Menschen im Fadenkreuz

Friedrich Küppersbusch: Ein TV-Moderator im Blick des »Thule-Netzwerks«

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von Lena Heising

Planten Dortmunder Neonazis einen Sprengstoffanschlag auf einen ARD-Moderator? Im März 1997 betritt ein Dortmunder Rechtsextremist das Polizeipräsidium und warnt vor einem kommenden Anschlag. Drei Menschen wurden festgenommen, aber kurze Zeit später wieder freigelassen. Auch ein V-Mann des Verfassungsschutzes hatte seine Finger im Spiel. Was genau passierte, blieb lange unklar. Der Moderator erfuhr: von nichts.

Die Geschichte beginnt eineinhalb Jahre früher, genauer gesagt: Am 2. Dezember 1995 in dem Café Harmonie in Zwolle, Niederlande. Dort treffen sich die niederländischen Rechtsextremisten Eite H. und Marco K. mit drei ihrer deutschen Freunde: Andree Zimmermann und Thomas Kubiak, Anführer der Neonazi-Gruppe „Sauerländer Aktionsfront“ und Kai D., ebenfalls Rechtsextremist. Eite H. macht bei dem Gespräch einen Vorschlag: Die Gruppe solle doch den TV-Moderator Friedrich Küppersbusch „outen“, also seine persönlichen Daten veröffentlichen. Küppersbusch, zu dem Zeitpunkt 34 Jahre alt, moderierte das  Politmagazin „ZAK“ im Ersten.

Outing über „Thule-Netzwerk“

Kai D. vermerkte einige Wochen nach dem Treffen, dass er die Adresse von Küppersbusch an Kubiak weitergegeben habe. „Lustigerweise steht die Adresse im D-Info … Kubiak fand diesen kleinen Bonus äußerst zuvorkommend“, kommentiert D. laut Gesprächsvermerken, die CORRECTIV vorliegen. Die Gruppe outet später über die rechte Plattform „Thule-Netzwerk“ über 200 Organisationen, Vereine und Personen. Zimmermann ruft in dem Netzwerk offen zu Straftaten gegen diese Leute auf. 

Noch eine andere Person des Zwolle-Treffens bewahrte die Adresse auf: Als die Polizei am 4. Februar 1997 die Wohnung von Zimmermann durchsucht, findet sie einen handgeschriebenen Zettel mit der damaligen Adresse des Moderators: 

Friedrich Küppersbusch
Kölner Straße 7
42551 Velbert

Darunter hatte jemand eine Telefonnummer gekritzelt. 

Ein Neonazi warnt vor rechtem Anschlag

Eineinhalb Monate nach der Durchsuchung bei Zimmermann, am 25. März 1997, meldet sich der bekannte Rechtsextremist Andreas P. bei der Dortmunder Polizei. Er sagt aus, er habe mit den Neonazis Melanie D.  und Michael K. einen Sprengstoffanschlag geplant. Das Ziel sei Friedrich Küppersbusch. Kurz darauf stürmen Beamte des Dortmunder Polizeipräsidiums in die Wohnung, in der Andreas P. mit Melanie D. lebte. Auch bei Siegfried Borchardt, genannt „SS-Siggi“, klopfen die Beamten an: Hier hatte Michael K. nämlich bis zum Februar gelebt, also durchsuchen die Polizisten sowohl die Wohnung von Michael K. als auch Borchardts Wohnung. Das Gleiche tun die Beamten in der Wohnung des Rechtsextremen Christian B. in Witten. Die Suche bleibt erfolglos: Sie finden keine Beweise für einen geplanten Anschlag. Andreas P., Michael K., Melanie D. und Christian B. verbringen die nächsten beiden Tage in Untersuchungshaft. Dann werden sie laufen gelassen.

Es dauert nicht lange, bis die Nachricht der Verhaftung der Gruppe ins Sauerland gelangt. Andree Zimmermanns Telefone werden zu dem Zeitpunkt abgehört. So bekamen die Polizisten mit, dass Zimmermann mit Sven Skoda telefonierte. Der Rechtsextremist ist heute Parteichef der Neonazi-Partei „Die Rechte“. Zimmermann veranlasste Skoda, eine Warnung über das Nationale Infotelefon Rheinland (NIT) zu lancieren. Andreas P. habe als Spitzel eine Zelle auffliegen lassen, wer was mit ihm zu tun habe, solle alles verschwinden lassen, was inkriminierend sei. Noch am selben Tag verbreitete das NIT eine Sonderansage: „Warnung vor Andreas P.“

Ein weiteres Gespräch datiert die Polizei auf den 20. März, also fünf Tage vor Andreas P.s  Besuch bei der Polizei. Hier sei es aber auch um die „Durchsuchung bei Andreas P. u.a. Personen“ gegangen. Es ist also möglich, dass hier ein Fehler in den Dokumenten vorliegt. In dem Gespräch sagt Zimmermann zu Borchardt: „Du musst das Problem P. jetzt unbürokratisch anpacken.“ Borchardt erwidert: „… vor solchen Personen muss gewarnt werden, wenn dem was passiert, könn‘ wir ja nichts dafür …“ Am 27. März, zwei Tage nach der Verhaftung, telefoniert er mit dem Neonazi Eite H..  „Den (Andreas P.) knöpfen wir uns vor“, sagt Eite H. am Telefon. Zimmermann gibt Eite H. daraufhin die Adresse und die Telefonnummer von Andreas P. über das Telefon durch.

