Hintergrund

Düsseldorf: Tödlicher Unfall von Rheinbahn mit Kind liegt Jahrzehnte zurück

Auf Youtube thematisiert ein kurzes Video einen Unfall in Düsseldorf: Ein Kind sei von der Rheinbahn überfahren worden, obwohl es an der Ampel Grün hatte. Für die Kosten des Unfalls müsse die Mutter aufkommen, heißt es. Wir haben recherchiert, was daran stimmt und wo Kontext fehlt.

von Paulina Thom

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Ein Video über einen tödlichen Unfall zwischen der Rheinbahn und einem Kind in Düsseldorf geht aktuell viral auf Youtube und Tiktok – der Vorfall liegt Jahrzehnte zurück (Foto: Jochen Tack / Picture Alliance)

Mehr als drei Millionen Aufrufe und knapp hunderttausend Likes hat ein Youtube-Video seit Ende März 2025 gesammelt: Darin erzählt eine Frau von einem Unfall zwischen einem neunjährigen Kind und einer Straßenbahn der Rheinbahn AG in Düsseldorf. Das Kind sei an der Kölner Landstraße von der Straßenbahn überfahren worden. Sowohl das Kind als auch die Straßenbahn hätten Grün gehabt, aber Straßenbahnen hätten immer Vorfahrt, so sei es zu dem Unfall gekommen. Weiter erzählt die Frau, dass die Mutter des Kindes die gesamten Kosten für den Unfall tragen müsse. Daraufhin habe sie sich bei der Rheinbahn AG beschwert. Auf Tiktok hat das Video weitere 700.000 Ansichten.

In den Kommentaren bei Youtube und Tiktok gibt es neben Kritik an der Rheinbahn viel Zuspruch für die Frau im Video. Manche Nutzerinnen und Nutzer hingegen stellen infrage, dass es den Vorfall wirklich gegeben hat, und viele fragen sich, ob das mit den beiden grünen Ampeln wirklich so stimmt. Auch an der Behauptung, die Mutter müsse für die Kosten aufkommen, gibt es Zweifel. Hier schreiben wir auf, was wir darüber herausfinden konnten. 

Youtube-Short
Knapp hunderttausend Likes hatte dieses kurze Youtube-Video über einen Unfall in Düsseldorf. Was aus dem Video nicht hervorgeht: Der Vorfall liegt Jahrzehnte zurück. (Quelle: Youtube; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Unfall – darauf weist auch der Verbreiter auf Tiktok in einem Kommentar hin – ereignete sich vor Jahrzehnten und die Rheinbahn hat die Kosten übernommen. Aus dem kurzen Video und der Beschreibung geht dies jedoch nicht hervor. Auf unsere Nachfrage löschte der Verbreiter die Videos. Er erklärte, er habe den Ausschnitt aufgrund seiner emotionalen Wirkung ausgewählt, aber nicht beabsichtigt, dass der Clip einen falschen Eindruck erwecke.

Video zeigt Ausschnitt aus einem Interview mit der Politikerin Sylvia Pantel

Der Verbreiter des Kurzvideos verweist in der Videobeschreibung auf einen Podcast namens „Ungeskriptet“ und gibt gleichzeitig an, kein offizieller Kanal des Podcasts zu sein. Auf dem Youtube-Kanal von „Ungeskriptet“ finden wir das Originalvideo, darin spricht der Podcast-Host Benjamin Berndt mit der Politikerin Sylvia Pantel, ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU und mittlerweile Politikerin der Werteunion.

Aus dem Kontext des längeren Videos wird deutlich, dass der tödliche Unfall des neunjährigen Kindes mit der Rheinbahn mehrere Jahrzehnte zurückliegen muss. Zu Beginn des Interviews sagt Pantel, sie sei Mutter von fünf erwachsenen Kindern, als sie über den Unfall spricht, sagt sie, ihre Kinder seien damals in die Grundschule gegangen. Die Politikerin erwähnt zudem, dass die Rheinbahn letztlich alle Kosten des Unfalls übernommen habe. 

