Diese AfD-Politiker und deutschen Extremisten waren beim Remigration Summit
Perlenohringe statt Springerstiefel, „Remigration“ statt „Ausländer raus“: Öffentlichkeitswirksam inszenieren sich europäische Rechtsextremisten und AfD-Politiker bei einem Treffen in Mailand – wer war vor Ort?

AfD-Politikerin Lena Kotré lächelt den rechtsextremen Martin Sellner an. „Danke, dass ich dabei sein durfte und ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen“. Kotré und Sellner waren beim „Remigration Summit“ in Italien, wo sich im Mai – bei Sonnenschein und Aperol Spritz – die europäische Neue Rechte versammelte.
Ihre Vision: ein Europa ohne Ausländer – und weitestgehend auch ohne Menschen mit Migrationshintergrund, dank „Remigration“. Statt Springerstiefeln trägt man hier Anzug und Perlenohrringe – und gibt sich staatsmännisch, öffentlichkeitswirksam und nur ein bisschen provokant.
In Deutschland hat die AfD die „Remigration“ im Wahlkampf zum Kernthema gemacht – gleichzeitig könnte genau das ihr Genick brechen. Denn unter anderem wegen der oft wiederholten „Remigrations“-Forderungen ihrer Parteifunktionäre wurde die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.
Auch das Bundesverwaltungsgericht stellte kürzlich fest: Wenn mit „Remigrationskonzept“ auch Staatsbürger mit Migrationshintergrund gemeint sind – wie es auch einige in der AfD propagieren – dann ist das mit der Menschenwürde nicht vereinbar.
Das Konzept geht zurück auf Martin Sellner. Er fordert „Remigration“ für „nicht-assimilierte Staatsbürger“ über „Anpassungsdruck“ und „maßgeschneiderte Gesetze“ als „Jahrzehnteprojekt“.
Gretchenfrage „Remigration“ für die AfD: Keine Mäßigung in Partei erkennbar
Wenig überraschend, dass einige in der AfD nun versuchen, die lästige „Remigrations“-Debatte loszuwerden. Doch während sich Teile der Partei um ein vermeintlich gemäßigteres Bild in der Öffentlichkeit bemühen, beharren rechte Hardliner, aber auch die Parteispitze wie Alice Weidel, auf der völkischen Lesart des Grundgesetzes.
Auf der Fraktionsklausur im Juli strich die AfD den Begriff „Remigration“ aus ihrem Strategiepapier. Doch Björn Höcke kündigte kurz darauf an, er werde dafür sorgen, dass „Remigration“ auf jeden Fall wieder in das AfD-Grundsatzprogramm aufgenommen wird.
Fest steht: Die AfD läuft Zickzack mit der „Remigration“, eine inhaltliche Mäßigung ist aber in der Partei nicht zu erkennen.
Es ist die entscheidende Frage für die Rechtsaußen-Partei und ihr politisches Vorfeld: Grenzen dichtmachen, unliebsame Ausländer raus, so viel ist klar. Aber auch Deutsche mit Migrationshintergrund?
Jetzt, wo die #Remigration im AfD-Parteiprogramm steht, wollen wir den Begriff mit Inhalten füllen. Die bisherige Definition ist ein Kompromiss für ehemalige CDU-Wähler. Da wir Deutschland zuerst stellen – was die CDU eben nicht tut – sollten wir über eine Anpassung diskutieren. pic.twitter.com/hIlLE3HjXl
— Lena Kotré (@KotreLena) January 19, 2025
Die AfD-Abgeordnete Lena Kotré scheint für sich eine Antwort gefunden zu haben. Sie will deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund loswerden, wenn sie sich nicht benehmen. Kotré sagt: „Diejenigen, die sich hier nicht an Recht und Gesetz halten, die allerdings schon die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt haben“ hätten das Land zu verlassen – das verstehe sie unter „Remigration“.
Vor allem der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah warnt hingegen inzwischen, dass es zu einem Parteiverbot kommen könnte, wenn die AfD an dieser Art „Remigration“ festhält. Parteikollegen sehen in ihm deshalb einen Verräter.
Politisches Vorfeld: AfD-Abgeordnete Lena Kotré setzt auf rechtsextreme Aktivisten
Beim „Remigrations“-Gipfel in Mailand sind die rechten Hardliner unter sich. Hier gibt es keine Mäßigung, sondern freudestrahlende Gesichter und große Töne.
Doch wer sind sie, die hier ein ethnisch homogenes Europa propagieren? Aus Deutschland waren AfD-Politiker und organisierte Rechtsextremisten dabei. Das italienische Medium Fanpage.it hat Aufnahmen von den „Remigrations“-Fans gemacht, sie liegen CORRECTIV vor.
Wir haben diese Bilder sowie Social Media Posts und Medienberichte ausgewertet und insgesamt 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den deutschsprachigen Ländern identifiziert, die am „Remigration Summit“ im Mai 2025 teilgenommen haben.
Fotos: Fanpage.it
Von uns identifizierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum beim „Remigration Summit 2025“ in Mailand, Italien:
- Lena Kotré, AfD-MdL Brandenburg
- Martin Sellner, Identitäre Bewegung Österreich
- Vincenzo Richter, Bundesleiter Identitäre Bewegung Deutschland
- Maximilian Märkl, Sprecher Identitäre Bewegung Deutschland
- Adrian Frederic Segner, Identitäre Bewegung Deutschland
- Dennis B. aka „ArminiusDD“, Identitäre Bewegung Deutschland
- Annie H., Identitäre Bewegung Deutschland
- Moritz, Identitäre Bewegung Deutschland
- Erik, Identitäre Bewegung Deutschland
- Paul Klemm, COMPACT TV / Filmkunstkollektiv
- Jannis George, Filmkunstkollektiv
- Clarissa aka „Aurelia“, Filmkunstkollektiv
- Timm K., Filmkunstkollektiv
- Manuel Corchia, Junge Tat Schweiz
- Tobias Lingg, Junge Tat Schweiz
- Marc Schweizer, Junge Tat Schweiz
Aus Deutschland war die AfD-Landtagsabgeordnete Lena Kotré dabei und laut Bericht von T-Online auch ihr Kollege im Landtag, der AfD-Abgeordnete Fabian Jank sowie möglicherweise Mario Müller, bekannter Rechtsextremist und Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten dabei. Ob Jank und Müller tatsächlich teilgenommen haben, ist nicht eindeutig belegt – Anfragen von CORRECTIV dazu ließen beide unbeantwortet.
Sicher ist: Mindestens elf Aktivistinnen und Aktivisten aus Deutschland, größtenteils junge Menschen, die in extrem rechten Gruppierungen, wie der Identitären Bewegung und der AfD-Parteijugend organisiert sind, haben teilgenommen.
Warum wir die Namen der Remigration-Gipfel-Teilnehmer veröffentlichen
Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind selber an die Öffentlichkeit gegangen, indem sie Fotos und Videos von der Veranstaltung auf Social Media veröffentlicht haben oder Interviews gegeben haben.
Bei anderen haben wir in Abwägung mit dem Recht auf Privatsphäre entschieden, dass es ein öffentliches Interesse gibt, wer an einer öffentlich beworbenen rechtsextremen Veranstaltung mit Hunderten Teilnehmern – unter anderem deutschen Politikern – teilnimmt. Es handelt sich zudem um Personen, die ohnehin durch ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit stehen.
Manche Personen verwenden mutmaßlich Kunstnamen. In diesen Fällen nennen wir sie unter den Namen, unter denen sie bislang in Erscheinung getreten sind.
Einige von ihnen arbeiten bei Szene-Medien, wie dem kurzzeitig verbotenen Compact TV und Filmkunstkollektiv, die unter anderem Hochglanz-Videos für die rechtsextreme Szene drehen. Mindestens ein Teilnehmer ist Mitglied der extrem weit rechts stehenden Burschenschaft Danubia in München, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Auf die Frage, ob es klug sei, als AfD-Landtagsabgeordnete eine solche Veranstaltung zu besuchen, sagt Lena Kotré dem rechtsextremen Compact-Magazin, sie halte das für genau den richtigen Weg. Man könne gemeinsam mit den Konferenz-Teilnehmern „ganz, ganz viel zu erreichen“. Fragen von CORRECTIV zu ihrer Teilnahme, ihren Beziehungen zu den rechtsextremen Aktivisten und ob sie auch finanziell an der Konferenz beteiligt ist, ließ Lena Kotré unbeantwortet.
Aus Österreich und der Schweiz waren unter anderem Männer von der extrem rechten „Jungen Tat“ vor Ort. Und natürlich Martin Sellner, prominentester Kopf der Neuen Rechten.
IB-Aktivisten spotten über Rechtsstaat: Hat die Remigrations-Konferenz noch Folgen?
Der Besuch in Mailand könnte für einige Rechtsextreme noch ein Nachspiel haben: Zwei Tage vor der Konferenz wurden acht IB-Aktivisten von der Bundespolizei am Flughafen München gestoppt, sie durften nicht ausreisen. Der Grund: Sie würden mit der Teilnahme an rechtsextremen Veranstaltungen dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik schaden. Weil sie trotzdem nach Mailand aufgebrochen sind, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mindestens fünf Personen – ihnen droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Die Aktivisten nutzen den Polizeieinsatz, das Ausreiseverbot und die Ermittlungen für sich. Schon auf der Konferenz ziehen sie den Vorgang ins Lächerliche und spotten etwa über „den sogenannten Rechtsstaat BRD“, der nicht mehr sei als ein „überholter Mythos“. Auch von zwei anschließenden Hausdurchsuchungen zeigen sie sich öffentlich unbeeindruckt.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah hingegen kritisierte in einem Podcast, dass die Ausreisesperren ignoriert wurden, was wiederum auf Protest im rechten Lager stieß.
Wann darf die Ausreise zu extremistischen Veranstaltungen verboten werden?
Wie oft Deutsche mittels Ausreiseverbot daran gehindert werden, zu extremistischen Veranstaltungen ins Ausland zu reisen, ist nicht bekannt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat Ausreiseverbote, die vage mit dem Schutz des Ansehens der Bundesrepublik begründet werden, in der Vergangenheit als überzogen kritisiert.
Im Fall des Remigration Summits wurde das Ausreiseverbot von der Polizei unter anderem damit begründet, dass „Remigration“ nicht mit der deutschen Verfassung vereinbar sei, es sich also um eine rechtsextremistische Veranstaltung handle. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied im Eilverfahren, dass die Aktivisten der Identitären Bewegung offenkundig völkisches Gedankengut propagieren, das nicht mit der Menschenwürde vereinbar sei – ganz gleich, was konkret mit „Remigration“ gemeint sei.
Es handle sich eindeutig um Rechtsextremismus. Das internationale Ansehen der Bundesrepublik würde demnach beschädigt, wenn die deutschen Behörden nicht versuchen würden, die internationale Vernetzung von deutschen Rechtsextremisten zu unterbinden, so das Gericht.
Keine Mäßigung erwartbar: Frühere und zukünftige Remigrations-Gipfel
Es war weder das erste noch das letzte Treffen von europäischen Rechtsextremen. Erst im Mai fand in Großbritannien eine „Remigrations“-Konferenz statt, AfD-Politikerin Lena Kotré war auch dort. Und ein neues Mailand-Treffen für 2026 ist ebenfalls schon in Planung.
Für die AfD-Parteispitze ist die Situation heikel. Ihr steht daheim der Verfassungsschutz auf den Füßen – und ein mögliches AfD-Verbotsverfahren hängt in der Luft. Gleichzeitig bekommt sie Druck von den Hardlinern aus der Identitären Bewegung, jetzt nicht nachzugeben.
Die AfD vertrete „im Großen und Ganzen ein Remigrations-Konzept“, sagt Martin Sellner einige Wochen nach dem Remigration Summit in Mailand in einem Gespräch, das live auf X gestreamt wurde. Das heißt wohl auch: Die gemäßigten Kräfte in der AfD, die sich davon abgrenzen wollen, sind in der Minderheit oder ohne Einfluss. Sellner verbucht das offenbar als Erfolg – von ihm und seinen Mitstreitern.
Von Martin Sellner und den Teilnehmern des „Remigrations“-Gipfel ist jedenfalls kein Einlenken zu erwarten. Im Gegenteil: Sie wollen ein Europa, in dem nur noch leben soll, wer in ihren Augen dazugehört – und das heißt laut Sellner, dass bis zu sechs Millionen deutsche Staatsbürger Deutschland verlassen müssten.
Mitarbeit: Laura Seime, Jean Peters, Marcus Bensmann
Faktencheck: Jann-Luca Künßberg
Redigat: Jann-Luca Künßberg, Justus von Daniels
Foto: Ivo May
Kommunikation: Nadine Winter