Russen können trotz Sicherheitsbedenken EU-Immobilien kaufen
Obwohl 18 Sanktionspakete verabschiedet wurden, können russische Staatsbürger Immobilien in der EU kaufen. Mehrere Länder halten das für ein Sicherheitsrisiko. Unsere Recherche zeigt: Ein EU-weites Verbot scheiterte an einem einzelnen Staat. Und Deutschland hat keine Daten zu den Käufern.

Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Sanktionen gegen Russland verbieten den Handel vieler Waren und Dienstleistungen, doch Immobilienkäufe sind weiter erlaubt.
- Mehrere Staaten, darunter Finnland, Lettland und Litauen sehen darin eine Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit.
- Ein bereits geplantes Verbot auf EU-Ebene hatte Zypern gekippt, zeigen unsere Recherchen.
- In Deutschland und auf EU-Ebene fehlen Informationen darüber, wie viele Immobilien russischen Staatsbürgern gehören, und ob sie etwa nahe kritischer Infrastruktur liegen.
Die drei Wohnblocks, die das estnische Innenministerium nervös machen, liegen zentral in der Hauptstadt Tallinn und haben eine gute Aussicht auf das Nato-Cyberabwehrzentrum gleich nebenan. Gebaut hat die Luxuswohnungen die Firma Tycoon UÖ, deren Besitzer: Vladimir Voronin, ein russischer Milliardär und Immobilieninvestor. Die Website preist die letzten freien Wohnungen auf Estnisch, Englisch, Finnisch und Russisch an.
Obwohl seit Februar 2022 umfangreiche Sanktionen gegen Russland verabschiedet wurden, können russische Staatsbürger noch immer Häuser und Wohnungen in der EU kaufen. Mehrere Staaten halten das für ein erhebliches Sicherheitsrisiko, sie fürchten Angriffe auf kritische Infrastruktur und Spionage. Der lettische Geheimdienst VDD bestätigt auf Anfrage, es seien bei der Überprüfung russischer Immobilien in Lettland bereits in mehreren Fällen Bedrohungen für die nationale Sicherheit entdeckt worden.
Soweit hätte es nicht kommen müssen: Die EU-Kommission wollte bereits im Mai 2022 Immobilienkäufe für russische Staatsbürger verbieten, als Teil einer harten Antwort auf die Invasion in der Ukraine. Ein entsprechender Vorschlag findet sich im Entwurf für das sechste Sanktionspaket. Doch das Verbot scheiterte, obwohl mehrere Staaten, darunter Polen und auch Deutschland, es für wichtig hielten und etwa Ausnahmen für Doppelstaatler vorgesehen waren. Interne Dokumente, die CORRECTIV vorliegen, zeigen nun, dass es am Widerstand eines einzelnen Staats scheiterte: Zypern. Der Inselstaat profitiert von russischem Geld besonders stark.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine lief seit genau 10 Wochen, als die EU-Kommission am 3. Mai 2022 ihren Entwurf für das sechste Sanktionspaket vorlegte. Er enthielt, neben einem weitgehenden Einfuhrverbot für russisches Rohöl, auch ein Verbot für russische Firmen und Staatsbürger, Immobilien in der EU zu kaufen.
Danach begannen – wie üblich – die Verhandlungen: Damit die Mitgliedsstaaten im Rat der EU einem Sanktionspaket zustimmen können, handeln zunächst die ständigen Vertreter der Mitgliedsländer bei der EU eine Fassung aus, die für alle akzeptabel ist. Sie halten dabei Rücksprache mit ihren Heimatregierungen.
Deutscher Diplomat kritisiert aufgeweichte Sanktionspläne
Dieser Prozess läuft hinter den Kulissen ab, die Dokumente und Korrespondenzen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie offenbaren die teils weit auseinanderklaffenden Positionen der einzelnen Mitgliedsstaaten.
