Rüstungsindustrie

Auslandsgeschäft der Rüstungsindustrie: Die Fragen an Rheinmetall

Wochenlang schwieg Rheinmetall zu Fragen nach seinem Geschäft in Russland und Saudi-Arabien. Auf der Jahreshauptversammlung nahm Konzern-Chef Armin Papperger nun Stellung. Korruptionsvorwürfe im Russland-Geschäft wies er zurück. Doch auch Munitionsgeschäfte in Saudi-Arabien werfen Fragen auf.

Armin Papperger ist guter Dinge: Er will einen großen Teil der steigenden Rüstungsausgaben in die Bücher von Rheinmetall holen. (Foto: picture alliance/dpa | Fabian Strauch)

In Zeiten von Krieg in Europa ist selbst für den Rüstungskonzern Rheinmetall die diesjährige Jahreshauptversammlung eine besondere. Der Aktienkurs liegt mit 180 Euro knapp doppelt so hoch wie am 24. Februar, dem Tag des russischen Einmarsches in der Ukraine. Das Unternehmen bekommt so viel Aufmerksamkeit wie lange nicht, was vor allem an seinem Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger liegt. Er lässt keine Gelegenheit aus, um seinen Konzern in Interviews für das geplante 100-Milliarden-Euro-Paket der Bundesregierung für das deutsche Militär in Stellung zu bringen. Schließlich will er knapp die Hälfte davon in die Auftragsbücher von Rheinmetall holen.

Fragen von CORRECTIV und der Zeitung Welt zu dubiosen Geschäftspraktiken im Auslandsgeschäft ließ der Konzern hingegen wochenlang unbeantwortet. Auf der Versammlung am Dienstag kamen die Recherchen zur Sprache und Papperger gab zumindest ein wenig Auskunft.

2011 hatte Rheinmetall vom russischen Militär für etwa 100 Millionen Euro den Auftrag zur Lieferung eines Gefechtsübungszentrums erhalten. Bis zu 30.000 Soldaten jährlich sollten in der Anlage in dem Ort Mulino, 300 Kilometer östlich von Moskau, unter anderem den Häuserkampf lernen. Nach der Annexion der Krim 2014 widerrief die Bundesregierung ihre Genehmigung für das Geschäft und Rheinmetall musste aus dem Projekt aussteigen. Die russischen Partner errichteten das Zentrum fortan allein. Man habe für das Projekt „ein Hochregallager geliefert, aber keine einzige Schraube“, sagte Papperger. Man müsse das Projekt historisch verstehen, sagte er. Demnach sei es dabei um den Kampf gegen islamistischen Terror gegangen.

Russisches Trainingszentrum: Rheinmetall verlangt Entschädigung von Bundesregierung

Rheinmetall verlangte von der Bundesregierung eine Entschädigung von 120 Millionen Euro für das Gefechtsübungszentrum. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums teilte auf Anfrage von CORRECTIV und Welt mit, dass das diesbezügliche Verfahren bis heute nicht abgeschlossen sei. Weitere Details wollte er nicht nennen. Papperger sagte dazu auf der Aktionärsversammlung nur, dass der Entschädigungswunsch von Rheinmetall ein „derzeit ruhendes Verfahren“ sei. Nicht ausgeschlossen also, dass Rheinmetall das Geld noch einmal von der Bundesregierung verlangt.

Bis zur Annexion der Krim hegte Rheinmetall offenbar die Hoffnung, in Russland in größerem Stil Geschäfte zu machen. Das Trainingszentrum in Mulino sollte nur der Auftakt sein. Und in jener Zeit hatte Rheinmetall noch Hoffnung, Russland mit schweren Waffen zu beliefern. In einer Präsentation für Investoren vom Herbst 2013 ist Russland als „Wachstumsmarkt“ aufgeführt, und zwar für „Kampfsysteme“ wie etwa Panzer.

In den Folgejahren gibt es in den Exportberichten der Bundesregierung keine Hinweise auf größere Rüstungsausfuhren nach Russland. Doch die Konzerntochter, die Rheinmetall für das Gefechtsübungszentrum in Russland gründete, blieb in irgendeiner Form im Geschäft. Die Düsseldorfer Firma Rheinmetall Eastern Markets gründete 2013 in Moskau eine Tochter namens Rheinmetall Ltd. Diese führte der Konzern noch 2019 in seinem Geschäftsbericht als Teil seiner Rüstungssparte auf, mit einem Eigenkapital von 547.000 Euro und einem Gewinn von 23.000 Euro.

Erst seitdem schlägt der Konzern, der neben dem Rüstungsgeschäft auch die Autoindustrie beliefert, die Tochterfirma nicht mehr allein dem Rüstungsgeschäft zu, sondern einem Mischbereich. Doch welche Geschäfte machte die Firma in Russland nach der Annexion der Krim 2014?

