Straßenumfrage mit Familie über Sozialhilfe ist ein KI-Video
Online ruft ein kurzer Clip, in dem eine Familie bei einem angeblichen Straßenumfrage angibt, 6.000 Euro Sozialhilfe zu erhalten, wütende Reaktionen hervor. Doch die Szene wurde mithilfe einer KI erstellt.
„Wie viel Sozialhilfe bekommen Sie denn im Monat?“ – diese Frage wird in einem kurzen Video einer Familie in einer Einkaufsstraße gestellt. „Ungefähr 6.000 Euro, alles zusammen, mit Kindergeld“, antwortet der Mann ins Mikrofon. Allein das Haus koste schon 2.500 Euro jeden Monat, ergänzt er. Um ihn herum stehen offenbar seine Frau und fünf Kinder.
Der kurze Clip hat allein auf Tiktok 1,7 Millionen Aufrufe, auch auf Facebook kursiert er. In den Kommentaren herrscht Wut und Unverständnis, manche Nutzerinnen und Nutzer beleidigen die Familie rassistisch. Immer wieder taucht auch die Frage auf, ob das Video echt ist. Woran man erkennt, dass es KI-generiert ist, erklären wir im Faktencheck.

Zu viele Schuhe und seltsame Hände – woran man den KI-Fake erkennt
Das Video enthält logische Fehler: Es sind sieben Personen zu sehen, doch zwischen ihnen ist mindestens ein Paar Schuhe zu viel, das sich nicht zuordnen lässt. Der kleine Junge hält im Video die Hand des Mannes, doch die Proportionen der Finger passen nicht – sie sind zu groß. Bei Sekunde 9, als der Mann gestikuliert, geht seine Hand zudem einfach durch die des kleinen Jungen hindurch.

Das Video wurde vermutlich mit der KI-App Sora von Open AI erstellt, über die wir bereits mehrfach berichteten. Videos der App enthalten ein Wasserzeichen, eine kleine Wolke mit Augen. Das Wasserzeichen bewegt sich im Video alle paar Sekunden, in der Regel wird es in der oberen linken Ecke, dem rechten mittleren Bildrand und der unteren linke Ecke angezeigt. So soll verhindert werden, dass das Wasserzeichen einfach aus dem Video geschnitten wird. Allerdings gibt es trotzdem bereits Möglichkeiten, das Wasserzeichen zu entfernen.
Dass das im aktuellen Fall nicht sauber funktioniert hat, zeigen zwischendurch sichtbare weiße Reste des Wolken-Wasserzeichen an den oben genannten Punkten. Auch lässt sich erkennen, dass diese Bereiche verschwommener sind. Mehrmals verschmilzt der Kopf des Jungen deshalb scheinbar mit der Jacke des Mannes.

Die Faktencheck-Redaktion der DPA fand offenbar den Ursprung des KI-Fakes: Ein Youtube-Account, der das Video als „Satire“ bezeichnet. In der Video-Beschreibung heißt es: „Dieses Video ist vollständig von mir geplant, konzipiert und mit KI erstellt“. Ein Wasserzeichen fehlt auch hier bereits. Für eine Anfrage war der Account nicht zu erreichen.
Es ist unklar, ob die Personen im Video auf real existierenden Menschen basieren. Wer sich auf Sora registriert, kann ein sogenanntes Cameo von sich erstellen lassen. Dieses digitale Abbild kann dann – je nach Einstellungen – von allen Nutzerinnen und Nutzern auf der Plattform weiterverwendet werden. Wir haben die Gesichter der KI-generierten Personen deshalb unkenntlich gemacht.
6.000 Euro Sozialhilfe? Video zeigt Randphänomen
Inhaltlich beschreibt das Video ein Randphänomen: Bundesweit gab es in den Jahren 2022 bis 2024 maximal 4.700 Bedarfsgemeinschaften, die einen monatlichen Zahlungsanspruch für das Bürgergeld von 6.000 Euro oder mehr hatten. Das sind maximal 0,16 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften, wie die Frankfurter Rundschau schreibt. Wie der Focus berichtete, ist eine solche Summe im Vergleich zur Anzahl der Personen, die von ihr leben sollen, nicht besonders viel: Mit 6.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen gehöre eine siebenköpfige Familie zu den zwölf ärmsten Prozent der deutschen Haushalte, so Focus. Das Armutsrisiko von kinderreichen Familien, also mit drei oder mehr Kindern, liegt in Deutschland bei mehr als 30 Prozent.
Weiter sagt der fiktive Mann im Video, allein das Haus koste schon 2.500 Euro jeden Monat. Dass eine solche Miete übernommen wird, ist aber selbst für große Bedarfsgemeinschaften unüblich. Stattdessen gelten bei der Miete Obergrenzen, die von den jeweiligen Kommunen festgelegt werden. Durchschnittlich lagen die übernommenen Kosten 2024 bei sechs oder mehr Personen deutschlandweit bei 1.138 Euro, wie wir hier erklären. Hohe Mieten kommen insbesondere in Großstädten vor, dazu haben wir hier recherchiert. Eine Mietübernahme von knapp 2.500 Euro für sieben Personen ist demnach etwa in München, der teuersten Stadt Deutschlands, möglich.
Immer wieder wird bei Sozialleistungen insbesondere gegen Migrantinnen und Migranten gehetzt. Wie sich die Debatte über die Jahrzehnte verschärft hat und warum falsche Narrative in der Gesellschaft verfangen, erklären wir hier.
Redigatur: Steffen Kutzner, Max Bernhard