Sechs Menschen aus der Arbeiterstadt Bottrop.
Sechs Menschen mit Ausbildungsberufen.
Sechs Menschen mit Träumen, Sorgen und Ängsten.

Wir haben ihnen zugehört und sie einfach erzählen lassen. Wir zeigen, was Menschen aus der Mitte der Gesellschaft denken.

Die Bottroper Protokolle von Erika Runge neu gedacht.

Heike

62

Friseurin

„Es ist erschreckend, wie viele Kirchen geschlossen werden, nicht mehr genutzt werden, entweiht werden. Also das ist doch ein Zeichen, dass die Kirche irgendetwas tun muss, um Jugendliche wieder reinzuholen und gemeinsame Aktivitäten interessant zu machen.“

Pia

21

Pflegekraft in der Ausbildung

„Die Politik bekommt so viel Druck, deshalb muss es gerade in der Pflege langsam in eine neue Richtung gehen.“

Andreas

56

ehem. Bergmann

„Ich sag mal, Bottrop ist auf jeden Fall für mich Heimat. Man ist da groß geworden. Wir wissen alle, wo wir herkommen. Es ist schön, Urlaub zu machen, irgendwo im Süden, aber nach Hause kommen ist immer gut.“

Dilara

25

Erzieherin

„Als Erzieherin geht es mir nicht darum, Kinder zu formen, aber sie dennoch dabei zu begleiten und zu unterstützen, eine gesellschaftsfähige Person zu werden.“

Zeynep

38

Produktionsmitarbeiterin

„Meine Eltern sind damals hier rüber gekommen, um hier zu arbeiten und die Zechenhäuser gehören einfach dazu. Also zu unserem Leben. Wir kennen das gar nicht anders. Diese Räumlichkeiten erinnern immer wieder an meine Kindheit. In der Zukunft wünsche ich mir schon, dass ich hier weiter leben kann.“

„Die Menschen, die sonst nicht zu Wort kommen, sollen zu Wort kommen“ – Das ist das Motto der Bottroper Protokolle. Vor über 50 Jahren reiste die Autorin und Regisseurin Erika Runge ins Ruhrgebiet, um Menschen zu ihrem Leben zu befragen. Die ersten Bottroper Protokolle sind ein Dokument des deutschen Nachkriegsalltags mitten in der Kohle- und Arbeiterregion Ruhrgebiet. Ganz verschiedene Menschen berichten von damals, über die Arbeit, Kindheit, über das Ruhrgebiet, die erste Liebe und über vieles mehr. Befragt wurden unter anderem ein Verkäufer, eine Hausfrau und eine Angestellte. Es ging um die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft und nicht um die, die sowieso gehört werden. Aus den Interviews entstanden die ersten Bottroper Protokolle – ein Zusammenschnitt der Interviews und ein Buchband mit den Interviewprotokollen. Erika Runge hat mit den Bottroper Protokollen einen literarischen Meilenstein geschaffen. Denn sie lässt einfach reden, ohne zu kommentieren. 

Wir knüpfen an diese Arbeit an. In unserer Neuauflage lassen wir sechs Menschen aus der Mitte der Gesellschaft zu Wort kommen. Wir reden mit ihnen darüber, was ihr Leben heute ausmacht. Wir geben ihnen eine Stimme.

Für die Neuauflage der Bottroper Protokolle hat Salon5 sechs Menschen aus Bottrop befragt. Fünf der sechs Interviewten haben sich für diese Seite zusätzlich fotografieren lassen. Mit dabei ist eine Friseurin, eine Pflegefachkraft in der Ausbildung, ein Elektriker, eine Erzieherin, ein ehemaliger Bergmann und eine Produktionsmitarbeiterin in einer Metallverarbeitungsfirma. Die Befragten sind zwischen 21 und 62 Jahre alt und haben teilweise einen Migrationshintergrund. Sie sind alle keine Akademiker. Sie haben teilweise eine Ausbildung gemacht und gehören zur sogenannten Arbeiterschicht. Bei der Auswahl der Protagonisten war der Redaktion wichtig, Menschen auszuwählen, die nicht sowieso schon laut zu hören sind. Es sind Bürgerinnen und Bürger aus Bottrop, die etwas zu sagen haben – auch wenn sie nicht immer gehört werden.

Entstanden ist eine 25-minütige Audiodokumentation, in der sechs verschiedene Menschen aus Bottrop von ihren Ängsten, Sorgen und Träumen erzählen. Sie erzählen von der Zeche, von einer Stadt, die vom Strukturwandel betroffen ist und von ihrem Verständnis von Heimat. Sie sprechen über ihre ganz persönliche Zukunft und über ihre Wünsche in Bezug auf ihre Arbeit und auf ihr Zuhause.

Im Jahr 2021 ist das Ruhrgebiet immer noch geprägt vom Bergbau und die Gesellschaft vor allem von der Corona-Pandemie. Viele Menschen haben Sorgen, Probleme, Fragen und Ideen. Sie werden aber nicht gehört. Das möchte Salon5 mit den neuen Bottroper Protokollen ändern. Die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft sollen zu Wort kommen. Das ist auch eine Vision, die CORRECTIV verfolgt: Es geht darum den Menschen zuzuhören, die Probleme in der Gesellschaft zu hören und durch Berichterstattung darüber Debatten auszulösen. Die Interviews sind ein Zeugnis der deutschen Gesellschaft im Jahr 2021. Entstanden ist eine Audiodokumentation mit Ausschnitten aus allen Interviews. Es wurde kritisiert, gelobt, in Erinnerungen geschwelgt und in die Zukunft geblickt. Und die Reporterinnen und Reporter haben zugehört.

Salon5 ist die Jugendredaktion von CORRECTIV. Hier machen Jugendliche Programm für Jugendliche: Mit Podcasts, einem Webradio und Social-Media. Die Jugendlichen setzen die Themen um, die sie interessieren. Dabei werden sie von Journalistinnen und Journalisten unterstützt. Bei Salon5 geht es darum, junge Menschen sprechen zu lassen und ihnen zu zeigen, dass ihre Meinung gehört wird. Die Redaktion sitzt in Bottrop. Die Jugendlichen kommen aus dem ganzen Ruhrgebiet.

Ein Projekt von Salon5