von 2018

Auf X und Facebook heißt es, Alice Weidel hätte im Juni 2024 die Abschaffung der Pendlerpauschale gefordert. Doch das entsprechende Interview gab sie bereits 2018. Mittlerweile sind die AfD und Weidel für eine Erhöhung der Pendlerpauschale für Autofahrer.

von Johannes Gille

Alice Weidel ist die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag. Von ihr kursiert online ein veraltetes Zitat zur Pendlerpauschale. (Symbolbild: Bernd Elmenthaler / Geisler-Fotopress / Picture Alliance)
Alice Weidel ist die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag. Von ihr kursiert online ein veraltetes Zitat zur Pendlerpauschale. (Symbolbild: Bernd Elmenthaler / Geisler-Fotopress / Picture Alliance)
Behauptung
Alice Weidel habe in einem Interview vom 12. Juni 2024 gefordert, die Pendlerpauschale abzuschaffen.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Weidels Aussage stammt aus einem Interview in der WDR-Sendung „1zu1“ aus dem Jahr 2018. Mittlerweile fordert sie eine Erhöhung der Pendlerpauschale.

Nutzerinnen und Nutzer behaupten auf X (zum Beispiel hier und hier) und Facebook (zum Beispiel hier und hier), Alice Weidel hätte in einem Interview am 12. Juni 2024 gefordert, die Pendlerpauschale abzuschaffen. Allein auf X wurde einer der Beiträge mehr als 900 Mal geteilt. Es sei die Entscheidung „eines jeden Arbeitnehmers dahin zu ziehen, wo er eben hinziehen möchte […]“, soll die AfD-Fraktionsvorsitzende demnach gesagt habe. Auf die Nachfrage „Also keine Pendlerpauschale?” habe sie geantwortet: „Ganz ehrlich, ich sehe nicht, wo das nötig wäre“.

Dieses Sharepic verbreitet sich aktuell in Sozialen Netzwerken. Die Aussage stammt tatsächlich von Alice Weidel, ist jedoch nicht mehr aktuell. (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)
Dieses Sharepic verbreitet sich aktuell in Sozialen Netzwerken. Die Aussage stammt tatsächlich von Alice Weidel, ist jedoch nicht mehr aktuell. (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Weidel-Zitat zur Pendlerpauschale ist von 2018

Das Zitat von Weidel stammt aus einem Interview in der WDR-Sendung „1zu1“, vom 13. Juni 2018. Das Interview ist in der WDR-Mediathek nicht mehr abrufbar, der relevante Ausschnitt wurde jedoch in einem WDR-Artikel, der die Ausstrahlung der Sendung am 12. Juni ankündigte, erwähnt. Der Wortlaut aus der Mitteilung ist identisch mit den aktuell verbreiten Beiträgen auf X und Facebook. Zudem kündigte Moderator Philipp Menn die Sendung auf X, damals Twitter, ebenfalls am 12. Juni 2018 an – mit eben jenem Ausschnitt.

Moderator Philipp Menn kündigte die WDR-Sendung mit Weidel und Verweis auf die Pendlerpauschale einen Tag vor Ausstrahlung am 12. Juni 2018 auf X, damals Twitter, an (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bereits ein Jahr nach dem Interview vertrat Weidel eine andere Position zur Pendlerpauschale. So schrieb sie in einem Twitter-Beitrag im September 2019: „Arbeitnehmer fahren nicht zum Spaß weite Strecken zur Arbeit, sondern weil sie Geld verdienen und Steuern zahlen müssen. Sie haben das Recht, wenigstens diese Kosten geltend machen zu können.”

Im September 2019 sprach sich Alice Weidel auf Twitter für die Pendlerpauschale aus (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wie steht Weidel aktuell zur Pendlerpauschale?

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die regelmäßig einen langen Arbeitsweg in Kauf nehmen, werden durch die Entfernungspauschale – auch bekannt als Pendlerpauschale – steuerlich entlastet. Sie können aktuell (Stand: Juli 2024) 30 Cent für die ersten 20 Kilometer und 38 Cent für jeden weiteren Kilometer ihres Arbeitsweges pro Arbeitstag bei der Steuererklärung geltend machen.

Prinzipiell gilt die Erleichterung für alle Verkehrsmittel – also auch für Personen, die mit Bus und Bahn fahren oder zu Fuß gehen. Es gibt jedoch einige Ausnahmen und Sonderregeln, die es zu beachten gilt. Der ADAC erklärt auf seiner Webseite detailliert, in welchen Fällen die Pendlerpauschale gilt und wie sie berechnet wird.

Doch wie ist Weidels aktuelle Position zur Pendlerpauschale? Auf diese Frage bekamen wir von der Pressestelle der Bundespartei bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks keine Antwort. Gegenüber der Faktencheck-Redaktion der DPA teilte die Partei mit, Weidel fordere, wie auch die Fraktion im Bundestag, eine Erhöhung der Pauschale auf 50 Cent pro Kilometer. Diese Forderung erhob die Partei im November 2023 in einem entsprechenden Antrag, sie soll für Autos gelten – für Fußgänger zum Beispiel soll sie ganz wegfallen.

Wir konfrontierten Facebook-Profile, die die Behauptung teilten, mit unserer Recherche. Von einem Profil erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Rückmeldung, ein Nutzer teilte uns mit, er habe nicht gewusst, dass das Zitat veraltet war. Der Beitrag ist inzwischen gelöscht. Ein drittes Profil teilte uns mit, den Beitrag entsprechend korrigieren zu wollen, in der Caption wurde ein Hinweis ergänzt. Der viralste X-Beitrag ist mittlerweile gelöscht.

Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressemitteilung des WDR vom 12. Juni 2018, „Alice Weidel will die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht anfeuern“: Link (archiviert)
  • Antrag der AfD zur Erhöhung der Pendlerpauschale, 14. November 2023: Link (PDF, archiviert)

 

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