Faktencheck

Zahlreiche Nachrufe für den Helden von Aschaffenburg zeigen einen Unbeteiligten, der noch lebt

Beiträge in Sozialen Netzwerken betrauern den Tod des Helden von Aschaffenburg, allerdings verbreiten sie dazu den Namen eines unbeteiligten Mannes und ein Foto von seinem Sohn. Die Familie wehrte sich öffentlich gegen die Falschbehauptung.

von Johannes Gille

Nach tödlichem Angriff in einem Park in Aschaffenburg
In einem Park in Aschaffenburg gedenken Anwohner den Opfern des Messerangriffs (Foto: Daniel Löb / dpa / picture alliance)
Behauptung
Ein Foto zeige den „Held von Aschaffenburg“ Claudio, der bei dem Versuch, eine Gruppe Kinder vor dem Attentäter zu schützen, ermordet wurde.
Bewertung
Falsch. Der Mann, der sich am 22. Januar 2025 schützend vor eine Kindergruppe gestellt haben soll, hieß Kai-Uwe D. Das Foto hingegen, das fälschlich in Sozialen Netzwerken geteilt wird, zeigt einen unbeteiligten Mann, der noch lebt. Dazu verbreitet wird der Name seines Vaters, der bei einem Unfall gestorben ist.

Mitte Januar ist in Aschaffenburg ein Mann mit einem Messer auf eine Kindergruppe losgegangen. Dabei kamen laut Polizeipräsidium Unterfranken ein zweijähriges Kind ums Leben und ein 41-jähriger Mann, der offenbar helfen wollte – er wurde als „Held von Aschaffenburg“ bekannt.

Kurz darauf kursierte ein Bild in Sozialen Netzwerken, das angeblich ein Foto und den Namen dieses Helden zeigen soll – er heiße Claudio. Es wurde noch Tage später verbreitet, etwa von Profilen, die sich fälschlich als Partei- oder Politiker-Profile der AfD ausgeben. Insgesamt wurde der Nachruf zehntausende Mal geteilt und Millionen Mal gesehen, zum Beispiel auf Tiktok, Threads, Facebook oder Instagram.

Eine Google-Suche für den 22. und 23. Januar zeigt jedoch, dass zum Zeitpunkt, als das Bild im Netz auftauchte, weder Name noch Fotos des „Helden von Aschaffenburg“ öffentlich waren. Informationen über den Mann, der sich schützend vor die Kinder gestellt hat, wurden erst bei einer Trauerfeier am 26. Januar durch Markus Söder öffentlich gemacht. Woher also stammen Foto und Name, die in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken verbreitet werden?

Screenshot von einem Beitrag auf X mit dem Schriftzug „der Held von Aschaffenburg“
Einer von Dutzenden Nachrufen, die alle dasselbe Bild eines Unbeteiligten zeigen, und diesen fälschlich den „Held von Aschaffenburg“ nennen. (Quelle: X; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Nachruf zufällig am selben Tag veröffentlicht

Eine Internetsuche nach „Claudio“ im Zusammenhang mit dem Attentat in Aschaffenburg führt zu mehreren Medienberichten. So berichtete die Nachrichtenseite InFranken.de am 27. Januar, es sei zu einer Verwechslung gekommen – der Mann auf dem Foto im Internet sei der Falsche. Auch die Polizei bestätigte laut InFranken.de, dass der Mann auf dem Foto nicht Opfer des Anschlages war.

Am Morgen des 22. Januar – knapp drei Stunden vor dem Anschlag – hatte ein Aschaffenburger Ladenbesitzer einen Nachruf für einen verstorbenen Freund namens Claudio auf Instagram veröffentlicht, der kurz zuvor bei einem Unfall in Italien verstorben war. Das Bild auf Instagram zeigt den Ladenbesitzer mit einer Frau und zwei Männern – besagtem Claudio und seinem Sohn.

Was sich daraufhin ab dem Morgen danach im Zusammenhang mit dem Attentat in Aschaffenburg im Netz verbreitete war ein anderes Bild des Sohnes – in Kombination mit dem Namen seines verstorbenen Vaters Claudio.  Später ergänzte der Ladenbesitzer in dem Beitrag den Hinweis, das Foto stehe „in keinster Form in Zusammenhang mit der Messerattacke in Aschaffenburg“.

Auch die Familie von Claudio wandte sich mit einer Stellungnahme an InFranken.de und stellte die Behauptungen in einem Instagram-Beitrag richtig.

Erst am 26. Januar 2025 nannte Ministerpräsident Markus Söder den Namen des in Aschaffenburg ermordeten 41-Jährigen: Kai-Uwe D. Innenminister Joachim Herrmann betonte nach dem Angriff, dass er durch sein Handeln „weitere Kinder vor dem Tod bewahrte“. Ihm soll für seinen Einsatz die bayerische Rettungsmedaille verliehen werden.

Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl

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