Flucht & Migration

Einmal München-Damaskus und zurück

Die syrische Airline Cham Wings bietet Flüge nach Deutschland an. Dabei hat sie noch keine Genehmigung für Flüge in die EU. Das gelingt dank eines Abkommens mit einer iranischen Fluggesellschaft. Beide stehen schon länger im Fokus der US-Behörden.

von Mohab Zaidan

Ein Flugzeug von Cham Wings hebt ab: die syrische Fluggesellschaft wirbt auch mit Flügen nach Deutschland.© Safin Hamed / AFP

Die Marienkirche, die Dächer Münchens und darüber der Himmel: das verspricht die syrische Fluggesellschaft Cham Wings auf Facebook. Jeden Sonntag von München nach Damaskus. Auch Flüge nach Düsseldorf bietet die Fluggesellschaft an.

Doch darf Cham Wings überhaupt Flüge in die Europäische Union anbieten? Die Fluggesellschaft besitzt keine Sicherheitszertifizierung der EU, das Verfahren läuft noch.

Wer über Cham Wings bucht, kommt dennoch ans Ziel. Möglich macht das eine Kooperation mit der iranischen Fluggesellschaft Mahan Air. Die verfügt in Europa über die erforderlichen Berechtigungen – steht aber wiederum in den USA auf einer schwarzen Liste.

Flüchtlinge und Kämpfer

Cham Wings verspricht in seiner Werbung syrischen Flüchtlingen, sie nach Syrien zu bringen – solche Reisen verstoßen gegen ihre Asylbestimmungen. In sozialen Netzwerken posieren Kämpfer im syrischen Bürgerkrieg von den Fliegern seiner Partner-Airline. Was steckt hinter der Fluggesellschaft Cham Wings?

Die Airline gründete sich im Jahr 2007 als private Fluggesellschaft mit Sitz in Damaskus. Besitzer ist der syrische Geschäftsmann Issam Shammout.

Der erste Flug von Cham Wings fand am 18. Juni 2007 von Damaskus in den ägyptischen Badeort Scharm El Sheikh statt. Später kamen Bagdad, Beirut und Kuwait als Ziele hinzu, schließlich noch Ziele am arabischen Golf sowie in der Türkei. Zunächst verfügte die Airline nur über eine Genehmigung für Charterflüge.

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Ein Plakat von Cham Wings im Fenster eines Berliner Reisebüros: was steckt hinter dem Angebot der Airline?

Jonas Seufert

Ein Jahr nach Beginn des Kriegs in Syrien stellte Cham Wings den Flugbetrieb im Jahr 2012 ein. Im Jahr 2014 machte das Unternehmen dann weiter, nun mit einem Gewerbeschein als Flagcarrier für Syrien. Shammout hat offenbar keine schlechten Beziehungen zum Regime von Präsident Bashar Al-Assad. Er ist laut einer regierungsnahen Zeitung Experte im Tourismusministerium.

Sanktionen

Das US-Finanzministerium verhängte im Mai 2017 Wirtschaftssanktionen gegen Issam Shammout. Grund dafür war seine Beteiligung an einer anderen Fluggesellschaft. Mit seiner Firma Sky Blue Bird Aviation mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten sollt Shammout die iranische Fluggesellschaft Mahan Air unterstützt haben. Shammout, so der Vorwurf, soll Mahan Air mit Flugzeugen und Ersatzteilen versorgt haben.

Mahan Air ist jene Fluggesellschaft, mit deren Hilfe Cham Wings Flüge nach Deutschland anbietet. Von München geht es mit Mahan Air nach Teheran, von dort mit Cham Wings weiter nach Damaskus. Im März 2016 unterschrieben beide Airlines ein Abkommen über neue Routen. Nach dem Abkommen erschienen auf der Facebookseite von Cham Wings viele Angebote für Flüge von Deutschland nach Damaskus.

Auch die Fluggesellschaft Mahan Air selbst ist Ziel von Wirtschaftssanktionen der USA. Die Gesellschaft wurde im Jahr 1991 vom Sohn des damaligen iranischen Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani gegründet und im Jahr 2011 von den Vereinigten Staaten auf eine schwarze Liste gesetzt. Damit wurden alle Vermögenswerte der Gesellschaft in den USA eingefroren. Nach Ansicht des US-Finanzministeriums unterstützte Mahan Air die iranischen Revolutionsgarden.

Im Fokus der US-Behörden

Seit dem 23.12.2016 ist auch Cham Wings selbst Ziel von Wirtschaftssanktionen der USA. Der Grund dafür ist die Unterstützung der syrischen Regierung sowie von Terroristen. Dafür arbeitete Cham Wings auch mit Mahan Air zusammen, stellte das Finanzministerium der USA fest. Seitdem sind alle Vermögenswerte von Cham Wings in den USA eingefroren.

