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Begegnung mit Weidel: CDU-Politikerin Ludwig sprach in Ungarn über AfD

Die CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig will die Brandmauer beenden. Bei einem Treffen in Ungarn sprach sie offen über mögliche Zusammenarbeit der Christdemokraten mit der AfD – wir waren vor Ort.

von Stella Hesch , Martin Böhmer

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Saskia Ludwig (CDU), AfD-Chefin Alice Weidel und Autor Maximilian Tichy begrüßen sich freundliche beim MCC-Sommerfest in Ungarn. Foto: Annika Brockschmidt

Es ist eine kurze, herzliche Begrüßung, die Saskia Ludwig in die Schlagzeilen bringt: Die CDU-Bundestagsabgeordnete lächelt und schüttelt die Hand von AfD-Chefin Alice Weidel. Am ersten Augustwochenende waren beide bei einer Konferenz in Ungarn, dem MCC Feszt, organisiert von einer Orban-nahen Denkfabrik. Ludwig zeigte sich bei ihrem Auftritt auf der Bühne offen für eine Zusammenarbeit mit der AfD.

Ob auf X oder in Fernsehinterviews: Ludwig spricht sich grundsätzlich gegen die Brandmauer aus. So auch am Wochenende auf der Podiumsdiskussion, zu der sie in Ungarn eingeladen war. Dort sprach sie mit Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts und Maximilian Tichy, Autor des rechtspopulistischen Mediums Tichys Einblick. Veranstaltet wurde das Sommerfest von dem Mathias Corvinus Collegium (MCC), einer Orban-nahen Denkfabrik, die vom deutschen Außenministerium als „Propaganda-Schule“ bezeichnet wird. Das Deutsch-Ungarische Institut von Bauer ist Teil des MCC.

Auf der MCC-Bühne ist man sich einig: Deutschland müsse deutlich rechter, deutlich konservativer werden. Sie diskutieren in dem Zusammenhang über das Ende der Brandmauer und wie ein fundamentaler Systemwandel gelingen kann. Beispielsweise spricht die CDU-Politikerin Ludwig über vermeintliche Stasi-Verbindungen von Omas gegen Rechts, freut sich über den stärker werdenden Einfluss „alternativer Medien“ und spricht sich für eine schrittweise Öffnung zur AfD aus.

Ludwig will die CDU bei „einzelnen Themen auf regionaler Ebene“ für die AfD öffnen

„Ich sehe, dass die Regierung etwas verändern will“, sagt Ludwig auf Englisch auf der Bühne, „aber nicht viel, denn die SPD ist stark in der Koalition. Zu stark für 16 Prozent.“ Laut Bauer führe dies dazu, dass die Politik unter Merz noch linker sei als unter Merkel. Schuld daran sei wiederum die sogenannte Brandmauer. Schließlich sei die Union so auf linke Mehrheiten und bei Abstimmungen auf Stimmen der Grünen angewiesen, sagt Bauer. Die AfD hingegen werde „an den Rand gedrängt“ und erhalte „keine Positionen im Parlament“.

Der richtige Weg sei laut Ludwig eine „schrittweise Integration der AfD auf regionaler Ebene mit flexiblen Mehrheiten bei einzelnen Themen“. Eine Koalition kann sie sich „im Moment nicht vorstellen“. Dafür brauche es Zeit, um zu „desensibilisieren“ – gerade in Westdeutschland.

Eine Chance sieht sie in der Entradikalisierung der AfD. Hierzu sagt sie: „Ich denke, wir haben bisher gesehen, dass sich die AfD stark verändert hat und dies auch in Zukunft tun wird“, erklärt Ludwig. Was genau sie meint, konkretisiert sie weder auf der Bühne noch auf CORRECTIV-Anfrage. Doch zuletzt wurde die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Partei eingestuft. Das Remigrations-Konzept von Martin Sellner, mit dem die AfD lauthals Wahlkampf machte, wurde vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft.

Brodelt ein Streit in der Union?

Autorin und Journalistin Annika Brockschmidt veröffentlichte kurz nach der Talkrunde Bilder von Ludwig und Weidel beim „MCC Feszt“. Ludwig steht seitdem wegen ihrer Nähe zur AfD unter Druck.

Auf CORRECTIV-Anfrage teilt Saskia Ludwig mit, dass „freier Meinungsaustausch“ unverzichtbar in der demokratischen Gesellschaft sei. Dafür führt sie ein Zitat von Trump-Hardliner Peter Thiel an. „Daher war es für mich selbstverständlich, mit den verschiedensten Teilnehmern und Gästen offen und angstfrei ins Gespräch zu kommen“, so Ludwig weiter – wohl auch ein Verweis auf den Austausch mit Weidel.

Ludwigs Fraktion hingegen distanziert sich: „Frau Ludwig hat an der Veranstaltung nicht im Auftrag der Fraktion und ohne Wissen der Fraktionsführung teilgenommen“, teilt eine Unions-Sprecherin CORRECTIV mit. „Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gilt und schließt jede Zusammenarbeit mit der AfD aus. An diesen ist jedes CDU-Mitglied gebunden.“ Nachfragen zu Ludwigs Statement beantwortet die Fraktion nicht.

Bei Orbans Sommerfest ist der Kurs klar: hart rechts

Dabei stellt sich schon länger die Frage, wie zerrissen die Unionsfraktion ist: Die verpatzte Kanzlerwahl, bei der Friedrich Merz im ersten Wahlgang Stimmen aus den eigenen Reihen fehlten. Die Kampagne rund um die Richterinnen-Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf, die auf X auch von Ludwig geführt wurde. Hierfür dankte ihr die Ex-AfD-Politikerin Joana Cotar. Und auch Ludwig ist nicht die erste der CDU/CSU, die beim MCC nach möglichen Allianzen sucht: Wenige Wochen vor der Bundestagswahl tauschten sich CSU-Politiker mit ungarischen Denkfabriken aus.

In der frühen Abendsonne von Budapest folgen die Gäste des Sommerfests den Worten Ludwigs – in der ersten Reihe auch Alice Weidel. So offen wie im ungarischen Esztergom zeigen sich die beiden Politikerinnen in Deutschland nicht. Bei Orbans Sommerfest ist das kein Problem. Hier ist der Kurs klar: hart rechts.

Mitarbeit: Fiona Helmke, Károly Szilágyi, Justus von Daniels
Redigat: Lillith Grull, Justus von Daniels
Faktencheck: Lillith Grull