Sparkassen

Sparkassen-Vorstand müsste man sein

Wir haben rund 70 Prozent aller Vorstandsgehälter von Sparkassen in Deutschland ausgewertet. Das System wirkt willkürlich: Chefs von kleineren Sparkassen kassieren deutlich mehr als Vorstände größerer Institute. In Nordrhein-Westfalen fordern Politiker mehrerer Parteien inzwischen verbindliche Regeln für Gehaltsgrenzen.

von Jonathan Sachse , Simon Wörpel

© Ivo Mayr

Die Recherche erscheint gleichzeitig in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Die Vorstände der Sparkassen verdienen zwischen 88.000 und 850.000 Euro im Jahr. Das zeigt eine Auswertung der Berichte von 70 Prozent aller Sparkassen in Deutschland durch CORRECTIV und die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. In unserer Datenbank und auf unserer Deutschlandkarte könnt Ihr die Bezüge der Vorstände miteinander vergleichen. Wir zeigen mit unserer Analyse zudem, ob die Gehälter angemessen sind.

Da viele Sparkassenvorstände nicht ihr konkretes Gehalt veröffentlichen, haben wir das durchschnittliche Gehalt der häufig drei Vorstände einer jeden Sparkasse aus dem Jahr 2014 errechnet. Dadurch können wir die Gehälter von 287 der damals noch 417 Sparkassen benennen.

Das Gehalt der Vorstände der öffentlich-rechtlichen Sparkassen war in der Vergangenheit immer wieder Thema. Bislang konzentrierte sich die Diskussion aber meist auf NRW, da dort härtere Transparenzpflichten gelten als in anderen Bundesländern. Peer Steinbrück, ehemaliger SPD-Kanzlerkandidat, machte die Gehälter sogar im Wahlkampf zum Thema. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, sagte Steinbrück vor vier Jahren.

Unsere Auswertung zeigt: Steinbrück hat sogar untertrieben. Nicht nur in NRW verdienen die Vorstände fürstlich. Tatsächlich zahlen knapp 60 Prozent der ausgewerteten Sparkassen in ganz Deutschland ihren Vorständen mehr als die etwa 282.000 Euro, die Merkel als Kanzlerin inklusive ihrer Bezüge als Abgeordnete erhält.

Wenig überraschend verdienen die Vorstände am meisten, die bei den Sparkassen mit der höchsten Bilanzsumme arbeiten. Vorne liegen die Chefs der Hamburger Sparkasse, die durchschnittlich 853.000 Euro im Jahr bekamen. Harald Vogelsang, Chef dieser freien, also privatrechtlich geführten Sparkasse an der Elbe, dürfte sogar Einkommensmillionär sein. Dahinter folgten die Vorstände der Kreissparkasse Köln mit durchschnittlich 704.280 Euro, wobei Vorstandschef Alexander Wüerst stolze 867.900 Euro erhielt. Das ist das höchste bekannte Gehalt unter den öffentlich-rechtlichen Sparkassen. „Ich empfinde das als angemessen“, sagt Wüerst auf Anfrage von correctiv.org. Die Berliner Sparkasse zahlte ihren fünf Vorständen im Schnitt 651.833 Euro und die Manager in Hannover wurden mit 613.661 Euro entlohnt.

Sind hunderttausende Euro für Vorstände in kommunalen Kreditinstituten gerecht? Wie werden die Vorstände in anderen Banken entlohnt?

Nur wenige genossenschaftliche Volks- und Raiffeisenbanken veröffentlichen die Chefgehälter. Die wenigen öffentlichen Zahlen bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie die der Sparkassen. So bezahlt die Volksbank Donau-Mindel ihren Chefs im Schnitt 295.684 Euro, nicht weit entfernt erhalten die Vorstände der etwa gleichgroßen Sparkasse Günzburg-Krumbach durchschnittlich 296.500 Euro. Der zentrale Unterschied: Bei den Genossenschaftsbanken sitzen in der Regel mehr Personen im Vorstand, wodurch die Gesamtausgaben höher liegen dürften als bei den Sparkassen. Außerdem sind die Genossenschaften quasi ein privater Club, der sich eine Vereinsführung bezahlt – somit Privatsache der Mitglieder.

Die Gehaltsdimension der großen Privatbanken bewegen sich auf einem anderen Level. Die Vorstände der Commerzbank verdienten 2014 durchschnittlich 1,3 Millionen Euro und bei der Deutschen Bank stolze 5 Millionen Euro. Dazu kommen bei der Deutschen Bank allerhand Investmentbanker, die ähnlich oder sogar mehr verdienen als der Vorstand: Der Geschäftsbericht von 2014 weist 816 Mitarbeiter mit Bezügen zwischen 1 und 9 Millionen Euro aus.

