Faktencheck

Verursacht eine Katze so viel CO2 wie ein Ägypter? Keine pauschalen Aussagen zur Umweltbelastung durch Haustiere möglich

In einem Artikel von „Neues Deutschland“ werden Zahlen zur Umweltbelastung durch Haustiere genannt. Einige stimmen, andere sind veraltet und wenig belastbar. 

von Alice Echtermann

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Verursacht eine Katze so viel CO2 wie ein Ägypter? Diese und andere Behauptungen über Haustiere werden in einem Artikel von „Neues Deutschland“ verbreitet. (Symbolfoto: Ben Kerckx / Pixabay)
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Größtenteils richtig. Die Zahlen stammen aus zwei Studien zur Umweltbelastung durch Haustiere. Die Berechnungen sind jedoch nicht allgemeingültig.

In einem Meinungsbeitrag in Neues Deutschland vom 17. Juli 2019 fordert die Autorin Katharina Schwirkus: „Lasst uns die Köter abschaffen“. Damit löste sie im Netz empörte Reaktionen aus. Der Artikel wurde laut dem Analyse-Tool Crowdtangle mehr als 8.600 Mal auf Facebook geteilt. 

Schwirkus vertritt die Ansicht, die Haustiere hätten in Städten nichts zu suchen. Den Haltern sollte das Leben daher möglichst schwer gemacht werden. Hunde und Katzen seien zudem schlecht für das Klima, erklärt sie, und stellt als Beleg zwei Behauptungen mit Zahlen zur CO2-Bilanz der Tiere auf. CORRECTIV hat diese Angaben überprüft. 

Der Artikel auf der Webseite von „Neues Deutschland“. (Screenshot am 29. Juli: CORRECTIV)

Vergleich: Haltung von Hunden und Katzen mit Autofahren

Die erste Behauptung lautet: „Die Ökobilanz eines Hundes entspricht einer jährlichen Autofahrleistung von 3.700 Kilometern, die einer Katze 1.400 jährlichen Fahrkilometern. Ein durchschnittliches Fahrzeug in Deutschland legt pro Jahr 13.000 Kilometer zurück.“

Als Quelle wird ein Artikel der Süddeutschen Zeitung von Januar 2019 genannt. Die Zahlen stammen aus dem Bericht eines Unternehmens namens ESU-Services, das die Ökobilanzen von Haustieren in der Schweiz berechnet hat. Es kam für Hunde und Katzen tatsächlich etwa zu dem zitierten Ergebnis, wie aus dem ausführlichen Bericht hervorgeht (Seite 22). Die Studie wurde Ende 2018 veröffentlicht und erschien 2019 noch einmal in einer überarbeiteten Version.

Die von Neues Deutschland genannten Kilometerangaben beziehen sich auf die Umweltbelastung, gemessen in Umweltbelastungspunkten (UBP). Dies ist die Maßeinheit nach der sogenannten Methode der ökologischen Knappheit. Sie gewichtet laut ESU-Services „in einer Ökobilanz verschiedene Umweltwirkungen – Schadstoffemissionen und Ressourcenverbrauch – mittels so genannter Ökofaktoren“. Der Ökofaktor eines Stoffes sei umso höher, je mehr die aktuellen Emissionen das politisch gesetzte Umweltschutz-Ziel überschreiten.

Umgerechnet in „CO2-Äquivalente“ sind die Werte niedriger; da entspricht laut ESU-Services die Haltung eines Hundes einer Autofahrdistanz von 2.828 Kilometern, die einer Katze 1.164 Kilometern.  

Vergleich der Umweltbelastung durch Haustiere mit der durch Autofahren und Flugzeugfliegen durch die Firma ESU-Services. (Screenshot: CORRECTIV)

Der Chef von ESU-Services, Niels Jungbluth, der auch einer der Autoren der Studie ist, weist in einer Mail an CORRECTIV darauf hin, der Begriff „Ökobilanz“ sei zwar „sprachlich falsch“, da dies keine Maßeinheit sei. Aber: „Umweltbelastungen werden mit den Umweltbelastungspunkten UBP gemessen. Die Fakten sind also nicht falsch dargestellt.“ 

Vergleich: CO2-Ausstoß einer Katze mit dem eines Ägypters

Die zweite Behauptung im Artikel von Neues Deutschland lautet: „Der ökologische Fußabdruck einer deutschen Katze ist im Durchschnitt genauso groß wie der eines Ägypters.“ Als Quelle für diese Aussage diente offenbar das Buch „Der Beschiss-Atlas“ von 2012. Bereits am 15. Juni 2011 erschien jedoch ein Artikel der Taz mit dieser Behauptung, der auch auf Wikipedia zum Thema „CO2-Bilanz“ als Quelle angegeben wird. Darin heißt es, eine Katze verursache pro Jahr 2,2 Tonnen CO2, ein Ägypter 2,3 Tonnen. 