Unfall ist in Archiven der Stadt und Rheinbahn nicht mehr zu finden

Wir haben bei der Stadt Düsseldorf, der Polizei und der Rheinbahn nachgefragt, wann sich der Unfall ereignete: Von der Stadt heißt es, Nachforschung im Archiv des Amtes für Verkehrsmanagement und bei der Polizei hätten zu keinem Ergebnis geführt. Auch in den Archiven der Rheinbahn AG, die bis ins Jahr 2003 zurückreichen, findet sich kein solcher Unfall, teilt uns Pressesprecherin Annika Bödefeld mit. Dass es den Unfall gegeben haben könnte, bestreitet das Unternehmen uns gegenüber aber nicht. Medienberichte zu dem Unfall konnten wir keine finden – allerdings reichen auch die von uns durchsuchten Archive mitunter nicht weit genug zurück. 

Sylvia Pantel schickte uns auf Nachfrage ein Dokument über den Unfall zu. Darin heißt es, der Unfall habe sich im Jahr 1998 ereignet. Auch ein Journalist der Rheinischen Post kann sich auf unsere Nachfrage an solch einen Vorfall und ähnliche Details zur Familie des Kindes wie Pantel erinnern. Das Alter des Kindes konnten wir jedoch nicht unabhängig überprüfen.

Trotz grüner Ampel: Schienenfahrzeuge haben an Übergängen für Fußgänger immer Vorrang

Es gibt ältere Berichte über Kritik an der Ampelführung vor Ort. Ein Artikel der Rheinischen Post von 2009 berichtet von vier Todesfällen an der Straße im Zusammenhang mit der Rheinbahn. Auch wenn drei bis dahin geklärte Fälle auf „Unachtsamkeit der Fußgänger“ beruhen, sähen Anwohnerinnen und Politiker Schwierigkeiten bei der Ampelschaltung. „Das Problem: Die Fußgängerampel schaltet auf Grün, in der Mitte der Straße bei den Gleisen blinkt hingegen ein gelbes Licht, das auf den nahenden Zug aufmerksam machen soll“, heißt es im Artikel.

Bödefeld von der Rheinbahn schreibt uns, dass es bei Gleisbereichen, in denen Fußgänger- und Bahnverkehr „technisch gemeinsam geregelt“ seien, vorkomme, dass sowohl die Ampel für Fußgänger als auch das Signal für die Straßenbahn auf Grün stehen. Die Bahn habe aus Sicherheitsgründen grundsätzlich Vorrang, was an den Übergängen ausgeschildert sei. 

Tatsächlich haben Fußgänger laut der Straßenverkehrsordnung an keinem Bahnübergang Vorrang vor der Straßenbahn, auch nicht an Zebrastreifen, wie der ADAC in einem Video erklärt. Geregelt ist all das in Paragraph 19 und Paragraph 26 der Straßenverkehrsordnung. Fußgänger müssen demnach unter anderem warten, wenn sich ein Schienenfahrzeug nähert, es rote oder gelbe Lichtzeichen gibt oder auch ein hörbares Signal. Vorrang hat die Straßenbahn, wie der ADAC im Video erklärt, weil sie Personen befördert und diese bei einem abrupten Bremsen gefährdet werden könnten.

Verkehrsschilder, Leuchten und Gefahrenzeichen machen in Düsseldorf auf Vorrang der Rheinbahn aufmerksam 

Auf Google Maps kann man sich die Situation auf der Kölner Landstraße in Düsseldorf beispielhaft anschauen (Stand der Aufnahme: Juli 2022). Es gibt zwei Ampeln für Fußgänger, unterbrochen in der Mitte durch das Gleisbett. Zu sehen sind mehrere Leuchten (gelbe Markierung) und auch Gefahrenzeichen auf dem Boden (blaue Markierung). Ebenso gibt es Verkehrsschilder (rote Markierung), die auf den Vorrang der Straßenbahn hinweisen.

Screenshots von Google Maps
Ein Bahnübergang über einen Fußweg an der Kölner Landstraße in Düsseldorf auf Google Maps: Zu erkennen sind mehrere Zeichen und Leuchten, die auf die Straßenbahn hinweisen (Quelle: Google Maps; Screenshots, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Nicht alle dieser Sicherheitsvorkehrungen waren schon immer da. Bödefeld schreibt uns auf Nachfrage, dass neben den gelben Blinklichter, die auf eine herannahende Bahn aufmerksam machen, an vielen Stellen akustische Signale ergänzt worden seien, die ebenfalls auf die Annäherung einer Bahn hinweisen. 

Redigatur: Max Bernhard, Matthias Bau

Die wichtigste, öffentliche Quellen für diesen Faktencheck:

  • Straßenverkehrsordnung: Link (archiviert)

 

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