Aber Sparkassen erheben den Anspruch, anders zu sein. Kunden- und gemeinwohlorientiert, gelebte soziale Marktwirtschaft, wie es oft vollmundig heißt. Und nicht nur intern kann es daher als ungerecht und unangemessen empfunden werden, wenn Chefs von kleinen Sparkassen mehr Geld verdienen, als die Vorstände von großen kommunalen Kreditinstituten. Warum tragen sie vergleichsweise wenig Verantwortung und werden trotzdem großzügiger entlohnt?

Zum Beispiel im Saarland: Dort gibt es teilweise ein klares Land zu Stadt Gefälle. Aber anders, als man es üblicherweise kennt. Die beiden Vorstände der Kreissparkasse Saarpfalz in Homburg erhielten 2014 im Schnitt 305.000 Euro. Rund 450 Mitarbeiter werden dort beschäftigt. Nebenan, in der Landeshauptstadt, bei der Sparkasse Saarbrücken, haben die vier Vorstände die dreifache Zahl an Mitarbeitern zu verantworten und erhielten dafür sogar noch ein bisschen weniger Geld. Im Schnitt bekamen sie knapp 300.000 Euro überwiesen.

Die hohen Vorstandsgehälter aus dem Jahr 2014 bestätigt Stefan Gessner, Sprecher der Kreissparkasse Saarpfalz. Er verweist auf das Folgejahr, in dem die Gehälter „deutlich nach unten angepasst“ worden seien. Tatsächlich: 2015 wurden 60.000 Euro weniger an die Vorstände verteilt. Sie kamen nur noch auf einen Schnitt von 270.500 Euro. Das zeigt ein Blick in den aktuellen Jahresbericht. Woran das lag? „Neue Verträge, neue Konditionen“, schreibt Gessner. Der alte Chef, Gunar Feth, trat im Oktober 2014 ab. Er hatte die Jahre zuvor offenbar ein vergleichsweise hohes Gehalt von seiner Sparkasse gezahlt bekommen.

Auch in Hessen gibt es auffällige Sprünge. Die vier Vorstände der Kasseler Sparkasse erhielten durchschnittlich 310.000 Euro. Sie verantworten fast 1.200 Mitarbeiter. Rund 200 Kilometer südlich beschäftigt die Sparkasse Langen-Seligenstadt etwa 400 Mitarbeiter weniger. Dennoch werden die beiden Vorstände deutlich besser entlohnt und erhalten im Schnitt 100.000 Euro mehr als in Kassel, also 408.500 Euro.

„Das Gehalt ist angemessen“, sagt Markus Post, der das Vorstandssekretariat der Sparkasse Langen-Seligenstadt leitet. Zwei Vorstände würden eine andere Aufgabendichte haben als drei oder mehr Vorstände. Das sei eine „Strategiefrage“.

Um die Vorstandsgehälter untereinander vergleichbar zu machen, haben wir eine Formel definiert, welche die Größe einer Sparkasse darstellt. Diese beinhaltet Kernwerte einer jeden Sparkasse: Die Bilanzsumme, das Volumen der vergebenen Kredite und das Eigenkapital. So kann erstmals verglichen werden, ob die Vorstandsgehälter verglichen mit der Größe der Sparkasse auch angemessen sind. Unsere Auswertung im folgenden Streudiagramm zeigt neben Homburg und Seligenstadt weitere Vorstandsgehälter, die unangemessen erscheinen.

Relation: Vorstandsgehalt zur Sparkassen-Größe

 

Die Gehaltssprünge fallen besonders in Nordrhein-Westfalen auf.

Die vier Vorstände der Sparkasse Münsterland Ost verantworteten im Jahr 2014 gut 1.400 Mitarbeiter und erhielten dafür durchschnittlich 556.000 Euro. In Düsseldorf gab es im selben Jahr zwei Personalwechsel im Vorstand. Die Chefs der Stadtsparkasse Düsseldorf bekamen im Schnitt 487.000 Euro, obwohl die Sparkasse der Landeshauptstadt zu den größten Sparkassen in Deutschland zählt. Der Vorstand in Düsseldorf verantwortete mehr als 2.000 Mitarbeiter, trotzdem wurden die Chefs in Münster deutlicher besser bezahlt.

Oder die Sparkasse Leverkusen: Drei Vorstände, die rund 600 Mitarbeiter im Jahr 2014 beschäftigten, erhielten im Schnitt fast 430.000 Euro. Bei der Sparkasse Neuss waren doppelt so viele Mitarbeiter beschäftigt. Dennoch wurden auf der anderen Seite des Rheins an jeden der vier Vorstände rund 50.000 Euro weniger verteilt.

