Die Corona-App erstellt keine Bewegungsprofile – Aussage von Karl Lauterbach wird falsch interpretiert
Auf Facebook sorgt ein Zitat von Karl Lauterbach für Aufregung. Es wird behauptet, er habe sich „verplappert“ und aus Versehen zugegeben, dass die Corona-Warn-App Bewegungsprofile erstelle. Das stimmt nicht.
„Wir wissen aus den Bewegungsprotokollen der Fahrzeuge und der Handydaten, dass abends sehr viele Treffen stattfinden“ – dieses Zitat von SPD-Politiker Karl Lauterbach wird derzeit auf Facebook verbreitet. Manche, wie der AfD-Abgeordnete Jörn König, empören sich allgemein über den „Überwachungsstaat“. Andere behaupten, Lauterbach habe indirekt zugegeben, dass die Corona-Warn-App heimlich Bewegungsprofile von Menschen erstelle.
Auch AfD-Politiker und -Verbände sowie die Webseite „AfD Kompakt“ verbreiteten diese Interpretation. Die Behauptung vom Überwachungsstaat ist jedoch irreführend, und die Aussage über die Corona-Warn-App ist falsch. Lauterbach sprach von anonymisierten Daten der Mobilfunkanbieter, die für zahlreiche Zwecke genutzt werden können.
Das Zitat von Karl Lauterbach stammt aus der Sendung WDR 5 Morgenecho vom 29. März. Lauterbach bezog sich dabei auf die Möglichkeit, eine nächtliche Ausgangssperre in Betracht zu ziehen, um Kontakte zu reduzieren. Aus Bewegungsdaten wisse man, dass auch abends viele Treffen stattfinden.
Mobilfunkdaten werden in einem Forschungsprojekt ausgewertet – und sind anonymisiert
Auf Anfrage an Karl Lauterbach teilte uns sein Team per E-Mail mit, worauf sich der Politiker bezog: „Es handelt sich um Daten des Covid-19 Mobility Project der HU Berlin. Der größte Teil der Daten ist sogar öffentlich zugänglich. Die Bewegungsdaten werden legal und anonym erhoben.“ Dass Lauterbach sich auf diese Daten bezog, zeigt auch einer seiner Tweets zu diesem Thema.
„Covid-19 Mobility“ ist ein gemeinsames Projekt der Humboldt-Universität Berlin und des Robert-Koch-Instituts mit dem Ziel, zu untersuchen, wie sich die Mobilität der Menschen während der Pandemie verändert. Dafür werden Daten von Mobilfunkanbietern genutzt. Diese werden anonymisiert, somit sind keine Bewegungsprofile einzelnen Personen zuweisbar.
Auf ihrer Webseite erklären die Forschenden, dass die Daten von der Deutschen Telekom und Telefónica stammen. Sie seien gewerblich erhältlich und würden zum Beispiel auch von Transportunternehmen genutzt, um Vorhersagen über die Verkehrslage zu treffen.
„Eine Bewegung wird vom Mobilfunkanbieter erkannt, wenn sich eine Person zwischen Funkzellen bewegt hat“, heißt es weiter.
Jochim Selzer vom Chaos Computer Club (CCC) erklärt in einer E-Mail an CORRECTIV.Faktencheck: „Herr Lauterbach hat sich nicht verplappert, die AfD hat nur etwas in seine Worte hineingelesen, was er nicht gesagt hat. Was er meinte sind sogenannte Funkzellendaten, also Informationen darüber, welches Telefon in welcher Funkzelle gerade angemeldet ist. Diese Daten fallen automatisch bei jedem Mobiltelefon an, egal ob Android, iOS, Blackberry oder ein aus den Neunzigern hinüber geretteter Nokia-Backstein.“
Corona-Warn-App erstellt keine Bewegungsprofile für die Bundesregierung
„Was die Behauptung angeht, die CWA [Corona-Warn-App, Anm. d. Red.] übermittle heimlich Positionsdaten, gilt das, was seit Juni 2020 gilt: Der Quellcode liegt offen“, schreibt Selzer weiter. „Jede beliebige Aussage über die App lässt sich anhand dieses Codes überprüfen. Wenn also die AfD behauptet, die CWA zapfe heimlich GPS-Daten ab und sende sie an Herrn Lauterbach, wäre die Aussage erheblich glaubwürdiger, wenn sie die Stelle im Programm benennt, wo das angeblich geschieht.“
Der CCC ist grundsätzlich sehr kritisch beim Thema Datenschutz. Im April 2020 hatte der Verein für IT-Sicherheit zehn Kriterien für die Kontaktverfolgungsapp vorgelegt. Laut Medienberichten orientierte sich die Bundesregierung tatsächlich daran, somit hatte der CCC an der App nichts auszusetzen.
Auf der Webseite der Bundesregierung zur Corona-Warn-App wird betont, dass die Daten komplett anonym seien. „Die dezentrale Datenspeicherung auf den Geräten selbst sowie die vollumfängliche Pseudonymisierung garantieren ein Höchstmaß an Datenschutz. Alle Daten – beispielsweise zu Begegnungen mit anderen die App nutzenden Personen – werden verschlüsselt und ausschließlich auf dem eigenen Smartphone gespeichert.“ Und weiter: „Daten, die eine Person identifizierbar machen, insbesondere Positionsdaten, werden nicht ausgelesen, verwendet oder gespeichert.“
Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner