CompuGroup erhielt Millionen-Euro-Auftrag von der Bundeswehr – weshalb das kaum jemand mitbekam
Ein sicherheitsrelevanter Auftrag über bis zu 75 Millionen Euro: Die Bundeswehr schloss im Juli 2025 einen Deal mit der CompuGroup ab. CGM soll die medizinische Infrastruktur der Bundeswehr modernisieren. Der Vertrag hat eine Laufzeit von bis zu sieben Jahren. Bisher berichteten darüber aber wenige Medien – und das hat einen Grund.

Die CompuGroup Medical AG (CGM) erhielt Anfang Juli von der Bundeswehr einen Auftrag im „mittleren zweistelligen Millionenbereich“. Darin handelt es sich um digitale Sanitätsdienste, CGM soll unter anderem Software für Ärzte entwickeln. Doch obwohl es um relevante Infrastruktur geht, wurde die Vergabe des Auftrags vonseiten der Bundeswehr kaum kommuniziert. Vielmehr ging der Fall medial und öffentlich unter.
Dabei betreffen die Investitionen der Bundeswehr alle Bürgerinnen und Bürger – sie werden immerhin direkt aus Steuergeldern finanziert. Dementsprechend wichtig ist Transparenz bei der Vergabe solcher Aufträge: Nur so lassen sich staatliche Ausgaben und mögliche Interessenkonflikte – und damit Korruption oder Machtmissbrauch – nachvollziehen und verhindern.
Über CompuGroup und dessen Gründer Frank Gotthardt hat CORRECTIV erst kürzlich berichtet – weil der IT-Millionär das Portal Nius finanziert und im Kontakt zu Jens Spahn stand.
Der Fall wirft also Fragen auf:
- Wie transparent wurde der Auftrag bei der Bundeswehr gehalten?
- Wurde vor der Vergabe eine Reputations- oder Risikoprüfung durchgeführt – gerade mit Blick auf sicherheits- und gesellschaftspolitische Auswirkungen?
- Gibt es im Ministerium standardisierte Verfahren zur Prüfung politischer oder gesellschaftlicher Verflechtungen von Auftragnehmern?
- Welche Mitbewerber gab es?
Schweigen im Verteidigungsministerium
CORRECTIV befragte dazu das Bundesverteidigungsministerium (BMVg). Es antwortete auf die Fragen kaum oder gar nicht: Zu einzelnen Vergabeverfahren könne „grundsätzlich keine Auskunft“ gegeben werden. Weiter verwies die Sprecherin des Ministeriums lediglich auf die geltende Rechtslage.
„Die Bundeswehr vergibt öffentliche Aufträge auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben für Vergabeverfahren an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen. Ein Ausschluss ist nur in rechtlich vorgegebenen Fallkonstellationen zulässig.“
Sprecherin
Bundesministerium der Verteidigung
Ein Selbsttest: Transparenzmängel bei Auftragsvergabe?
Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland kritisiert auf CORRECTIV-Anfrage zu diesem Vorgang, dass in Deutschland zu wenig offengelegt werde. „Oft ist kaum bekannt, wer hinter einem Angebot steht und ob persönliche Verflechtungen oder Interessenkonflikte existieren“, sagt Sprecher Julian Brummer. Auch fehle eine „effektive rechtliche Grundlage, um Rechtspopulisten und Verfassungsfeinde von Vergabeverfahren auszuschließen“.
Andere Länder wie Großbritannien oder Kanada seien da deutlich weiter: Dort müssten Verantwortliche solche Verbindungen offenlegen – mit Sanktionen bei Verstößen.
Verstöße lassen sich aber wiederum nur nachweisen, wenn Vorgänge transparent und überprüfbar sind.
In Deutschland seien Informationen rund um Vergaben für Bürgerinnen und Bürger jedenfalls schwer nachzuvollziehen, so Bummer. Vergaben erfolgten „noch viel zu häufig im Verborgenen“ und Transparenzpflichten würden oft „ohne Konsequenzen missachtet“. Ganz besonders akut sei dieses Problem im Verteidigungsbereich, wo „schwächere Transparenzregeln gelten und gleichzeitig regelmäßig große Aufträge vergeben“ werden würden.
Also hat CORRECTIV den Selbsttest gestartet und wollte wissen, wie Bürgerinnen denn tatsächlich an offizielle Informationen zur aktuellen Vergabe kommen.
Ergebnis: Auf den Seiten der Bundeswehr oder der Vergabeplattform des Bundes finden sich „null Treffer“ zum Deal mit CGM. Nur auf der EU-Plattform TED taucht der Auftrag auf. „Tenders Electronic Daily“ ist die Online-Plattform der EU, auf der alle öffentlichen Ausschreibungen und Vergabebekanntmachungen für das europäische öffentliche Auftragswesen zentral veröffentlicht werden.
Den Hinweis ans Verteidigungsministerium, dass für Bürgerinnen und Bürger die Ausschreibung und Vergabe nur auf Umwegen einsehbar sind, lässt dieses unbeantwortet. Genauso wenig die Frage, ob und wie es gewährleisten will, dass Vergaben künftig nachvollziehbarer sind.
Im Schatten anderer Schlagzeilen
Als die Bundeswehr am 14. Juli den Millionenauftrag an CompuGroup vergab, nahm es kaum jemand wahr – zunächst war die Ausschreibung nur auf TED bekannt gegeben.
Die öffentliche Aufmerksamkeit lag damals ganz woanders: und zwar auf der hitzigen Debatte um die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf, die ihre Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht nach einer aggressiven Medienkampagne zurückzog. Mitbefeuert von Nius – jenem rechten Portal, das CGM-Gründer Frank Gotthardt unterstützt.
Nur Tage später, am 23. Juli, diskutierte die Bundesregierung über eine „Beschaffungsbeschleunigung“.
Am 25. Juli veröffentlichte CORRECTIV Recherchen zu Gotthardts Rolle bei Nius und seinen Verbindungen in die Politik.
Am 28. Juli – zwei Wochen nach dem Zuschlag – wurde schließlich auch mittels Pressemitteilung bekanntgegeben, dass der Millionen-Deal der Bundeswehr an CompuGroup vergeben wurde.
Fest steht: Die aktuelle Vergabe reiht sich in eine Liste undurchsichtiger Vergaben im Verteidigungssektor ein. Erst Anfang des Jahres berichtete etwa die Zeit über mögliche Einflussnahmen einer Rheinmetall-Tochter auf Bundestagsabgeordnete. Sichtbarer wird bei alledem: Deutschland hat Transparenzmängel.
Recherche und Text: Samira Joy Frauwallner
Redigatur: Anette Dowideit, Katarina Huth
Faktencheck: Leonie Georg