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Was dieses Video von Journalisten mit zugeklebten Mündern wirklich zeigt

Ein Video zeigt Journalisten pro-russischer Sender, die 2021 in der Ukraine verboten wurden. Sie klebten sich im Studio aus Protest gegen das Verbot die Münder zu – im Netz verbreitet sich die Aufnahme ohne diesen Kontext.

Logos der 2021 verbotenen Sender 112 Ukraine, News One und Zik (Bild: Pavlo Gonchar/ picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Logos der 2021 verbotenen Sender 112 Ukraine, News One und Zik (Bild: Pavlo Gonchar/ picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Behauptung
Ein Video zeige, dass ukrainische Journalistinnen und Journalisten sich den Mund zukleben würden, weil sie es satt hätten zu lügen.

Faktensammlung


Im Video sind mehrere Personen zu sehen, die in einem Fernsehstudio sitzen und sich schwarzes Klebeband über den Mund geklebt haben. Im eingeblendeten Text heißt es: „Ukrainische Journalisten haben es einfach satt zu lügen.“

Am unteren Bildrand ist der Urheber des Videos erkennbar, ein offenbar proukrainischer Kanal. In dessen Originalvideo vom 20. Februar 2021 sind dieselben Szenen zu sehen, jedoch mit einer anderen Bildunterschrift. Sinngemäß heißt es dort: „Journalisten der Medwetschuk-Kanäle führten eine Protestaktion durch: sie klebten sich mit schwarzem Klebeband den Mund zu“.


Bilderrückwärtssuchen mit den Szenen aus dem Video führen zu Berichten über die Aktion. Sie zeigen, dass am 8. Februar 2021 Journalistnnen und Journalisten der Sender 112 Ukraine, News One und Zik gegen deren Abschaltung protestierten. In Medienberichten und auf Fotos sind dieselben Personen erkennbar, die im ursprünglich eingereichten Video zu sehen sind. Sie protestierten gegen ein Verbot des Senders.

Als Teil des Protests hielten vor dem Ausstellungskomplex „Parkovy“ Demonstrierende Plakate mit Slogans wie „Kim Jong Ze“ und „Das Ende der Meinungsfreiheit“ hoch. Parallel dazu kleben sich Moderatorinnen im Studio der betroffenen Sender symbolisch den Mund zu – als Zeichen gegen das Verbot. Die Bilder genau dieser Aktion werden im Behauptungsvideo aufgegriffen und irreführend als Protest gegen eigene Lügen dargestellt.

racurs.ua
news.rbc.ua
ua.korrespondent.net


Die protestierenden Journalistinnen und Journalisten arbeiteten für die inzwischen abgeschalteten drei Sender 112 Ukraine, News One und Zik. Sie gehörten dem Abgeordneten Taras Kozak, Mitglied der mittlerweile verbotenen prorussischen Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“. Kozak gilt als Vertrauter von Viktor Medwetschuk, einem einflussreichen ukrainischen Oligarchen und engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut Medienberichten kontrollierte Medwetschuk die Sender. Nach der Übernahme der Sender im Jahr 2019 kündigten viele Journalistinnen und Journalisten, ebenfalls der Geschäftsführer von Zik.

eurotopics.net
atlanticcouncil.org
time.org
dw.com


Die drei Sender gelten als stark prorussisch. Im Vorfeld der ukrainischen Kommunalwahlen 2020 untersuchte die NGO „Detektor Media“ die Verbreitung prorussischer Narrative in nationalen und regionalen Medien. Innerhalb von sieben Wochen identifizierte die Organisation 1.641 Beiträge mit prorussischen Desinformationserzählungen – darunter etwa das falsche Narrativ, dass die Ukraine ein Nazi-Staat sei oder die Erzählung, dass nur die Freundschaft mit Russland die Ukraine retten könne. Mehr als die Hälfte davon wurde von den Fernsehsendern 112 Ukraine, NewsOne und ZIK ausgestrahlt.

detector.media


Am 2. Februar 2021 verhängten der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine und Präsident Wolodymyr Selenskyj per Dekret weitreichende Sanktionen gegen die drei Sender. Begründet wurde die Maßnahme mit der anhaltenden Verbreitung von Desinformation und prorussischen Narrativen. Die Sanktionen umfassten unter anderem den Entzug der Sendelizenz sowie das Verbot der Verbreitung über Kabelnetz, Satellit und Radiofrequenzen.

president.gov.ua
apnews.com
mediarada.org.ua


Am 4. Februar 2021 erklärte der ukrainische Innenminister Arsen Awakow in der Talkshow Pravo na vladu, dass einige ukrainische Medien mit Geldern aus der sogenannten „Volksrepublik Donezk“ (DVR) finanziert würden. Zwar nannte Awakow keine konkreten Sender, doch laut RBC Ukraine sollen 112 Ukraine, News One und Zik über Geschäftsstrukturen von Taras Kozak in den besetzten Gebieten des Donbass, insbesondere durch Kohlehandel, finanziert worden sein. Der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes Igor Zhovkva bestätigte gegenüber der ukrainischen Nachrichtenagentur „Ukrinform“, dass die drei Sender seit langer Zeit von der Russischen Föderation finanziert worden seien.

rbc.ua
news.rbc.ua


Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Max Hillenberg; Redigatur: Viktor Marinov