Reutlingen: Bewährungsstrafe für Vergewaltigung in der Ehe
Die Seite „Anonymous News“ veröffentlichte einen Artikel über einen Syrer, der seine Frau zwölfmal vergewaltigt haben soll. Die Aussagen im Bericht über Gerichtsprozess und -urteil stimmen größtenteils. Im Artikel fehlen jedoch Details und das führt zur Verzerrung des Sachverhalts.
Am 5. Februar veröffentlichte Anonymous News einen Artikel, über einen Mann, der seine Frau zwölfmal vergewaltigt haben soll. In dem Text steht, dass das Schöffengericht in Reutlingen Djamal M., einen 46-jährigen Syrer und anerkannten Kriegsflüchtling, zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt hat. Das ist richtig. Das Urteil empört derzeit einige Social Media-Nutzer und befeuert einmal mehr die Diskussion über Flüchtlinge in Deutschland.
Ein Facebook-Nutzer teilte den Artikel von Anonymous News und kommentierte das am 7. Februar 2019 folgendermaßen: „Deutsches Volk wie hat man dich zerstört, wie hat man dich beraubt, wie wirst du von der eigenen Justiz erniedrigt und herabgewürdigt (…)“. Zudem wurde der Artikel der Seite Anonymous News auf anderen Webseiten wie Noack-Finsterwalde und GlobalEcho zweit veröffentlicht.
Mit dem Tool Crowdtangle lässt sich nachvollziehen, welche Facebook-Seiten den Artikel teilten. Darunter sind die Seiten „Buntland Journal“, „Die Patrioten 2.0“ und „News aus der Anstalt“.
Urteil: Bewährungsstrafe und Sozialstunden
Ja, der 46-jährige Syrer Djamal M. wurde in Reutlingen wegen 12-facher Vergewaltigung seiner Ehefrau verurteilt. Allerdings verschweigt der Autor des Beitrags auf Anonymous News seinen Lesern die detaillierte Urteilsbegründung des Richters. Stattdessen spitzt er in der Überschrift zu: „Richter lässt syrischen Triebtäter laufen“. Im Text berichtet der Autor von einer „harmlosen Bewährungsstrafe“.
In einem Artikel der Lokalzeitung Reutlinger General-Anzeiger kann man nachlesen, wie das Urteil genau lautet: Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, dazu die Ableistung von 120 Sozialstunden. Auch schreibt die Lokalzeitung mehr über den Tatbestand und darüber wie das Urteil des Richters zustande kam.
Nach der vollständigen Beweisaufnahme habe es laut der Zeitung keine Zweifel an den faktischen Tatvorwürfen gegeben, auch von Seiten des Pflichtverteidigers des Angeklagten nicht. Wohl aber bei der rechtlichen Bewertung. „Nicht was in der Reutlinger Unterkunft vor einem Jahr geschehen sein soll, war strittig für Richter Eberhard Hausch, die beiden Schöffen und für Staatsanwalt Burkhard Werner, sondern die rechtliche Würdigung des heiklen Falles vor dem Hintergrund von Integration, kulturellen Unterschieden – und angesichts des neuen Sexualstrafrechts. Das galt auch für den Pflichtverteidiger Steffen Kazmaier“, so der Reutlinger General-Anzeiger.
„Nach zweieinhalb Jahren in Deutschland hätte der syrische Ehemann keinen Verbotsirrtum, mehr geltend machen können“, so der Richter laut der Zeitung. Ein Verbotsirrtum wird im deutschen Strafgesetzbuch als „Irrtum über das Verbotensein einer Tat“ definiert.
Vergewaltigung in der Ehe
„Nach neuer Rechtslage seien die zwölf eingeräumten Taten auch nicht minderschwer, sondern das, was der Gesetzgeber als ’normale‘ Vergewaltigung definiert habe“, so der Richter laut dem Reutlinger General-Anzeiger. Der Verteidiger hatte zuvor Milde für den Angeklagten gefordert, auch im Interesse der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder. M. ist Vater von sieben Kindern.
Der Staatsanwalt wies laut dem Reutlinger General-Anzeiger darauf hin, dass es den Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland erst seit 1991 gebe.
Das stimmt nicht. Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit Juli 1997 auch als solche strafbar, vorher war sie als Nötigung oder Körperverletzung strafbar. Das belegt eine 2008 veröffentlichte Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, in dem auch steht: „Mit dem 33. Strafrechtsänderungsgesetz wurde das Merkmal außerehelich aus dem Tatbestand der Vergewaltigung, § 177 StGB, gestrichen, sodass seitdem auch die eheliche Vergewaltigung als ein Verbrechen geahndet wird“.