Auszug aus dem Wikipedia-Artikel zum Thema „CO2-Bilanz“. Als Quelle wird ein Artikel der Taz genannt. (Screenshot am 30. Juli 2019: CORRECTIV)

Die Zahlen sind schon etliche Jahre alt. Unsere Recherchen ergeben, dass das deutsche Unternehmen Climate-Partner sie im Auftrag des Internetportals Utopia und des Axel-Springer-Verlags erstellt hat. Der Bericht von Utopia ist nicht mehr auffindbar, doch es gibt einen Artikel der Bild von 2009. Auf Nachfrage bestätigte ein Sprecher von Climate-Partner, Moritz Lehmkuhl, CORRECTIV am Telefon, das Unternehmen habe Auswertungen zum Thema Haustiere für die beiden Medien 2008 erstellt. 

CO2-Ausstoß pro Kopf in Ägypten gestiegen

Wenn die Studie 2008 erschienen ist, könnten die Emissionswerte für Ägypten von 2007 stammen. Laut Global Carbon Atlas lag der Ausstoß von CO2 durch Konsum pro Kopf in Ägypten 2007 tatsächlich bei 2,3 Tonnen. 2008 waren es bereits 2,4 Tonnen, und auf diesem Niveau lagen die Emissionen auch 2016. Neuere Daten liegen im Global Carbon Atlas nicht vor. (Zum Vergleich: Für die Schweiz lag der Wert 2016 bei 14 Tonnen CO2 pro Kopf, für Deutschland bei 11 Tonnen.)

Ein Vergleich mit einer deutschen Hauskatze, wie er in dem Artikel von Neues Deutschland gezogen wird, wäre nur dann möglich, wenn die Pro-Kopf-Emissionen von Katzen in Deutschland zuverlässig berechnet würden. Zu den durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Katze gibt es aber keine Zahlen. 

Studien sind nicht allgemeingültig

Die Firmen Climate-Partner und ESU-Services haben keinen Durchschnitt berechnet, sondern typische Haltungs-Beispiele. ESU-Services schreibt: „Dabei gibt es nicht den einen durchschnittlichen Wert pro Haustier da jeweils nur einzelne realistische Szenarien untersucht wurden. Es zeigt sich, dass diese Belastungen von verschiedenen Einflussgrössen abhängen und diese somit von der Haltung beeinflusst werden können.“ 

Deshalb ist auch der oben erwähnte Vergleich des CO2-Ausstoßes eines Tieres mit dem einer Autofahrt nur eine Beispielrechnung ohne Allgemeingültigkeit. 

Auch Moritz Lehmkuhl von der Firma Climate-Partner sagte CORRECTIV am Telefon: Die 2,2 Tonnen CO2 pro Katze seien ein Wert, der auf konkreten Annahmen zur Haltung beruhte. Die Angaben zur Futtermenge und dergleichen habe das Unternehmen sich von Experten besorgt und keine eigenen Berechnungen dazu durchgeführt. Für Hunde – konkret einen Dackel – kam Climate-Partner auf 1,8 Tonnen CO2 jährlich.

ESU-Services kommt auf wesentlich niedrigere Emissionswerte als Climate-Partner

Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen weichen diese Daten stark von den Zahlen von ESU-Services ab. Demnach verursacht eine Katze wesentlich weniger CO2 als ein Ägypter (ab Seite 27): Ihre Haltung entspreche pro Jahr 390 Kilogramm CO2-Äquivalenten – das sind rund 0,4 Tonnen.

Auszug aus dem Bericht von ESU-Services zur Ökobilanz von Haustieren. (Screenshot: CORRECTIV)

Laut ESU-Services verursacht eine Katze auch weniger CO2 als ein Hund: Die Bilanz eines mittelgroßen Hundes liege bei 950 Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Jahr (Seite 25) – rund einer Tonne. 

Climate-Partner kommt also für einen Hund auf fast die doppelte Menge CO2 wie ESU-Services und bei einer Katze sogar auf mehr als das Fünffache. Wie ESU-Services im eigenen Bericht darlegt, ist eine mögliche Erklärung, dass Climate-Partner zum Beispiel für einen Dackel von einer viel höheren täglichen Futtermenge ausgegangen sei (Seite 39 bis 40).

An diesen Differenzen zeigt sich, dass es keinen allgemeingültigen Wert für CO2-Emissionen einer Katze gibt.