Rechtslage unklar: Wie lange dürfen die deutschen Grenzen kontrolliert werden?
Innenminister Dobrindt hat die Grenzkontrollen bis März 2026 verlängert. Eigentlich ist das nur befristet möglich – wie lang genau, ist rechtlich bislang unklar. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Deutschland die Höchstdauer ignoriert.

Ein Ende der deutschen Grenzkontrollen bleibt bis auf Weiteres unklar. „Ob und inwieweit künftig eine Verlängerung dieser Binnengrenzkontrollen erfolgt, wird mit Blick auf die Lageentwicklung künftig zu befinden sein“, heißt es auf CORRECTIV-Anfrage aus dem Bundesinnenministerium (BMI). Zuletzt sind die Maßnahmen über den September hinaus um ein weiteres halbes Jahr verlängert worden. Damit übertreffen die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz die eigentlich maximal erlaubte Dauer von zwei Jahren. Allerdings wurde der Schengener Grenzkodex im Juni 2024 mit neuen Verlängerungsfristen reformiert – und ob die Zeitrechnung damit neu begonnen hat oder bereits vorher eingeführte Grenzkontrollen für die Gesamtdauer zählen, darüber gibt es verschiedene Ansichten.
Die EU-Kommission ist überzeugt, dass die Fristen neu beginnen. Der Europarechtler Stefan Salomon gibt aber zu bedenken: „Ob das haltbar ist, lässt sich gegenwärtig nicht sagen, weil es noch keine Gerichtsentscheidung dazu gibt. In einem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs lassen sich jedenfalls gute Argumente finden, dass die Fristen nicht neu beginnen, sofern es keine neue Begründung für die Kontrollen gibt.“ Ähnlich sieht es der Europaparlamentarier Erik Marquardt (Grüne): „Was der Gesetzgeber will, weiß er selbst nicht so genau. Das muss ein Gericht auslegen.“
Kontrollen sind nur als letztes Mittel erlaubt
Das BMI beruft sich auf den novellierten Grenzkodex und seine Fristen, möchte eine Nachfrage nach der konkreten rechtlichen Bedeutung aber nicht beantworten. Das Ressort von Alexander Dobrindt (CSU) betont, der Minister habe „wiederholt öffentlich deutlich gemacht, dass die Kontrollen vorübergehenden Charakter haben.“ Angesichts des geltenden Rechts, dass Kontrollen überhaupt nur vorübergehend möglich sind, muss diese Aussage allerdings als selbstverständlich gelten. Dass Kontrollen über die vorgesehenen Fristen hinaus Konsequenzen für die Bundesregierung haben könnte, ist aber ohnehin unwahrscheinlich. Ein Vertragsverletzungsverfahren würde die Kommission wohl kaum einleiten, ist Marquardt überzeugt.
Eigentlich sind im Schengenraum, zu dem neben den meisten EU-Mitgliedsstaaten auch die Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen gehören, keine Personenkontrollen vorgesehen. Als letztes Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dürfen die Länder aber vorübergehend Kontrollen wieder einführen; allerdings unter strengen Voraussetzungen und zeitlich begrenzt. An der bayerischen Grenze zu Österreich kontrolliert Deutschland nunmehr seit 2015 – eine Praxis, die bereits als rechtswidrig verurteilt worden ist.
Dobrindt weitet die Grenzkontrollen nach Amtsantritt aus
Seit Oktober 2023 kontrolliert die Bundespolizei nach einer Entscheidung der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, seit den Olympischen Spielen von Paris im Sommer 2024 alle deutschen Landesgrenzen. Mit Amtsantritt der neuen schwarz-roten Bundesregierung im Mai 2025 hat ihr Nachfolger Dobrindt die Intensität der Kontrollen ausgeweitet.
Inwieweit er dafür eine als Notlage bekannte Ausnahmeregelung der europäischen Verträge geltend machte, ist auch innerhalb der Koalition umstritten. In der SPD und unter Juristen gelten die damit einhergehenden Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze als rechtswidrig. Sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung begründen die Kontrollen fast wortgleich mit Sicherheitsrisiken infolge hoher Zahlen irregulärer Migration, die zuletzt deutlich zurückgegangen sind.