Zielscheibe auf der Stirn

Später rudert Andreas P. vor Gericht zurück. Er relativiert seine Angaben, die Polizei muss die drei Verdächtigen wieder gehen lassen. Ob die drei tatsächlich einen Anschlag auf Friedrich Küppersbusch planten, ist bis heute unklar.

Klar ist nur, dass Küppersbusch Ende der 90er eine Hassfigur für Rechte blieb. Der Systemoperator des Thule-Netzwerkes, Ralf K., bekommt im Jahr 1997 ebenfalls Besuch von der Polizei. Ralf K. ist wie Zimmermann in der Anti-Antifa tätig. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 4. September in München finden die Beamten drei Festplatten. Auf den meisten sind nur Spiele, aber auch ein paar Programme, die man braucht, um in das Thule-Netzwerk einzudringen. Auf der zweiten Festplatte finden die Beamten den Ordner „REDS“. Dort hatte Ralf K. zahlreiche Fotos von Personen abgespeichert. Drei Personen hatte Ralf K. eine Zielscheibe auf die Stirn bearbeitet. Eine Person können die Beamten identifizieren: Friedrich Küppersbusch. 

„Ich bin froh, dass ich das damals nicht wusste“

Es ist neun Uhr morgens an einem kühlen Märztag, als Friedrich Küppersbusch in einer S-BahnHaltestelle an der Dortmunder Universität sitzt. Er hat seine Brille aufgesetzt und beginnt, die Dokumente der Nazizelle auf einem Laptop zu lesen. „Oh“, sagt er ein paar Mal, oder ein: „Da hat die Polizei aber gut reagiert.“ Von dem Outing seiner angeblichen Adresse wusste er bis dahin genauso wenig wie von dem Foto mit dem Fadenkreuz über seinem Gesicht. Im Jahr 97, als er gerade im Urlaub war, habe er einen Anruf von der Dortmunder Polizei bekommen. Wo er gerade sei, haben die Beamten gefragt.  Ach, in den Niederlanden? Da solle er besser erst mal bleiben. Der TV-Moderator erfuhr damals, dass er auf einer Art „roten Liste“ von Rechtsextremen stehe. Dazu sei eine kleine Gruppe von Neonazis über eine Liebesgeschichte auseinandergebrochen, einer habe etwas von einem Angriff auf ihn erzählt. Die Polizei habe ihm nahegelegt, die Geschichte als „gehobenes Pubertätsproblem“ abzulegen. 

Von den Hausdurchsuchungen und vorläufigen Festnahmen wusste Küppersbusch nicht. „Ich bin froh, dass ich damals nicht alles wusste“, sagt Küppersbusch heute. „Mich hat es damals in keinster Weise eingeschüchtert.“ Nach dem Vorfall sei eine Zeit lang jeden Tag eine Polizeistreife an seinem Haus in Dortmund vorbeigefahren. „Täglich um 17 Uhr, damit sich die Nazis nicht darauf einstellen konnten“, erzählt Küppersbusch und lacht. 

Heute ist er beeindruckt von der Ernsthaftigkeit, mit der die Polizei den Verdacht eines geplanten Anschlags verfolgte. „Die haben sorgfältig gearbeitet“, findet er. Über die Nazis könne man das allerdings nicht sagen. Die Adresse in Velbert, die bei Zimmermann gefunden wurde, sei falsch. „Es gibt gar keine Kölner Straße in Velbert“, stellt er klar. Außerdem habe er Velbert schon 17 Jahre früher verlassen. Die Adresse seiner Eltern in Velbert, die damals wie seine Dortmunder Adresse im Telefonbuch stand, hätte man „ohne Raketentechnologie“ heraussuchen können. Selbst die Telefonnummer habe ein paar Zahlendreher.  

Zimmermann arbeitete als V-Mann für den Verfassungsschutz

Was nach der Untersuchungshaft aus Andreas P. und Melanie D. geworden ist, wissen wir nicht. Michael K. stand über drei Jahre später in Verdacht, die Waffen für den Polizistenmörder Michael Berger besorgt zu haben. Im Sommer 2000 erschoss Michael Berger in Dortmund drei Polizisten und anschließend sich selbst. Die Waffe, die er dabei verwendete, stammte aus Jugoslawien. Michael K. war in den 90er Jahren als Söldner dort. 

Andree Zimmermann und Thomas Kubiak starben wenige Monate später, im November 1997, bei einem Verkehrsunfall. Zimmermann wurde 24 Jahre alt, Kubiak 26. Zimmermann, ein führender deutscher Neonazi, arbeitete bis zu seinem Tod als V-Mann für den Verfassungsschutz und war auch mit dem V-Mann Tino Brandt bekannt. Seine Ideologie gab er jedoch nie auf: Er sagte seiner Verlobten gegenüber offen, dass er dies nur getan habe, um weiter Zeit und Geld in seine rechten Aktivitäten stecken zu können. Der Verfassungsschutz warnte ihn mindestens einmal vor einer Durchsuchung durch das Bundeskriminalamt, das bis zu seinem Tod wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen ihn ermittelte.