Bezahlkarte für Geflüchtete: Ein viereckiges Stück Symbolpolitik
Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist ursprünglich als gute Idee gestartet. Doch in einer vollkommen überdrehten Migrationsdebatte wurde daraus vor allem eins: Symbolpolitik, in der sich Befürworter und Gegner mit Vorwürfen überziehen – die in Wahrheit aber kaum etwas ändert. Ein Denkanstoß.
Vor genau einem Jahr einigten sich die meisten Bundesländer darauf, die Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen. Anfang 2025 soll sie an den Start gehen. Was bei der Debatte unter die Räder gekommen ist, war eine eigentlich gute Idee.
Beide Seiten übertreiben
Glaubt man den Befürwortern, allen voran der Union, dann regelt die Bezahlkarte, was Geflüchtete mit ihren Sozialleistungen anfangen können. Sie bekommen nur noch 50 Euro davon in bar. Den Rest erhalten sie auf eine Debitkarte ausgezahlt. Mit ihr können sie nur im Laden bezahlen. Überweisungen sind nicht möglich. Das soll verhindern, dass sie zum Beispiel Geld in ihre Heimatländer schicken. Für ihre Familien oder um Schleuser auszuzahlen. So soll ein vermeintlich wichtiger „Pull-Faktor“ wegfallen.
Das ist Quatsch. Die Bezahlkarte wird keinem einzigen Schleuser das Handwerk legen. Und sie wird niemand davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Denn die Höhe der Sozialleistungen oder deren Auszahlung ist kaum ein relevanter „Pull-Faktor“. In den ersten Monaten erhalten Asylbewerber ohnehin nur ein „Taschengeld“ von 100 bis 180 Euro. Davon lässt sich kaum etwas abzweigen. Geflüchtete beginnen oft erst damit, Geld nach Hause zu schicken, wenn sie Schutz bekommen und einen Job finden. Und dann sind sie ohnehin von der Bezahlkarte befreit.
Gegner der Karte kritisieren, die Karte sei „staatliches Mobbing“, so Pro Asyl. Sie schaffe unnötige Hürden, weil sie Geflüchteten vorschreibe, wo und was sie mit ihrem wenigen Geld einkaufen können. In der Praxis könnten sie die Karte oft nicht nutzen. Zum Beispiel in Second-Hand-Läden, Krankenhäusern oder Behörden, weil Debitkarten hier oft nicht akzeptiert würden. Sie erniedrige die Geflüchteten und sei gesetzeswidrige Symbolpolitik.
Für die meisten Geflüchteten ändert sich nichts
Auch das ist übertrieben. Denn für die allermeisten Geflüchteten in Deutschland ändert sich nichts. Die meisten Ukrainer, Afghanen und Syrer werden keine Bezahlkarte bekommen – also der allergrößte Teil der Geflüchteten in Deutschland. Denn die Karte gibt es nur für Menschen im Asylverfahren oder nach einer Ablehnung. Sie ist also, genauer gesagt, eine Karte für Asylbewerber und Geduldete. Für einige Geduldete wird sie die Integration erschweren, während sie auf ihre Ausreise warten. Alle anderen erhalten ihr Bürgergeld weiter aufs Konto wie bisher.
Was durch die überzogene Debatte unter die Räder kommt: Die Bezahlkarte war mal eine gute Idee. So wurde sie von der Stadt Hannover schon vor langer Zeit geplant und eingeführt, um Asylbewerbern den monatlichen Gang auf die Ausländerbehörde zum „Geld-Abholen“ zu ersparen – übrigens auch eine Form der Erniedrigung. Für Asylbewerber, die noch kein eigenes Bankkonto haben, hätte die Karte eine Erleichterung sein können.
Mit diesem Kompromiss können beide Seiten unzufrieden sein
Aber der nun gefundene Kompromiss ist faul: Denn die willkürlichen Bargeld-Limits für monatlich 50 Euro machen die Karte für Nutzer tatsächlich fast unbrauchbar. Und gleichzeitig macht der Staat die Karte damit rechtlich angreifbar, was auch erste Gerichtsurteile zeigen. Denn die Ausländerbehörden müssen nun im Einzelfall prüfen, wer wie viel Geld abheben können soll. Die erhoffte Ent-Bürokratisierung und Entlastung der Ausländerbehörden schafft das definitiv nicht.
So zeigt die Karte wieder einmal, wohin eine abgehobene Migrationsdebatte führen kann. Sie dreht eine ursprünglich gute Idee um. Sie soll die Illusion nähren, dass wir Fluchtmigration mit großen Gesten steuern können. Für die allermeisten Geflüchteten ändert sie: nichts.
Carsten Wolf ist Fachautor für Migration und arbeitet als freier Journalist sowie als Redakteur beim Mediendienst Integration.