Mafia

Zwischen Klischee und Satire — Mafia im Film

"Der Pate" wurde weltweit gefeiert, die Coppola-Trilogie hat das Image der Mafia geprägt. Dabei gibt es Filme, die die Machenschaften der Mafiosi weitaus besser zeigen. Ein Plädoyer gegen den Paten und für Giordana, Benigni und Garrone.

von Lena Niethammer

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Nein, wir sagen nicht, der Pate sei ein schlechter Film. Er ist packend, spannend, vielschichtig, ein Meisterwerk des Gangsterfilm-Genres. Wir sagen nur, er ist kein guter Mafiafilm.

Wie könnte auch ein Film ein guter Mafia-Film sein, der den Kriminellen so gut gefällt, dass sie ihn zu ihrer Wirklichkeit werden lassen? Wie anders ließe sich erklären, dass nach Kinostart die amerikanischen Mafiosi den Begriff „Pate“ für ihre Bosse etablierten, war doch zuvor das Wort „compare“, also Gevatter, üblich? Oder dass sich Cosa Nostra Boss Luciano Liggio fortan mit vorgeschobenem Unterkiefer, Sonnenbrille und Zigarre à la Don Vito fotografieren ließ?

In Francis Ford Coppolas Film ist der Mafioso genau das, was er im Laufe der Geschichte immer sein wollte: Ein Ehrenmann. Don Vito, der Pate der ersten Generation, verkörpert mit seiner mythischen Aura, der Erhabenheit seiner Gesten, seiner Güte, Gerechtigkeit und Strenge eine autoritäre Vaterfigur, nach der man sich zu sehnen beginnt. Durch ihn wird die Familie zu einer funktionierenden starken Einheit und um diese Idylle zu erhalten, scheint jedes Verbrechen, jeder Mord gerechtfertigt zu sein.

Und selbst im zweiten und dritten Teil der Trilogie, wenn Coppola versucht durch das Scheitern des neuen Paten Michael den Mythos analytisch zu dekonstruieren, führt dies beim Zuschauer nicht zu einem Erwachen, sondern schlicht zur Steigerung der Sehnsucht nach Don Vito.

Es bleibt die Frage zurück, was dann ein guter Mafia-Film ist. Wir stellen Ihnen drei vor.

„100 Schritte“ von Marco Tullio Giordana

In seinem Film zeigt Marco Tullio Giordana die wahre Geschichte von Giuseppe „Peppino“ Impastato. Peppino wird 1949 in Cinisi, einem kleinen Ort nahe Palermo, als Sohn eines Mafiosos und Neffe des Bosses geboren. Enttäuscht über Ungerechtigkeit und Intrigen innerhalb der Familie sucht er den ortsansässigen Maler und Kommunisten Stefano Venuti auf, der ihn in die Welt der Kunst und Literatur einführt. Peppino entwickelt sich zu einem jungen Kommunisten, der sich gegen die Machenschaften der Mafia in Cinisi auflehnt und eine Gruppe junger Rebellen um sich schart. In einer Sendung auf dem von ihm gegründeten Radio Aut karikiert er die Mafiosi, zieht sie durch den Dreck und ruft zur Auflehnung auf. Boss Tano setzt Peppinos Vater auf ihn an, er soll ihn bekehren. Doch als dies nicht fruchtet, beginnt die Tragödie.

In diesem Film verzichtet Giordana auf eine detaillierte Charaktersierung der Mafia, vielmehr analysiert er deren Bevormundung und Wechselbeziehung mit der ländlichen Bevölkerung. Der Film bleibt schlicht, trocken und ungeschmückt. Doch durch viele kleine emotionale Momente schafft Giordana eine Identifikation mit Peppinos Leidenschaft im Antimafiakampf. Ein Glanzstück.

„Johnny Stecchino“ von Roberto Benigni

Busfahrer Dante ist eine Frohnatur. Naiv, stets strahlend und etwas tollpatschig lebt er vor sich hin, bis ihm eine Frau begegnet, die sich scheinbar sofort in ihn verliebt. Liebevoll nennt sie ihn Johnny, kleidet ihn in teure Klamotten ein und malt ihm ein Muttermal ins Gesicht, weil ihr das so gefalle. Tatsächlich aber tut sie all dies nur, weil Dante ihrem Verlobten Johnny Stecchino gleicht. Dieser ist ein sizilianischer Mafioso, der im Untergrund lebt und sich vor einem rivalisierenden Clan versteckt. Als Maria Dante sieht, schmiedet sie einen Plan: Soll die Mafia doch ihn ermorden, dann könne sie mit Johnny fliehen und unbehelligt weiterleben. Um ihren Plan zu verwirklichen, lotst sie Dante nach Palermo…

„Johnny Stecchino“ kann dem Genre Satire zugeordnet werden. Anders als Giordana, der gänzlich auf Mafia-Klischees verzichtet, treibt Benigni sie auf die Spitze. Johnny ist eine Karikatur des typischen Mafiosos: Mimik und Gestik sind weitestgehend von Mafiafiguren wie dem Paten übernommen, er trägt Sonnenbrille und teure Anzüge mit auffälligen Krawatten, er neigt zu einer überzogenen Selbstdarstellung, stilisiert seine Mutter zu einer Heiligen, behandelt aber seine Geliebte gleichzeitig herablassend. Der naive Dante hingegen steht für die Haltung des Zuschauers. Distanziert und unverständlich blickt er auf die absurd und grotesk-wirkende Welt der Mafia.

„Gomorra — Reise in das Reich der Camorra“ von Matteo Garrone

In seinem Film, der auf der gleichnamigen Buchvorlage von Roberto Saviano beruhrt, zeichnet Garrone ein schonungsloses Porträt der neapolitanischen Camorra. Kalt und nüchtern zeigt er Einblicke in unterschiedliche Aspekte der kriminellen Organisation und lässt den Zuschauer am Ende trostlos zurück.

Erzählt werden die Machenschaften der Camorra anhand von fünf unterschiedlichen Handlungssträngen. Da ist zum einen der 13-jährige Totò, der seine Karriere als Mafioso beginnt und irgendwann vor die Aufgabe gestellt wird, die Mutter seines besten Freundes in einen Hinterhalt zu locken. Oder der Buchhalter Don Ciro, der für die Zahlungen von Hilfsgeldern an Familien von inhaftierten Mafiosi zuständig ist, in eine Fehde zwischen mehreren Clans gerät und seinen eigenen verrät.

Der Film zeigt ein Leben, das so durch die Brutalität und Machtgier der Camorra dominiert wird, dass man es in seinem Kopf am liebsten als Fiktion abhaken würde. Dabei und das ist die Stärke dieses Filmes ist es ein Abbild der Realität.