von Jonas Seufert
22. März 2018
Mindestens zehn Jahre geht das so: Deutschland kauft für Millionen Euros Kundendaten aus der Schweiz – und nimmt damit Milliarden ein. Die Schweiz verfolgt die Datendiebe erbarmungslos – und macht auch vor deutschen Beamten keinen Halt. Und Politiker auf beiden Seiten toben. Am Ende ist eine Person tot, ein Geheimagent enttarnt und das Bankgeheimnis de facto gefallen. Mittendrin: Ein Steuerfahnder aus Wuppertal. Der Hintergrund zum deutsch-schweizer Steuerkrieg.
Prolog
Der Mann, bei dem alles zusammenläuft, ist ein Phantom.
Es gibt keine Fotos von ihm, dafür umso mehr Legenden, und ein einziges Interview. Man kann es ihm im Grunde auch nicht verübeln. Sein Erfolg hing ja davon ab, dass niemand wusste, was er tat. Und doch alle wissen sollten, wenn er wieder zugeschlagen hatte. Peter Beckhoff, 69 Jahre, Volljurist, Rentner seit Juni 2017.
Zuvor: Leiter des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal.
Beckhoff, das sei gleich am Anfang gesagt, will eigentlich kein Held sein. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber, diese Geschichte würde ohne ihn auskommen. Uneitel ist er, sagen viele, unprätentiös und wortkarg. Ein Steuerfahnder mit kurzem Bart und Hang zu langen Mänteln, der, wenn man ihn fragt, nur seinen Job gemacht hat. Leiter einer Art Eliteeinheit, der sich, wenn man andere fragt, furchtlos mit den Reichen und Mächtigen angelegt hat. Und sich dafür am Rand des Gesetzes bewegte.
Wenn man den Nachbarstreit um das Schweizer Bankgeheimnis als Wirtschaftskrieg bezeichnen will, dann ist Peter Beckhoff so etwas wie ein Frontsoldat. Es ist ein Krieg zwischen zwei Ländern, die eigentlich vieles verbindet: Ein Gebirge, eine halbwegs offene Grenze, eine Sprache. Und die doch über die Frage im Zwist liegen, was mehr zählt: Dass Reiche Steuern dort zahlen, wo sie ihr Geld verdienen. Oder dass ein Land mit dem Geld der Reichen selbst Geld verdienen kann.
Es trifft auch Prominente
In diesem Krieg werden deutsche Minister Daten-CDs kaufen, mit deren Hilfe sie Milliarden an Steuern einnehmen. Bekannte Persönlichkeiten werden über diese CDs stolpern: Der Ex-Postchef Klaus Zumwinkel etwa und sogar Beckhoffs einstiger Vorgesetzter, der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen. Die Schweiz wird Deutschland der Hehlerei bezichtigen. Sie wird Datendiebe erbarmungslos verfolgen. Es wird mehrere diplomatische Krisen geben und mindestens einen Toten.
Diese Geschichte handelt von Geheimagenten, Staatsanwälten und Bankern. Von Multimillionären, die möglichst viel von ihrem Geld behalten und möglichst wenig an den Staat abgeben wollen. Von Überzeugungstätern, die das verhindern wollen. Aber auch von kleinen Angestellten, die ihre Chance auf Millionen sehen.
Und von jenem Steuerfahnder aus Wuppertal, der Kette raucht und hinter vielen CD-Deals steckt: Peter Beckhoff. Wie viele Deals es waren? Hat er nicht gezählt. Wie viel Geld er dem Fiskus eingebracht hat? Interessiert ihn nicht.
Für Beckhoff endet diese Geschichte mit einem Gutschein zum Matterhorn. Sie beginnt aber in einem Zwergstaat gleich neben der Schweiz, im Fürstentum der Banken, mit einem tief gekränkten Träumer.