Der damalige deutsche ständige Vertreter Michael Clauß meldete am 5. Mai in einem Drahtbericht an die Bundesregierung, das Ölembargo und seine Fristen seien „erwartungsgemäß umstrittenste Frage“ und auch, dass über das Immobilienerwerbsverbot diskutiert werde. Zwei Tage später meldet er hierzu: Zypern kritisiere, dass keiner seiner Vorschläge berücksichtigt worden sei. Auch in der nächsten Sitzung der EU-Botschafter hatte Zypern offenbar Fragen zu dem Verbot.
Am 29. Mai war das Verbot dann plötzlich vom Tisch. Clauß meldete nach Deutschland: „Weitere Aspekte der Aussprache waren u.a. die deutliche Kritik an der Streichung des
Immobilienerwerbverbots (außer mir auch POL, LTU, LVA)“, also Polen, Litauen und Lettland.
Zypern hatte demnach gefordert, dass das Verbot nicht für russische Staatsbürger gelten solle, die ihren Wohnsitz außerhalb Russlands haben. Die Kommission habe befürchtet, dass es dadurch zu leicht würde, die Sanktion durch eine Wohnsitzänderung zu umgehen. Das sei „auch der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln.“ Die Kommission habe zwar am Verbot festhalten wollen, mit den von Zypern geforderten Ausnahmen wäre es jedoch „ausgehöhlt“ und daher gestrichen worden.
Clauß schreibt, er habe „Enttäuschung“ darüber geäußert, “dass der neue Vorschlag zum 6. Sanktionspaket deutlich hinter dem ursprünglichen Ambitionsniveau zurückliege. So sei die Streichung des Immobilienerwerbverbots kaum nachvollziehbar.“
Die enge Verbindung zwischen Zypern und Russland
Warum ist es Zypern so wichtig, Russen nicht vom Immobilienmarkt fernzuhalten? Das Land ist traditionell enger mit Russland verbunden als viele andere EU-Staaten, erklärt Philipp Lausberg vom European Policy Centre. Sowohl religiös – beide Länder sind von der orthodoxen Kirche geprägt – als auch wirtschaftlich. „Moskau des Mittelmeers“ wird der kleine EU-Staat auch genannt.
Eine komplizierte Verflechtung politischer Eliten und Unternehmensdienstleister habe die Offshore-Industrie des Landes für russische Unternehmen mit engen Verbindungen zum Kreml attraktiv gemacht, schreibt das Zentrum für Demokratiestudien in Sofia, Bulgarien. 2023 deckte eine Recherche des International Consortium of Investigative Journalists auf, dass auch nach der Invasion der Ukraine noch Gelder von sanktionierten russischen Oligarchen nach Zypern flossen – offenbar, um es vor Sanktionen zu schützen.
Zypern lockte Investitionen aus dem Ausland auch mit sogenannten Goldenen Pässen: Für eine Investition von mindestens zwei Millionen Euro gab es die Staatsbürgerschaft, eine Eintrittskarte in die EU. 2020 musste das Programm wegen Korruptionsvorwürfen eingestellt werden, einer Recherche des Senders Al-Jazeera zufolge waren Pässe auch an Kriminelle verkauft worden. Der oberste Rechnungsprüfer Zyperns berichtete im Mai 2025, dass politische Parteien des Landes in diesem Zusammenhang mehr als eine Million Euro Spendengelder erhalten hätten.
Doch auch ohne Goldene Pässe fließt weiter russisches Geld in zyprische Immobilien: Russen führten noch immer die Liste der ausländischen Immobilienkäufer in Zypern an, erklärte 2023 der damalige Direktor des Grundbuchamts. Ein wichtiger Grund für Zyperns Attraktivität aus seiner Sicht: Das Land erhebt keine Grundsteuer. Eine Statistik des zyprischen Innenministeriums weist die am häufigsten vertretenen Nationalitäten von Immobilienkäufern 2021 und 2024 in allen zyprischen Provinzen aus. Russen sind überall unter den ersten zehn Plätzen, in der Provinz Limassol liegen sie direkt nach den Zyprern ganz vorn.
Mittlerweile erkennt der jüngste Bericht des Europäischen Anti-Geldwäsche-Monitorings (MONEYVAL) deutliche Fortschritte Zyperns im Kampf gegen die Geldwäsche an. Im Juli dieses Jahres wurde außerdem eine neue Behörde zur Durchsetzung von Sanktionen gegründet.
