Gewalt im Sport

Mehrere Parteien fordern Dunkelfeldstudie zu Gewalt gegen Kinder im Fußball

Nach Berichten von CORRECTIV und 11FREUNDE über Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Fußball fordern SPD, Grüne und Linke umfassende Aufklärung. Die Parteien sehen den DFB in der Pflicht, strukturelle Probleme im Fußball zu verbessern.

von Jonathan Sachse , Finn Schöneck

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Nach den Recherchen von CORRECTIV und 11FREUNDE zu Missbrauch im Fußball fordern SPD, Grüne und Linke umfassende Aufklärung. Illustration: Mohamed Anwar

Recherchen von CORRECTIV und 11FREUNDE haben ein gravierendes Missbrauchsproblem von Trainern und anderen Funktionsträgern im deutschen Fußball offenbart: Hunderte Kinder und Jugendliche waren in den vergangenen Jahren von Gewalt betroffen. In den vergangenen Jahren allein wurden knapp 40 strafrechtliche Ermittlungsverfahren mit mehr als 130 Geschädigten eingeleitet. Über eine Befragung schildern knapp 500 Menschen ihre Erfahrungen. Immer wieder ging es um Gewaltdelikte gegen Minderjährige – meist begangen von Trainern.

Als Reaktion auf die Recherche forderte die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs eine Aufarbeitung der Dunkelziffer. Jetzt reagieren mehrere Parteien und schließen sich der Forderung an.

„Eine umfassende Aufarbeitung der Fälle im Fußball ist nötig, damit Lehren gezogen und nachhaltige Veränderungen angestoßen werden können“, sagt Bettina Lugk, sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Zudem würden gesetzliche Anpassungen geprüft. Konkret will sich Lugk dafür einsetzen, „dass Gewaltstraftaten im Sport gesondert erfasst werden“. Aktuell kann die Justiz nicht auswerten, wie oft Fußballtrainer nach gewalttätigen Übergriffen auf ihnen anvertraute Kinder vor Gericht stehen.

Für die Grünen seien Gewalttaten im Fußball ein strukturelles Machtproblem im Sport, sagt Tina Winklmann, sportpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion. Sie fordert eine „gezielte Dunkelfeldstudie“ und eine „regelmäßige externe Evaluationen“ von Schutzkonzepten.

Auch die Linke sieht eine gezielte Aufarbeitung der Dunkelziffer im Fußball als unerlässlich an, sagt Christian Görke, sportpolitische Sprecherin der Linken Bundestagsfraktion. Weiter sagt er: „Die Unabhängige Kommission verfügt über den gesetzlichen Auftrag und die fachliche Expertise hierfür. Wir unterstützen daher ihre Forderung, eine speziell auf den Fußball ausgerichtete Dunkelfeldstudie umzusetzen.“

DFB sieht keinen Anlass für Aufarbeitung

Beide Parteien sehen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) dabei in besonderer Verantwortung. Bisher sieht der DFB für eine gezielte Aufarbeitung keine Notwendigkeit. „Missbrauchsbekämpfung wird nicht dringlich, wenn wir wissen, wie hoch die Dunkelziffer ist“, sagte DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning zu CORRECTIV und 11FREUNDE.

Was eine Aufarbeitung bewirken kann, hat vor wenigen Jahren der englische Fußball gezeigt. Mehrere ehemalige Profifußballer machten einen Kindesmissbrauch-Skandal publik. Innerhalb von einer Woche gingen hunderte Anrufe von weiteren Betroffenen bei einer Anlaufstelle ein.

Die britischen Fußballverbände aus England (FA) und Schottland (SFA) beauftragten unabhängige Untersuchungen, die den Kindesmissbrauch seit den 1970er Jahren untersuchten. Das erschreckende Ergebnis wurde erst vor wenigen Jahren bekanntgegeben: 300 Verdächtige und 869 Geschädigte, die sexuellen Missbrauch im Fußball erfahren haben sollen.

Zudem kamen die Prüfer zum Schluss, dass die FA viel zu spät handelte und erst Jahre nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe ein weitreichendes Schutzprogramm etablierte. Die Kinderschutzstrategie ist im Vergleich zu Deutschland deutlich umfassender und wird alle vier Jahre überarbeitet und von der renommierten Kinderschutzorganisation NSPCC geprüft.

*Update 25.09.2025: Nach Veröffentlichung der Nachricht reagierte der sportpolitische Sprecher der Linken Christian Görke auf die Recherche. Die Antworten wurden im Text nachträglich ergänzt.