Das kann im Umgang mit Feindeslisten helfen
von Sophia Stahl und Alexander Roth
Wer sich gegen Rechtsextremismus engagiert, muss damit rechnen, dass er oder sie in das Visier der Verfassungsfeinde gerät. Wir haben hier ein paar Tipps gesammelt, wie man mit Bedrohungen umgehen kann.
Wie finde ich heraus, ob ich auf einer Liste stehe?
Die meisten Ermittlungsbehörden weigern sich immer noch, Betroffene aktiv zu informieren. Eine Informationspflicht gibt es nicht, das heißt: Oft wissen Personen gar nicht, dass sie auf einer Feindesliste stehen. Das Bundeskriminalamt hat keine zentrale Stelle, die Listen herausgeben, veröffentlichen oder Betroffene informieren muss.
Allerdings kann in einigen Bundesländern wie Bayern bei der Polizei nachgefragt werden, ob man auf einer Liste steht. In Hamburg können sich Betroffene bei der Polizei über Feindeslisten informieren, wenn sie zuvor einen Hinweis darauf erhalten haben, auf solch einer Liste zu stehen. Viele Betroffene werden allerdings nicht proaktiv informiert, wenn keine konkrete Gefährdungslage vorliegt. Ob eine Information stattfindet, hängt vor allem von den Polizeibehörden der Länder und deren Einschätzung ab.
Das Datenmaterial für eine der umfangreichsten Feindeslisten der rechtsextremen Szene stammt aus einem Hack eines Duisburger Punk-Versandhandels aus dem Jahr 2015. Ob die eigenen Daten durch einen Hack geklaut wurden und dadurch auf einer Feindesliste gelandet sein könnten, kann durch ein kostenfreies Tool des Hasso-Plattner-Instituts herausgefunden werden. Der HPI Identity Leak Checker vergleicht die eigene E-Mail-Adresse mit den Inhalten großer Hacks und Datendiebstähle, auch mit dem Hack des Punk-Versandhandels.
Außerdem gibt es Online-Pranger wie „Nürnberg 2.0“, „Wikimania“ und die „Galerie des Grauens“. Hierauf kann jeder zugreifen. Die genauen Adressen kann man auch bei Beratungsstellen anfragen. Viele andere Online-Pranger sind schon gesperrt, durch Internetarchive wie die „Wayback-Machine“ können alte Daten angezeigt werden. Auch hier können Beratungsstellen die Namen der Pranger herausgeben.
Hinzu kommen „interne Feindeslisten“, die unter den Mitgliedern der rechten Gruppen getauscht und weitergegeben werden. Sie sind nicht ohne Weiteres öffentlich zugänglich. Drohschreiben, die einen regelmäßig erreichen, können hier auf eine bestehende Feindesliste hinweisen.
Was kann ich selber tun, wenn ich auf einer Liste stehe?
Wer seinen Namen auf einer Feindesliste entdeckt oder in anderer Form bedroht wird, der kann sich Hilfe bei lokalen Beratungsstellen holen. Eine Liste gibt es auf der Webseite des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG).
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, selbst ein paar Sicherheitsvorkehrungen zu treffen: Ist die Mailadresse öffentlich geworden? Dann kann es sinnvoll sein, diese zu wechseln oder bestehende Passwörter regelmäßig zu ändern.
Auch außerhalb des digitalen Raums gibt es Möglichkeiten. Falls zu den Namen zusätzlich Bilder wie Porträts veröffentlicht werden, kann hier auch das Recht am eigenen Bild durchgesetzt werden. Betroffene können das private Umfeld informieren, für die Bedrohungslage sensibilisieren, Absprachen mit Freunden treffen, wie sich wer verhalten soll, wenn er etwas bemerkt – und sie können eine Auskunftssperre beantragen.
Eine Auskunftssperre nach § 51 Bundesmeldegesetz verhindert, dass Meldebehörden die Privatadresse von Menschen herausgeben. Solange sie besteht, muss die betroffene Person außerdem immer informiert werden, wenn jemand über die Behörde eine Auskunft bekommen möchte. Diese Sperre kann beantragt werden oder von Amts wegen erfolgen. Absatz 1 des Paragrafs regelt die Rahmenbedingungen:
- Es müssen „Tatsachen“ vorliegen, „die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann […]“.
- „Ein ähnliches schutzwürdiges Interesse ist insbesondere der Schutz der betroffenen oder einer anderen Person vor Bedrohungen, Beleidigungen sowie unbefugten Nachstellungen.“
- Bei der Frage, ob „Tatsachen“ vorliegen, ist „zu berücksichtigen, ob die betroffene oder eine andere Person einem Personenkreis angehört, der sich auf Grund seiner beruflichen oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit allgemein in verstärktem Maße Anfeindungen oder sonstigen Angriffen ausgesetzt sieht“.
In der Regel bedeutet das: Zuallererst muss man nachweisen, dass man potenziell gefährdet ist. Die Erfahrungen der Beratungsstellen sowie die von Journalistinnen und Journalisten zeigen, dass diese Nachweise von Bundesland zu Bundesland, teilweise sogar von Kommune zu Kommune unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen.
Muss eine schriftliche Drohung vorliegen? Muss eine Drohung polizeilich erfasst sein? Reicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe? Oder die Tatsache, dass man auf einer Feindesliste steht? Hierauf gibt es offenbar keine einheitlich gültige Antwort.
Dazu kommt, dass eine Auskunftssperre nach zwei Jahren ausläuft. Sie kann verlängert werden, entweder auf einen erneuten Antrag hin oder von Amts wegen. Und auch hier stellen sich Fragen: Müssen neue „Tatsachen“ vorliegen? Reicht es, dass die alten noch bestehen? Und wie muss das nachgewiesen werden?
Die Beratungsstellen kritisieren die uneinheitliche Verfahrensweise seit Längerem – und fordern eine automatisierte Auskunftssperre für Menschen auf Feindeslisten.
Die Idee: Sobald die Strafverfolgungsbehörden einen Namen auf einer dieser Listen entdecken, soll die Sperre von Amts wegen veranlasst werden. Diese Möglichkeit sei auch jetzt schon im Bundesmeldegesetz vorgesehen, spiele in der Praxis aber kaum eine Rolle, schrieb der VBRG 2019 in einer Pressemitteilung.
Ein großer Vorteil wäre: Die Betroffenen müssten dann nicht mehr selbst nachweisen, dass eine Bedrohungssituation vorliegt.
Besteht der Verdacht, dass Mitarbeitende staatlicher Behörden persönliche Daten weitergegeben haben, zum Beispiel, wenn trotz Auskunftssperre persönliche Daten auf Feindeslisten auftauchen, kann es sinnvoll sein, Strafanzeige und Strafantrag gegen Unbekannt zu stellen und sich die Unterstützung eines Anwalts zu suchen.
Mehr Infos:
verband-brg.de
Beratungsstellen des Bundesverbands Mobile Beratung