Über 5 Millionen Euro Schmiergeld? – „Kritikwürdiges Geschäftsgebaren“

Das Gefechtsübungszentrum für das russische Militär hatte jedenfalls der Auftakt für weitere Deals in Russland sein sollen. Das war dem Konzern nach jüngsten Recherchen von CORRECTIV und Welt so wichtig, dass bei dem Geschäft auch Schmiergeld im Einsatz gewesen sein könnte. Diesem Verdacht ging die Staatsanwaltschaft Bremen einige Jahre nach. So sollen über eine Briefkastenfirma 5,38 Millionen Euro an Empfänger in Russland geflossen sein. Die Bremer Justiz verhängte deswegen im Jahr 2020 eine Geldauflage von jeweils 12.000 Euro gegen zwei Manager des Konzerns. Rheinmetall hatte sich bislang zu den Recherchen nicht geäußert. Am Dienstag sagte Papperger dazu, dass dem Konzern „keine Informationen über etwaige Korruptionshandlungen“ vorlägen.

Es ist in Deutschland nicht ungewöhnlich, dass Verdachtsfälle von Auslandsbestechung am Ende kaum juristische Folgen haben. Oft stehen am Ende der Ermittlungen Geldauflagen wegen Untreue, um zumindest den Abfluss von Geldern mit unklarem Ziel zu ahnden.

„Rheinmetall fällt in regelmäßigen Abständen mit kritikwürdigem Geschäftsgebaren auf“, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sara Nanni aus Düsseldorf. „Es braucht einen Kulturwandel in dem Unternehmen.“

Rheinmetall fiel zuletzt nicht nur in Russland mit dubiosen Zahlungen auf. So zahlte der Konzern 2015 einem libanesischen Geschäftsmann ein horrendes Beraterhonorar von 15 Millionen Euro, damit dieser einen Streit mit der Marine der Vereinigten Arabischen Emirate beilegte.

Ein saudischer Besucher und seine private Boeing 737

Ein anonymer Insider, der auch auf diese Zahlungen Bezug nahm, skizzierte bereits 2017 ein angebliches „Chaos an Provisionszusagen“ bei Rheinmetall. Geht man nach seiner Darstellung, sorgte auch ein seltsamer Besucher aus dem Nahen Osten am Konzernsitz Düsseldorf immer wieder für Gesprächsstoff. Ein „Mr. Abdullah“, so zumindest die Schilderung, sei immer wieder mit seiner privaten Boeing 737 am Düsseldorfer Flughafen gelandet, um über die Munitionsgeschäfte von Rheinmetall mit Saudi-Arabien zu konferieren.

Eine italienische Tochterfirma von Rheinmetall produziert auf Sardinien jene Munition, die die saudische Luftwaffe in ihrem Krieg gegen die jemenitischen Huthi-Rebellen einsetzt. Der Krieg ist eng verbunden mit dem umstrittenen saudischen Kronprinz Mohammed Bin Salman. Kurz nach seiner Ernennung zum Verteidigungsminister im Januar 2015 lancierte Bin Salman eine Seeblockade des bitterarmen Landes. Es folgte ein blutiger Konflikt mit den Huthi-Rebellen, der bis heute andauert. Mit seinen Munitionsgeschäften mit Saudi-Arabien erging es dem Konzern ähnlich wie mit dem Trainingszentrum in Russland, das die Bundesregierung 2014 blockierte. Im Januar 2021 zog die italienische Regierung die Genehmigung für die Munitionsexporte nach Saudi-Arabien zurück.

CORRECTIV-Recherchen zeigen jedenfalls anhand von Flugdaten, dass tatsächlich die private Boeing 737 eines saudischen Milliardärs in jenen Jahren immer wieder Düsseldorf ansteuerte. Das Flugzeug mit der Kennnummer N79711 kam mal aus der saudischen Hafenstadt Jeddah in die NRW-Landeshauptstadt, mal aus Nizza in Südfrankreich.

Italienische Regierung unterband Munitionsgeschäfte mit Saudi-Arabien

Betreiber der Boeing war eine Firma, die zum Konglomerat des saudischen Unternehmers Saleh Abdalluh Kamel gehörte. Kamel zählte zu denjenigen Geschäftsleuten, die Mohammed bin Salman im November 2017 eine Zeitlang im Luxushotel Ritz Carlton in Riyadh internierte. Über 100 Milliarden US-Dollar will der saudische Staat anschließend von knapp 400 Beschuldigten eingenommen haben. Doch die angebliche Anti-Korruptions-Kampagne dürfte vor allem dazu gedient haben, die Position von Mohammed bin Salman zu festigen. Die Boeing des saudischen Milliardärs, der im November 2020 verstarb, saß daraufhin lange Zeit in Jeddah fest, wie Flugdaten zeigen.

Armin Papperger wollte sich dazu auf der Jahreshauptversammlung nicht äußern. Zu Geschäftsbeziehungen gebe der Konzern keine Auskünfte, sagte er. Der Rheinmetall-Chef bestätigte allerdings erstmals ein anderes Geschäft in Saudi-Arabien: So wird der Konzern dort mit einem saudischen Partner zukünftig das Flugabwehrsystem Skyguard warten. Dies diene dem Schutz gegen Angriffe durch die Huthi-Rebellen auf Ziele in Saudi-Arabien.