Gesellschaft

Extra Feiertage für Muslime in Schleswig-Holstein? Behauptung fehlt Kontext

Online empören sich manche über eine angebliche „Islamisierung“, weil Musliminnen und Muslime in Schleswig-Holstein zwei neue Feiertage erhalten würden. Den Beiträgen fehlt wichtiger Kontext: Es handelt sich nicht um gesetzliche Feiertage.

von Paulina Thom

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Muslimische Familie beim Iftar-Gebet zum Fastenbrechen während des Ramadan (Foto: Benis Arapovic / Zoonar / Picture Alliance)
Behauptung
Es gebe zwei neue Feiertage für Musliminnen und Muslime in Schleswig-Holstein.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Es handelt sich bei den Tagen nicht um gesetzliche, sondern um religiöse Feiertage. Das heißt, Beschäftigte müssen sich an diesen Tagen in der Regel Urlaub nehmen, um frei zu bekommen. Freigestellte Schülerinnen und Schüler müssen den Lernstoff nachholen. Solche Feiertage gibt es für verschiedene Religionen in Deutschland.

„Zwei extra Feiertage nur für Muslime. Was kommt als Nächstes?“, behauptete Ende September ein Nutzer auf Facebook. Mehrere Personen sprechen von „Islamisierung“, die angeblich neue Regelung sei „unerträglich“ oder ungerecht. „Entweder Feiertage für alle oder gar nicht“, heißt es.

Anlass ist ein Vertrag in Schleswig-Holstein, den das dortige Landesministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (MBWK) mit dem Landesverband der Islamischen Kulturzentren Norddeutschland (VIKZ LV Norddeutschland) abgeschlossen hat. Demnach werden der erste Tag des Ramadanfestes sowie der erste Tag des Opferfestes „als islamische Feiertage gewürdigt“.

Haben Musliminnen und Muslime in Schleswig-Holstein dadurch also wirklich zwei Extra-Feiertage? Wir schauen auf die Regelung und geben Kontext.

Post von Facebook mit der Behauptung
Mit einer Regelung zu Feiertagen in Schleswig-Holstein wird online Stimmung gegen muslimische Menschen gemacht – dabei wird relevanter Kontext ausgelassen (Quelle: Facebook / Welt; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Religiöse Feiertage sind keine gesetzlichen Feiertage

Auf Nachfrage heißt es aus dem Ministerium, dass es sich um keine zusätzlichen gesetzlichen Feiertage, sondern um religiöse Feiertage handele. Ein wichtiger Unterschied: Während an gesetzlichen Feiertagen ein Beschäftigungsverbot mit einzelnen Ausnahmen gilt, müssen Gläubige in Schleswig-Holstein, die Ramadan feiern wollen, in der Regel nach wie vor einen Urlaubstag nehmen, um frei zu bekommen.

Die Festlegung von gesetzlichen Feiertagen ist grundsätzlich Sache der Länder – und zwar in ihren jeweiligen Sonn- und Feiertagsgesetzen. Einzige Ausnahme ist der Tag der Deutschen Einheit, er ist Bundessache. Neun Feiertage, darunter etwa die Weihnachtsfeiertage oder Karfreitag, sind zudem bundeseinheitlich geschützt – sie finden also auch in ganz Deutschland statt. Die meisten gesetzlichen Feiertage sind christlich geprägt. Darüber gibt es angesichts der Religionsvielfalt und einer schrumpfenden Anzahl von Mitgliedern der christlichen Kirchen in Deutschland auch immer wieder Diskussionen.

Unabhängig davon können Bundesländer religiöse Feiertage festlegen. Das MBWK erklärt dazu in einer Pressemitteilung über die Feiertage für muslimische Menschen ausführlicher: „Im Sinne des Sonn- und Feiertagsgesetzes sowie des Schulgesetzes können Beamtinnen und Beamte, Beschäftigte sowie Schülerinnen und Schüler an diesen Tagen freigestellt werden.“ Anders als teils in Sozialen Netzwerken behauptet, bedeutet das nicht, dass Musliminnen und Muslime an diesen Tagen automatisch frei haben.

Was die Regelung zu Feiertagen für muslimische Menschen in Schleswig-Holstein bedeutet

Was ist nun der Vorteil von einem religiösen Feiertag? Für Schülerinnen und Schüler gilt: Sie könnten sich auf Antrag bei der Klassenlehrkraft vom Unterricht befreien lassen. Das erläutert das Ministerium auf Nachfrage weiter. Versäumte Unterrichtsinhalte und Leistungsnachweise müssten nachgeholt werden. Beamtinnen und Beamte könnten über Urlaub, Sonderurlaub oder im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen freigestellt werden.

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt an religiösen Feiertagen: Sie können eine Freistellung in der Regel über ihre regulären Urlaubstage beantragen. Ein Anspruch bestehe, soweit keine unzumutbare Beeinträchtigung des Betriebs vorliegt. Bei normalen Urlaubstagen gilt, dass der Arbeitgeber die Urlaubswünsche seiner Angestellten zwar berücksichtigen muss, allerdings können andere Mitarbeiter aus sozialen Gründen Vorrang haben, etwa aufgrund von Kindern, längerer Betriebszugehörigkeit oder ihres Alters.

Ein Blick in das Sonn- und Feiertagsgesetz von Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2004 zeigt außerdem: So neu ist die im Vertrag festgelegte Regelung nicht. „Den in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis stehenden Mitgliedern der Religionsgemeinschaften ist, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen, an den Feiertagen ihres Bekenntnisses Gelegenheit zu geben, am Gottesdienst teilzunehmen“, heißt es in Paragraf 7. Auch Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern stehe dies zu.

Auch für andere Religionen gibt es solche Verträge mit Feiertagen

Es sei keine neue Rechtslage geschaffen worden, heißt es auch aus dem Ministerium. „Vielmehr werden bestehende Rechte bekräftigt und Klarheit geschaffen. Schon vorher konnten Gläubige aller Religionen an hohen Feiertagen freigestellt werden – ob im Schulunterricht, auf der Arbeit oder im Dienst. Es gibt also keine neuen Feiertage.“

Diese Regelungen gelten demnach auch für andere religiöse Feiertage, die in Schleswig-Holstein keine gesetzlichen Feiertage sind. Für christliche Gläubige sind das etwa der Buß- und Bettag, Fronleichnam, Allerheiligen oder Heilige Drei Könige. Ähnliche Verträge über religiöse Feiertage hat das Bundesland auch bereits mit den jüdischen Landesverbänden und der Alevitischen Gemeinde geschlossen.

Redigatur: Sara Pichireddu, Gabriele Scherndl

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressemitteilung Landesministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, 24. September 2025: Link (archiviert)
  • Gesetz über Sonn- und Feiertage in Schleswig-Holstein, 28. Juni 2004: Link (archiviert)
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