Wer fliegt mit den beiden Fluggesellschaften, die derart im Fokus der US-Behörden stehen? Es sind offenbar Asylbewerber und im Nahen Osten auch Kämpfer, die am syrischen Bürgerkrieg teilnehmen.

Wer als Asylbewerber nach Deutschland kommt, darf nicht ohne Weiteres in sein Heimatland zurückkehren. Tut er es doch, verwirkt er hier sein Recht auf Asyl. Die Airline Cham Wings versucht offenbar genau damit Geld zu verdienen: syrische Flüchtlinge zwischen Syrien und Deutschland hin und her zu transportieren.

Ein Trick

Cham Wings unterhält auch eine Filiale in Beirut. Sie hat die Aufgabe, das Angebot der Airline zu bewerben. Eines der Versprechen ist: „Wir garantieren Flüchtlingen den Hin- und Rückflug (nach Deutschland)!“

Dazu veröffentlichte das Unternehmen auf Facebook Videos mit Aussagen von Passagieren. In den Videos fragen Mitarbeiter von Cham Wings Passagiere am Flughafen in Beirut: „Woher kommt ihr? Habt ihr in Frankfurt Probleme gehabt?“ Und die Passagiere antworten: „Nein, wir sind von Frankfurt und Hamburg aus angekommen, es lief alles gut.“

In einem weiteren Video erklärt ein im Flugzeug sitzender Passagier den Trick: „Man fliegt nicht mit dem Reisepass, sondern mit einem syrischen Ausweis nach Syrien.“ Wenn man sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg über einen weiteren Flughafen außerhalb Syriens fliegt, kann bei der Ausreise an der deutschen Grenze niemand erkennen, dass das wahre Ziel der Reise Syrien ist. Aus den Stempeln im Reisepass geht nur hervor, dass der Passagier zwischen Deutschland und dem Libanon oder dem Iran unterwegs ist – aber Syrien taucht nicht auf.

Cham Wings: alle Regeln eingehalten

Die Flüge von den Zwischenzielen nach Syrien und zurück werden mit dem syrischen Ausweis bestritten, es gibt ein entsprechendes Abkommen zwischen Syrien und dem Libanon, das das möglich macht. Und Flüge nach Teheran oder Beirut kann Deutschland den syrischen Flüchtlingen nicht untersagen.

Von diesem Angebot dürften in erster Linie jene Syrer profitieren, die vom Regime von Bashar Al-Assad nicht verfolgt werden. Auch diese Leute kamen als Flüchtlinge nach Deutschland.

Cham Wings äußert sich gegenüber CORRECTIV nicht konkret zu diesen Vorwürfen. Man halte sich an alle internationalen Regularien, heißt es lediglich. Die Fluggesellschaft habe bei der europäischen Aufsichtsbehörde für den Flugverkehr einen Antrag gestellt, um den in Europa lebenden Syrern Flüge anbieten zu können. Die Fluggesellschaft sei sehr multikulturell aufgestellt, auch Amerikaner und Europäer arbeiteten dort.

Kampf um Zainab

Mahan Airline wiederum wird immer wieder vorgeworfen, Kämpfer zwischen dem Iran und Syrien hin und her zu transportieren. Die US-Regierung setzte die Fluglinie 2011 auf eine Liste von mutmaßlichen Terror-Unterstützern. Die Airline habe den iranischen Revolutionsgarden geholfen, Waffen und Personal zu transportieren. Mahan Airlines reagierte nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.

Einer dieser Kämpfer könnte Khaled A. sein. Im Juli 2016 postete er auf Facebook ein Foto von sich auf dem Rollfeld des Teheraner Flughafens Abadan, hinter sich eine Maschine von Mahan Airlines. Er entschuldigt sich, dass er lange nichts von sich hat hören lassen. „Ich habe für Zainab gekämpft, zum Glück bin ich wiedergekommen.“ Mit Zainab die von den Schiiten verehrte Enkelin des Propheten Mohammed, deren Grabstätte sich in einer Moschee in Damaskus befinden soll.

In Deutschland wickelt Cham Wings sein Geschäft offenbar nur mit Hilfe eines Vertreters und des Internets ab. Als CORRECTIV den Vertreter in Berlin anruft, reagierte dieser sehr vorsichtig. Wir fragen: „Wir möchten über Cham Wings einen Flug nach Damaskus buchen, können wir bei Ihnen vorbeikommen?“ Der Agent antwortet: „Nein, wir empfangen keine Besucher, Sie können den Flug bei uns im Internet buchen.“

Wir fragen, wie man überhaupt mit Cham Wings fliegen kann. Der Vertreter erklärt: „Wir haben ein Abkommen mit Mahan Air. Erst fliegen Sie mit Mahan Air, dann bringt Sie Cham Wings von Teheran oder Beirut nach Syrien.“

Offenbar wickelt der Vertreter das Geschäft von Cham Wings vollständig über das Internet ab: bei einer angegeben Adresse in der Leipziger Straße in Berlin ist kein Firmenbüro zu finden.