In NRW existieren zwei Sparkassenverbände parallel. Beide geben ihren Sparkassen nur Empfehlungen für eine angemessene Vergütung, keine feste Regeln. Diese Empfehlungen unterscheiden sich bei den beiden NRW-Verbänden (SVWL und RSGV). Das sorgte zuletzt für Diskussionen. Die rot-grüne Landesregierung fordert von den Verbänden ein einheitliches Dokument. Demnächst soll es ein Treffen zwischen der Regierung und Verbandsvertretern geben.

Anders ist das in Bayern. Dort hat der bayerische Sparkassenverband verbindliche Richtlinien vorgegeben. Unsere Auswertung zeigt, dass die Gehälter von gleichgroßen Sparkassen in Bayern deutlich näher beieinanderliegen als in NRW. In Bayern verdienen die Vorstände im Schnitt auch weniger.

Vergleich: Vorstandsgehälter Bayern vs. NRW

Wie kommt es zu diesen Sprüngen in NRW?

„Von außen hat das den Anschein, dass es nach Selbstbedienung aussieht“, sagt  Martin-Sebastian Abel, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im NRW-Landtag. Die Höhe der Gehälter sei teilweise willkürlich. Eine freie Verteilung sei nach außen nicht vermittelbar. Die Auswertung zeige, dass Verbände klare Regeln für Sparkassen aufstellen müssten. „Wenn sie das nicht tun, wären wir bereit, das gesetzlich zu machen“, sagt Abel.

In der Praxis läuft es in NRW so: Die Gehälter für die Vorstände müssen vom Verwaltungsrat einer Sparkasse abgesegnet werden. Darin sitzen neben wenigen Mitarbeitervertretern vor allem die Lokalpolitiker aus der Region. Diese sollen sich an die Empfehlungen der NRW-Verbände halten. Die Empfehlungen sind jedoch zum einen nicht verbindlich und definieren zum anderen lediglich grobe Gehaltsklassen – mit großen Spielräumen.

Die beiden Sparkassenverbände in NRW bestätigen das. „Es kann aus unterschiedlichen Erwägungen und Gründen von den Verbandsempfehlungen abgewichen werden“, sagt Andreas Löbbe, Sprecher des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. Die Entscheidung liege in der Verantwortung des Verwaltungsrats der Sparkassen.

Am Ende hängt das konkrete Gehalt vom Verhandlungsgeschick des Managers ab. Möchte ein Vorstand die Empfehlungen überschreiten, braucht er die Zustimmung der Politiker im Verwaltungsrat. Können die Politiker immer unabhängig darüber entscheiden? Schließlich erhalten die Verein in der Region regelmäßig Spenden von der Sparkasse und für lokale Bauprojekte kommt der Kredit nicht selten von der Sparkasse vor Ort.

In Bayern hat das politische Aufsichtsgremium weniger Entscheidungsmöglichkeiten. „Der Verwaltungsrat einer Sparkasse kann die maximalen Grenzen nicht überschreiten“, schreibt Eva Mang, Sprecherin des Sparkassenverbandes Bayern auf Anfrage von correctiv.org.

„Gehaltsverhandlungen sollten keine Pokerturniere sein“, sagt Ralf Witzel, finanzpolitischer Sprecher der FDP im NRW-Landtag. Mit öffentlichen Trägern brauche man eine gewisse Vereinheitlichung – und klare Grenzen für die Gehälter. „Manche Entscheidungen, die bei der Vergütung getroffen wurden, sind aus politischer Perspektive nicht nachvollziehbar.“

Knapp ein Drittel aller Sparkassen veröffentlicht bis heute keinerlei Angaben zu den Gehältern ihrer Vorstände. Diese Sparkassen folgen damit dem Präsident des Sparkassen-Dachverbandes, Georg Fahrenschon. Der appellierte bei seiner Grundsatzrede auf dem Sparkassentag im April an die vor ihm versammelten Vorstände: „Ich halte es nicht für richtig, Gehälter und Pensionen Einzelner auf dem offenen Markt zu handeln.“

In Nordrhein-Westfalen müssen die Gehälter bereits seit 2011 veröffentlicht werden. In diesem Jahr hat auch Schleswig-Holstein mit einem neuen Transparenzgesetz für öffentlich-rechtliche Unternehmen nachgezogen.


Dies ist der zweite Teil unserer Gehaltsauswertung: Gestern hatten wir bereits die Bonuszahlungen von jeder dritten Sparkasse in Deutschland ausgewertet. Wir nennen Vorstände in Hessen und Nordrhein-Westfalen, die außergewöhnlich hohe Prämien erhalten. In unser neuen Datenbank könnt Ihr alle Bonuszahlungen anschauen. Alle Infos zu unserer Sparkassen-Serie findet Ihr auf correctiv.org/sparkassen.

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Unterstützung beim Faktencheck: Daniel Schmidt/ Uni Hohenheim

Datenanalyse & Visualisierung: Simon Wörpel