Denkanstoß

Für globale Menschenrechte sieht es derzeit leider düster aus

Welche Auswirkungen hat die Trump-Politik auf die weltweiten Freiheitsrechte? Unser Autor schreibt: Nach hoffnungsvoller Stimmung vor ein paar Jahren herrscht jetzt Katerstimmung.

von Markus Beckedahl

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„Die Gefängnisaufenthalte werden kürzer, je älter man wird, man mehr Menschen kennt – und mehr Geld hat,“ war der eindrücklichste Satz, den ich aus einem Gespräch auf der Rightscon in Taipeh mitnehme.

Eine malaysische Menschenrechts-Aktivistin erzählte mit einem Lachen, wie sie in ihrem bisherigen Leben für ihre Arbeit ständig Repressionen ausgesetzt war. Glücklicherweise war ihr dabei ihr Humor nicht abhanden gekommen, auch hat sich die politische Lage in ihrer Heimat mittlerweile gebessert.

Ein brasilianischer Datenschutzrechtler meinte zur Situation in seinem Land, er hätte bei seinem Thema Glück, ihm drohten nur Gerichtsprozesse. „Aber die Klimaaktivist:innen im Amazon stehen an der Front, sie riskieren ihr Leben“.

Auf der Rightscon, die Ende Februar in Taiwan stattfand, kamen rund 3000 Menschen zusammen, um über Menschenrechte im digitalen Raum zu diskutieren. Die Veranstaltung wird seit 2010 von der US-amerikanischen Organisation Accessnow ausgerichtet und entstand aus einer Zusammenkunft, die seinerzeit das Silicon Valley mit Menschenrechtsaktivist:innen zusammenbrachte.

Plattformen wollten damals „nicht evil“ sein

Es war die Zeit von „Internet Freedom“, der arabische Frühling hatte gerade stattgefunden und die US-Regierung sah in der Verbreitung ihrer Plattformen und der Förderung von Anti-Zensur-Technologien großes Potential, ihre Sicht auf Menschenrechte und Meinungsfreiheit in alle Welt zu exportieren. Plattformen wollten „nicht evil“ sein, ihr Image verbessern und vor allem global expandieren. Zumindest das letztere ist ihnen nachhaltig gelungen. Meinungsfreiheit ist natürlich immer noch ein Thema, die endet aber jetzt da, wo es um Genderfragen, LGBTQ-Rechte oder Wissenschaftsfreiheiten geht.

15 Jahre später sind alle verkatert. Autoritäre Systeme und Akteure weltweit nutzen die algorithmischen Mechanismen der großen Plattformen für die Verbreitung von Desinformation und Propaganda. Die großen Plattformen wiederum verbünden sich mit Donald Trump, um weiterhin durch die digitale Kolonisierung ihre Monopole zu erhalten und möglichst viel Geld verdienen zu können.

Auf der Rightscom erlebt man gerade den Schock, den ein Teil der digitalen Zivilgesellschaft, vor allem aus der globalen Mehrheit, durchlebt. Viele Organisationen waren bisher durch US-Entwicklungshilfe gefördert. Der Shutdown von USAID trifft auf zahlreiche Aktivist:innen, die aktuell nicht mehr wissen, wie sie zukünftig ihre Arbeit finanzieren können.

Hoffen auf Stiftungen

Bei einem Vernetzungstreffen von Digital-Rights-Organisationen mit Teilnehmenden aus vielen Staaten fragte ich die anderen elf Menschen an meinem Tisch, wer denn von den Kürzungen betroffen sei. Alle anderen Hände gingen hoch.

Die Hoffnung liegt auf den großen US-Stiftungen wie Ford, Luminate oder McArthur, die bisher auch schon mit eigenen Programmen in die Richtung gefördert haben. Denen wird jetzt die Türe eingerannt. Gleichzeitig wachsen die Stimmen, die davor warnen, sich zu sehr von diesen privaten Förderstrukturen abhängig zu machen, die ständig ihren Fokus wechseln.

Heute noch werden von diesen Stiftungen Programme zu gemeinwohlorientierter KI gefördert, weil es gerade trendy ist. Nächstes Jahr gibt es dann wieder einen Strategiewechsel und Soziale Gerechtigkeit löst das alte Thema ab. Eine nachhaltige Entwicklung ist auf dieser Basis oft nicht möglich.

Glücklich sind die, die eine Diversifizierung der eigenen Finanzierung hinbekommen haben. Dafür braucht man Kontakte, Ressourcen und oftmals Glück, in einem Land zu agieren, das gerade im Förderschwerpunkt steht.

Andere sind am Tropf von Meta, Google und Co und befürchten jetzt, dass ihre Programme z.B. für den Schutz von Frauenrechten online zusammengestrichen werden. Von den Unternehmen, die selbst weniger tun, als sie könnten, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Und bisher diese Programme aus der Portokasse zur Aufbesserung des eigenen Images finanzierten.

Gemeinnützigkeit unter Beschuss

Ein autoritärer Angriffspunkt auf zivilgesellschaftliche Gruppen weltweit ist die Gemeinnützigkeit. Eine indische Aktivistin berichtete, dass sie aktuell ihre Organisation nicht mehr gemeinnützig betreiben könnte und einem Entzug der Gemeinnützigkeit zuvorgekommen wäre. Denn für ihre Menschenrechtsarbeit erhalte sie Förderungen von internationalen Stiftungen, das wäre ein Angriffspunkt für die hindu-nationalistische Regierung in ihrem Land. Sie müsse jetzt ihre Förderer überzeugen, dass diese sie nicht mehr im klassischen Sinne fördern, sondern ihre Organisation als Unternehmen für Dienstleistungen bezahlen sollten. Das wäre die einzige Möglichkeit, wie sie überhaupt noch finanziell operieren könnte.

Neben dem USAID-Shutdown bauen bisher engagierte westliche Staaten wie die Niederlande oder Großbritannien ebenfalls ihre Entwicklungshilfen zurück. In Deutschland könnte das mit der kommenden Regierung auch bevorstehen. China wird oftmals einspringen und seine geopolitischen Vorteile durch die Förderung von Infrastrukturen rausziehen. Die noch mehr Kontrolle und Einfluss ermöglichen. Aber die Förderung von Menschenrechten wird sicherlich das letzte sein, wo China als Ersatz einspringen wird. Bei der Förderung von Menschenrechten sieht es global gesehen derzeit düster aus.