Missbrauch im Sport: Neues Zentrum setzt auf freiwillige Aufarbeitung
Nur freiwillige Mitarbeit, Warnung vor Überlastung und verschobener Start: Neue Pläne für staatliches Zentrum zur Aufarbeitung von Missbrauch im Sport sorgen für Kritik. Die Staatsministerin verteidigt ihre Pläne.

Am vergangenen Mittwoch tagte der Ausschuss für Sport und Ehrenamt zum zehnten Mal in dieser Legislaturperiode im Bundestag. Dabei sprachen Abgeordnete und Sachverständige über den Aufbau des Zentrums-Safe-Sport – ein unabhängiges Kompetenzzentrum zur Vorbeugung und Aufarbeitung von Gewalt, Missbrauch und Diskriminierung im Sport. Im Kern der Debatte standen offene Fragen zur freiwilligen Beteiligung der Sportverbände und der Öffnung des Zentrums für den Breitensport.
Dass weitere zusätzliche Angebote zur Prävention und Aufarbeitung von Gewalt und Missbrauch im Breiten- und Spitzensport gebraucht werden, zeigen aktuelle Fälle, wie im deutschen Turnerverband oder im Schwimmsport. Auch die gemeinsame Recherche von CORRECTIV und 11Freunde weist auf ein schwerwiegendes Missbrauchsproblem im deutschen Fußball hin.
Die Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein (CDU), betonte, dass Sportverbände freiwillig entscheiden sollten, ob sie sich am Zentrum-Safe-Sport beteiligen. Sie gehe davon aus, dass es für die Verbände gute Argumente gebe, dem Zentrum beizutreten, so Schenderlein in der öffentlichen Sitzung.
Die Kritik an der Freiwilligkeit kommt vom Geschäftsführer der Sportvertretung „Athleten Deutschland“, Johannes Herber. Er selbst war als Sachverständiger im Ausschuss geladen. „Athleten Deutschland“ fordert die Bundesregierung auf, ihre staatliche Schutzpflicht wahrzunehmen und die „Übertragung der Zuständigkeiten für Untersuchung und Sanktionierung an das Zentrum zur Fördervoraussetzung zu knüpfen.“ Damit werde sichergestellt, dass der Schutz vor Gewalt keine freiwillige Entscheidung einzelner Organisationen bleibe, heißt es in einem Statement.
Gefahr durch Überlastung?
Zunächst soll das Zentrum auf den Spitzensport ausgerichtet sein, schrittweise soll dann der Nachwuchs-Leistungssport folgen. Das Zentrum solle laut Plan aus 2023 auch dem Breitensport dienen. Auf Anfrage schreibt ein Sprecher der Staatsministerin Schenderlein: Das Zentrum stehe von Beginn an für den Breitensport offen. „Eine Integration aller 86.000 Breitensportvereine ist zum jetzigen Zeitpunkt vor allem mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit der neuen Einheit aber nicht realistisch“, teilt der Sprecher mit.
„Athleten Deutschland“ betont in ihrem Statement, das Zentrum solle seine Leistungen auch dem Breitensport zugänglich machen. Trotzdem wies auch Johannes Herber im Sportausschuss auf die Gefahr einer Überlastung hin: „Es ist überhaupt nicht absehbar, mit wie vielen Fällen das Zentrum konfrontiert werden würde“, so Herber in der Sitzung.
Das Zentrum-Safe-Sport soll im Herbst nächsten Jahres die Arbeit aufnehmen. Der reguläre Betrieb soll aber erst Mitte 2027 starten. Das teilte Staatsministerin Schenderlein in der Ausschusssitzung mit. Die Sportministerkonferenz hatte das Projekt im November 2022 noch zur Zeit der Ampel-Regierung beschlossen. Das Innenministerium, damals unter Nancy Faeser (SPD), lieferte knapp ein Jahr später einen Plan, in dem der Start des Regelbetriebs für 2026 angepeilt wurde.
Sportministerkonferenz teilt Pläne
Einen Tag nach der Sitzung des Sportausschusses trafen sich die Sportminister der Länder in Heidelberg zur Sportministerkonferenz. In ihrem Beschluss begrüßten die Minister die Anstrengungen des Bundes, der die Anschubfinanzierung für das Zentrum leistet. Später sollen auch die Länder ihren Teil beitragen, sagt Schenderlein im Sportausschuss.
Als Entscheidungsgrundlage für das Zentrum-Safe-Sport soll der Safe Sport Code dienen – ein Regelwerkwerk zur Ahndung interpersonaler Gewalt.
Im Sportausschuss betonten die Abgeordneten, wie dringend das Zentrum-Safe-Sport gebraucht werde. Abgeordnete der SPD und Linken bezogen sich in der Sitzung direkt auf die Recherche zu Missbrauch im Fußball von CORRECTIV und 11Freunde.
Redaktion: Justus von Daniels
Faktencheck: Miriam Lenz, Leonie Georg