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Kartoffelpreise fallen wegen Rekordernte in Deutschland – nicht wegen Importen

Ein Video auf Instagram und der Plattform X suggeriert, dass deutsche Kartoffeln durch Importware auf dem deutschen Markt ersetzt würden. Unsere Recherche zeigt jedoch: Die niedrigen Preise 2025 sind die Folge einer Rekordernte und eines daraus folgenden Überangebots.

2025 fiel die Kartoffelernte in Deutschland so reichlich aus wie seit 25 Jahren nicht mehr (Bild: Elena Grishina / Picture Alliance / Zoonar)
2025 fiel die Kartoffelernte in Deutschland so reichlich aus wie seit 25 Jahren nicht mehr (Bild: Elena Grishina / Picture Alliance / Zoonar)
Behauptung
Der deutsche Kartoffelmarkt sei eingebrochen, da Aldi, Lidl und Co lieber im Ausland Kartoffeln kaufen würden.

Faktensammlung


Ein Video mit der Behauptung, ursprünglich vom Instagram-Kanal eines Landwirtschaftsbetriebs gepostet, verbreitete sich besonders auf der Plattform X. Darin zu sehen ist ein Mann mit einem T-Shirt des sächsischen Betriebs, der in die Kamera spricht während er vor einem Kartoffelfeld steht: Er behauptet, deutsche Kartoffeln würden sich nicht mehr verkaufen, weil Handelsketten lieber importierte Ware kauften.


In der Tat fielen die Preise für Frühkartoffeln laut Marktbeobachtern stark: Innerhalb weniger Wochen im Juni von etwa 60 Euro auf 39 bis 40 Euro je 100 Kilogramm. Laut einem Fachmagazin für Landwirtschaft „agrarheute“ meldeten deutsche Kartoffelbauern aber eigentlich gute Erträge und Knollen von hoher Qualität. Händler und Analysten führen den Preisverfall dementsprechend auf das gestiegene Angebot zurück, da mehr Fläche bebaut wurde und die Ernte pro Hektar zunahm. Medienberichte sprechen von einer reichlichen Ernte in mehreren Bundesländern. Die Nachfrage bleibt hingegen schwach: Ferienzeit und volle Kühlhäuser bremsen den Verkauf. Fachleute erwarten außerdem kurzfristig keine Preissteigerung, da im Laufe des Herbstes noch mehr Kartoffeln auf den Markt kommen.

Statistiken des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zeigen, dass Deutschland sich im Wirtschaftsjahr 2023/24 mit Kartoffeln mehr als selbst versorgen konnte: Der Selbstversorgungsgrad lag bei 153 Prozent, was bedeutet, dass in Deutschland rund 50 Prozent mehr Kartoffeln produziert wurden, als im Inland verbraucht werden. Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg auf 63,5 Kilogramm (+7,8 kg gegenüber dem Vorjahr). Die Gesamternte belief sich auf 12,7 Millionen Tonnen. Davon wurden 6,2 Millionen Tonnen exportiert, was einem Inlandsverbrauch von etwa 7,2 Millionen Tonnen entspricht. Gleichzeitig wurden nur 2,5 Millionen importiert, also deutlich weniger als ausgeführt wurden. Deutschland war damit klar Nettoexporteur von Kartoffeln. 2024 bauten deutsche Bauern auf 282.200 Hektar Kartoffeln an, der durchschnittliche Ertrag lag bei 450,2 pro 100 Kilogramm pro Hektar.


Aldi Nord bietet in ihren wöchentlichen Prospekten – digital sowie gedruckt – regelmäßig „Speisekartoffeln aus Deutschland“ an. In der Produktbeschreibung gibt der Discounter auch die Herkunft an. Auf Anfrage erklärte das Unternehmen, in Ausnahmefällen werde für kurze Zeit auf Ware aus dem Ausland zurückgegriffen. Seit Juli 2025 stamme die gesamte konventionelle und Bio-Ware aus Deutschland; nur Speisekartoffeln der Sorte „Drillinge“ kämen derzeit teils aus Frankreich und Belgien. Auf Anfrage teilte auch Aldi Süd mit, dass das Unternehmen derzeit fast ausschließlich Kartoffeln aus Deutschland anbietet. Ein Großteil davon stamme aus regionalem Anbau. Die einzige Ausnahme seien auch hier „Drillinge“aus Frankreich. Auch die Supermarktkette Lidl weist auf der Unternehmensseite aus, dass Produkte aus deutschem Anbau bevorzugt würden. Unter der Kennzeichnung „Qualität aus Deutschland“ werden saisonale und regionale Waren hervorgehoben. Lidl erklärte auf Anfrage, dass im Standardsortiment aktuell ausschließlich Speisekartoffeln aus Deutschland angeboten würden. Saisonale Spezialitäten aus dem europäischen Ausland ergänzten das Angebot nur vereinzelt. In Übergangszeiten zwischen Ernten oder bei Qualitätsverlust gelagerter Ware könne es vorkommen, dass zusätzlich Kartoffeln aus dem Ausland bezogen würden.


Kartoffeln aus Ägypten sehen Verbraucherinnen und Verbraucher vor allem im Frühjahr im Supermarkt. Diese saisonalen Importe überbrücken die Lücke vor dem Start der deutschen Ernte im Juni. und sind seit Jahren üblich. Die Praxis steht jedoch wegen des hohen Wasserverbrauchs und des Transports über lange Distanzen in der Kritik. Im Jahr 2023 wurde ein Fall bekannt, in dem Kartoffeln aus Ägypten in einzelnen Fällen fälschlich als regionale Ware beworben wurden. Die Verbraucherzentrale Thüringen mahnte den Supermarkt Rewe deswegen ab. Das Unternehmen gab daraufhin eine Unterlassungserklärung ab. Der Fall zeigt, dass die Behörden und Verbraucherverbände auf eine korrekte Herkunftskennzeichnung achten und Verstöße sanktioniert werden.


Wegen der großen Kartoffelernte geraten viele Landwirte 2025 unter Preisdruck. Medienberichte zeigen, dass das Überangebot und die niedrigen Erzeugerpreise dazu führen, dass sich die Vermarktung für einige Betriebe wirtschaftlich kaum lohnt. Manche Landwirte geben daher überschüssige Kartoffeln an Biogasanlagen ab oder verwenden sie als Tierfutter, um Verluste zu vermeiden. Die Menge der so verwerteten Kartoffeln ist im Verhältnis zur Gesamternte gering. Fachleute sprechen von Einzelfällen, die auf die außergewöhnliche Marktlage und nicht auf eine generelle Vernichtung von Lebensmitteln zurückgehen.


Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Nadia Westerwald; Redigatur: Sara Pichireddu