Diese Zahlen zur Kriminalität von Zuwanderern sind nicht vergleichbar
Immer wieder teilen Menschen auf Facebook ein Bild, auf dem Zahlen zu Straftaten von Zuwanderern von 2014 und 2018 gegenübergestellt werden. Diese Daten lassen sich jedoch nicht sinnvoll vergleichen. Zudem führt die Bezeichnung der Taten in die Irre.
Auf Facebook veröffentlichte ein Nutzer am 8. Dezember ein Bild mit Zahlen zur Kriminalität von Zuwanderern in Deutschland. Angebliche Zahlen zu Mord/Totschlag, sexuellen Übergriffen und Körperverletzung unter „Beteiligung mindestens eines Zuwanderers“ werden für die Jahre 2014 und 2018 verglichen und ein prozentualer Anstieg berechnet. Der Beitrag wurde mehr als 400 Mal auf Facebook geteilt.
Zwischen 2014 und 2018 wurde die Definition von „Zuwanderern“ vom BKA verändert
CORRECTIV hat diese Zahlen schon einmal in einem Faktencheck geprüft. Sie sind wegen falscher Bezeichnungen der Straftaten irreführend und grundsätzlich nicht vergleichbar.
Die Zahlen stammen aus dem Bundeslagebild Kriminalität im Kontext von Zuwanderung 2018 (PDF). Es wird seit 2015 jährlich erstellt und sagt nur etwas über Tatverdächtige, nicht über verurteilte Straftäter aus. Als „Zuwanderer“ bezeichnet das Bundeslagebild 2018 Personen, die als „Asylbewerber“, „Schutzberechtigter und Asylberechtigter, „Kontingentflüchtling“, „Duldung“, oder „unerlaubter Aufenthalt“ registriert wurden (PDF, Seite 2).
Aber: Die Definition von „Zuwanderern“ war 2014 nicht die gleiche wie 2018 – sie wurde zwischenzeitlich verändert, wie das BKA im Bericht von 2017 (Seite 3) schreibt. Vor 2017 wurden Personen mit positiv beschiedenem Asylantrag gar nicht in die Statistik mit einbezogen. Ab 2017 vergrößerte sich also die Gesamtmenge der Personen, auf die sich die Statistik bezieht.
Im Bericht 2016 – als noch die alte Definition galt – schrieb das BKA deshalb auch in der Einleitung (Seite 2), die Angaben zu den tatverdächtigen Zuwanderern stellten nur eine „Teilmenge des zu berücksichtigenden Personenkreises“ dar.
BKA-Sprecherin Britta Schmitz hat CORRECTIV in einer Mail bestätigt, dass die Definition erst ab 2017 auch Tatverdächtige mit positiv abgeschlossenem Asylverfahren („International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“) berücksichtigt. „Diese Personengruppe floss bis zum Berichtsjahr 2016 nicht in die Statistik ein, da sie unter dem Sammelbegriff ‘sonstiger erlaubter Aufenthalt’ erfasst wurde und ihr Anteil an dieser Kategorie nicht beziffert werden konnte.“
Berechnung einer prozentualen Zunahme ist nicht aussagekräftig
Die Zahlen von 2014 und 2018 sind somit nicht vergleichbar. Eine Berechnung der prozentualen Zunahme, wie sie auf dem Facebook-Bild vorgenommen wurde, ist nicht aussagekräftig.
Das BKA berechnet auch selbst keine Veränderungsraten. Im Bericht 2017 (Seite 4) wird dies explizit mit der geänderten Definition von „Zuwanderern“ begründet: Es könnten „zwar generell Entwicklungen dargestellt werden, jedoch ohne Berechnung entsprechender Veränderungsraten“.
Dennoch hat das BKA in seinem Bericht von 2018 mehrere Balkendiagramme mit der Anzahl der Straftaten von 2014 bis 2018 eingefügt, ohne auf die geänderte Definition hinzuweisen.
Keine 430 Fälle von Mord oder Totschlag
Selbst wenn die Zahlen vergleichbar wären, ist die Bezeichnung der Delikte in der Grafik in allen drei Fällen nicht korrekt.
Die Zahlen 122 (2014) und 430 (2018) bezeichnen keinen „Mord oder Totschlag“ sondern „Straftaten gegen das Leben“, von denen die allermeisten Delikte im Versuchsstadium blieben (PDF, Seite 17).
Durch die Darstellung in der Grafik wird der falsche Eindruck erweckt, als seien 2018 430 Menschen getötet worden. In dem Jahr gab es laut BKA aber nur 61 „vollendete Tötungsdelikte“ (Seite 17), bei denen Zuwanderer tatverdächtig waren. Zudem ist zu beachten, dass 2018 nachträglich alle 82 deutschen Opfer des 2016 verübten Anschlags vom Breitscheidplatz als „vollendete Tötungsdelikte“ erfasst wurden – von diesen Menschen sind aber nur sieben gestorben (Seiten 17 und 52).
Keine 73.177 Körperverletzungen
Die Zahlen zu „Körperverletzungen“ aus der Grafik (2014: 18.512 / 2018: 73.177) beziehen sich auf „Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ (PDF, Seite 25 und 26). Darunter fallen auch Bedrohung, Nötigung und „Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer“. Tatsächlich gab es 2018 55.391 Fälle von Körperverletzung, in denen ein Zuwanderer tatverdächtig war. Davon waren 35.388 Fälle von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung (Seite 26).
2014 gab es 13.373 Körperverletzungen, davon 8.491 Fälle einfacher Körperverletzung mit Beteiligung mindestens eines Zuwanderers (Seite 19).
Keine 6.046 sexuellen Übergriffe
Die Bezeichnung „sexuelle Übergriffe“ des Facebook-Beitrags meint wiederum die „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ im Bundeslagebild. 2014 gab es laut Bundeskriminalamt insgesamt 949 Fälle, in denen mindestens ein Zuwanderer tatverdächtig war, nicht 848 (PDF, Seite 14). Die Zahl für 2018 (6.046) in der Grafik stimmt (PDF, Seite 20).
Der Großteil dieser Taten waren Fälle von sexueller Belästigung, keine Übergriffe. Sexuelle Belästigung begeht nach dem Strafgesetzbuch jemand, der eine Person „in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“. Von einem sexuellen Übergriff spricht das Gesetz, wenn eine Person „gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt“.
„Sexuelle Übergriffe“ (darunter auch Vergewaltigungen), bei denen mindestens ein Zuwanderer tatverdächtig war, gab es 2018 insgesamt 1.233 (Seite 21). In der BKA-Statistik für 2014 gibt es diese Bezeichnung nicht, die Taten wurden unter „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ erfasst: 493 Fälle (Seite 15).
Die Zahlen zu Sexualdelikten von 2014 und 2018 sind also aus einem zweiten Grund nicht vergleichbar: Auch sie werden seit einer Sexualstrafrechts-Reform 2016 anders erfasst. Seit 2017 fallen deshalb mehr Straftaten unter diese Kategorie (PDF, S. 24).