Allerdings ist Zypern bei weitem nicht das einzige EU-Land, in dem Russen auch nach der Invasion der Ukraine Immobilien kaufen: Ganz vorn auf der Liste liege in absoluten Zahlen Frankreich, dann Spanien, meldet ein Immobilienportal. Offizielle Zahlen auf EU-Ebene gibt es nicht.
Deutschland weiß nicht, wo Immobilien in russischer Hand sind
Wie ist die Situation in Deutschland? Vor den Verhandlungen für das siebte Paket hatte das Außenministerium intern weiterhin „dringenden Änderungsbedarf“ bei dem Thema beklagt. Nicht immer sind die russischen Interessen für den deutschen Markt so spektakulär wie 2023, als ein russischer Investor Anteile am Flughafen Frankfurt-Hahn übernehmen wollte: Ein ehemaliger Militärflughafen, mit Landebahnen von vier Kilometern, auf denen auch russische Antonov An-224 landen könnten – Transportflugzeuge für Güter oder Streitkräfte. Die Bundesregierung schritt ein, das kann sie mithilfe der Außenwirtschaftsverordnung. Doch das Ausmaß alltäglicher Immobilienkäufe liegt dagegen völlig im Dunkeln.
Aus Sicht des politischen Ökonomen Lausberg könnte ein Immobilienkaufverbot bewirken, dass weniger Russen in die EU kommen, was sowohl ihren Einfluss verringert als auch ihre Bestrafung bedeuten könnte. „Die russische Elite ist sehr luxusverwöhnt. Ihnen ein weiteres Spielzeug wegzunehmen, könnte innenpolitische Spannungen und Druck auf Putin auslösen“, sagt er. Allerdings hätte ein Verbot auch eine Kehrseite: Regimekritische Russen würde es ebenso treffen wie die vielen Fachkräfte, die Russland schon verlassen haben oder es planen. „Das ist ein Problem für die russische Wirtschaft und das könnte man verstärken, indem man hochqualifizierte Russen nach Europa lockt, mit besseren Konditionen“, sagt Lausberg. „Allerdings besteht natürlich eine Sicherheitskomponente. Es kann unter diesen Leuten immer welche geben, die geheimdienstlich unterwegs sind oder sonstig Europa unterminieren wollen.“
Inzwischen hat die EU das 18. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Ein Immobilienkaufverbot war auch dort nicht enthalten. Nun erlassen einige Staaten Verbote im Alleingang: In Finnland ist es seit Mitte Juli für Russen und Belarussen verboten, Immobilien zu erwerben, es sei denn, sie haben einen Aufenthaltsstatus in der EU. So wolle Finnland verhindern, dass Immobilien genutzt würden, um “feindliche Aktionen gegen die finnische Gesellschaft zu planen”. In Estland sollen Russen keine Immobilien in der Nähe strategisch wichtiger Orte kaufen können. Lettland hat im Juli ein generelles Verbot erlassen, das sei ein Schritt, um „den Einfluss und die Präsenz von Personen und Unternehmen in Lettland zu begrenzen, die dem Land schaden“. In Litauen gilt ein solches Verbot bereits seit 2023.
Für Deutschland hatte der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) 2023 zumindest ein Immobilientransaktionsregister im Kampf gegen Geldwäsche angekündigt. Doch das Gesetz wurde vor dem Bruch der Ampel-Koalition im Herbst 2024 nicht mehr verabschiedet. Eine Sprecherin des Bundesinnenministerium erklärt zwar auf Anfrage, es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, „dass derartige Immobilienkäufe russischer Staatsangehöriger Ausgangspunkt für nachrichtendienstliche Aktivitäten sind”. Allerdings bestätigt sie auch den blinden Fleck in den Daten: Es gibt demnach in Deutschland noch immer keine Information darüber, wie viele Immobilien in russischer Hand sind, oder wie viele davon in der Nähe kritischer Infrastruktur liegen.
Redigat: Justus von Daniels
Faktencheck: Annika Joeres
Bild: Ivo Mayr
Kommunikation: Esther Ecke