Landratsamt entfernt Ausstellung zu Geflüchteten
Das Landratsamt des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Pirna hat noch vor deren Eröffnung eine geplante Ausstellung wieder entfernen lassen. Sie sollte Vorurteile gegenüber Geflüchteten abbauen.
Die Ausstellung Es ist nicht leise in meinem Kopf sollte im Rahmen der Interkulturellen Wochen in Pirna am 25. September eröffnet werden. Sie wurde nun aber kurzfristig aus dem Programm gestrichen. Anhand von Fotos, Interviews und Fluchtrouten dokumentiert sie die Geschichten von 35 geflüchteten Menschen, die in Schwarzenberg und Umgebung leben. Sie wurde schon an verschiedenen Orten in Sachsen gezeigt, unter anderem im Landtag.
Unsere Redaktion wurde von Leserinnen auf den Abbau aufmerksam gemacht. Sie schrieben uns, die Ausstellung sei letzten Mittwoch (11. September) aufgebaut worden. Dann habe das Landratsamt, ohne Bescheid zu geben, „alle Werke am Donnerstag wieder abgehängt“. Auch MDR, Zeit und Freie Presse berichten mittlerweile über den Vorgang, der für einige in Pirna offenbar ungute Erinnerungen an die NS-Zeit aufwarf.
CORRECTIV hat beim Landratsamt nachgefragt, wie es zu dem Abbau kam. Eine Sprecherin des Amts antwortete sinngemäß: Man sei vorab irreführend über die Inhalte der Ausstellung informiert worden – und hätte sonst gar nicht erst die Zusage gegeben. Wäre man vollständig im Bilde gewesen, schreibt die Sprecherin, „wäre bereits, bevor die Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, die Brisanz der dort kommunizierten Äußerungen aufgefallen“.
„Polarisierende Aussagen“: Landratsamt nutzt Hausrecht
Die Behörde zählt beispielhaft Äußerungen der Geflüchteten aus den ausgestellten Interviews auf, die sie für polarisierend hält: „Wir sind eingesperrt wie hinter einer Mauer“, oder in Bezug auf die Polizei: „…nur kontrolliert wirst, weil du schwarz bist“. Oder: „Ich habe kein Leben in Deutschland.“ Und: „Ich weiß nicht, ob ich hierbleiben will.“
Diese Aussagen hätten „verständlicherweise den Unmut und das Unverständnis von Bürgern und Mitarbeitern des Landratsamtes“ hervorgerufen und schnell „für eine aufgeheizte Stimmung unter den anwesenden Betrachtern“ gesorgt. Dadurch sei die Ausstellung nach Ansicht des Landratsamtes „nicht geeignet, Vorurteile abzubauen, wie im Vorfeld kommuniziert, sondern vielmehr diese noch zu verstärken“. Man habe daher vom Hausrecht Gebrauch gemacht und den sofortigen Abbau der Ausstellung veranlasst.
Die zuständige Integrationsbeauftragte Yvonne Böhme erklärte im Gespräch mit CORRECTIV: „Die Reaktion der Bürger hätte ich so nicht vorhersehen können.“ Da die Ausstellung im Foyer des Landratsamtes aufgebaut war und man dort nicht die Möglichkeit habe, jederzeit den Raum für konstruktive Diskussionen zu öffnen, sei die Entscheidung des Amtes zwar bedauerlich, aber nachvollziehbar.
Anders sieht dies die Mitorganisatorin Lenore Lobeck. Sie sagte CORRECTIV, im Amt habe man durchaus vorher über die Inhalte der Ausstellung Bescheid gewusst: „Die Ausstellung war selbstverständlich abgesprochen.“ Außerdem, sagt Lobeck, zeige sie auch viele Erfolgsgeschichten der geflüchteten Menschen, die das Landratsamt unerwähnt lasse.
Die Organisatoren seien „schockiert“ über das Vorgehen. Sie würden bei jeder Ausstellung hoffen, dass alles gut gehe. „Aber dass ein Amt eines demokratischen Staates die Bilder einer Ausstellung, die um Verständnis für Geflüchtete wirbt und gegen Vorurteile spricht, aufgrund von ,Beschwerden‘ wieder abnimmt, das hat eine völlig andere und neue Dimension.“