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Einige Webseiten über Naturheilkunde in den USA sind bei Google seit neuestem schwerer zu finden

In einem Artikel von Kopp-Report wird behauptet, Google habe Webseiten über Naturheilkunde aus seinen Suchergebnissen entfernt. Unsere Recherchen ergeben keine Belege dafür, dass das Unternehmen hier absichtlich manipuliert.

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Der Algorithmus von Google hat Einfluss auf die Suchergebnisse. (Symbolbild: Simon Steinberger / Pixabay)

In diesem Faktencheck geht es um folgendes:

Am 28. Juni veröffentlichte die Webseite Kopp-Report einen Artikel mit dem Titel „Eilmeldung: Google entfernt Websites über Naturheilkunde aus seinen Suchergebnissen – ein Whistleblower sagt, wie und warum“. Er enthält folgende Behauptungen:

  • Nach einer Änderung des Algorithmus bei Google seien zahlreiche Naturheilmedizin-Webseiten in den US-amerikanischen Suchranglisten weit nach hinten gerutscht.
  • Bei Suchergebnissen zur Heilpflanze Kurkuma sei die Webseite greenmedinfo.com als „weltweit größte Open-Access-Ressource zu diesem Thema“ von den vorderen Plätzen verschwunden.
  • Argumente von Impfgegnern würden durch die automatische Vervollständigungsfunktion bei der Google-Suche unsichtbar gemacht. Argumente der anderen Seite hingegen bevorteilt.

Bisher wurde der Beitrag von Kopp-Report laut dem Analyse-Tool Crowdtangle mehr als 2.400 Mal auf Facebook geteilt.

Das Ergebnis unseres Faktenchecks:

Die Behauptungen sind: Unbelegt

Behauptung 1:

  • Nach einer Änderung des Algorithmus bei Google seien zahlreiche Naturheilmedizin-Webseiten in den US-amerikanischen Suchranglisten weit nach hinten gerutscht.

Was stimmt?

Einen Tag im Voraus kündigte Google auf einem seiner Twitter-Kanäle ein Update des sogenannten Kern-Algorithmus für den 3. Juni 2019 an. In der Vergangenheit haben solche Anpassungen oft schon zu erheblichen Veränderungen bei der Auflistung von Suchergebnissen geführt, wie die Webseite Searchmetrics berichtet. Zu einer detaillierten Auskunft, etwa zu der Frage, welche Webseiten aus welchen Gründen an Sichtbarkeit gewinnen oder verlieren, ist der Suchmaschinen-Riese Medienberichten zufolge für gewöhnlich nicht bereit.

Die Ankündigung von Google auf Twitter vom 2. Juni 2019 für ein großes Update des Algorithmus. (Screenshot: CORRECTIV)

Gleichwohl lassen sich mithilfe von Analysetools im Internet die durchschnittliche Auffindbarkeit von nicht-werbefinanzierten Webseiten bei Google im zeitlichen Verlauf und damit auch plausible Ursache-Wirkung-Linien herausfinden. Zum Beispiel mit dem Sichtbarkeitsindex des Unternehmens Sistrix (anmeldepflichtig)

Wir haben mehrere der Webseiten untersucht, die in dem Artikel genannt werden. Für die Homepage der Alternativmedizinerin Kelly Brogan fanden wir tatsächlich einen Einbruch der Auffindbarkeitsrate nach dem 3. Juni, die bis zum Ende des Monats gen null tendierte. Ähnlichen Schwund, wenngleich nicht immer so drastisch, zeigen auch Webseiten wie mercola.com, draxe.com und naturalnews.com.

Laut Sistrix ergibt sich der Sichtbarkeitsindex aus einzelnen Top-100-Listen von insgesamt 250.000 Suchphrasen, die das Unternehmen wöchentlich neu berechnet und nach dem jeweiligen Suchvolumen nochmals gewichtet. Eine mittlere Position einer Webseite etwa bei dem Suchbegriff „Immobilien“ wäre somit immer noch von höherem Wert als eine Spitzenposition beim Begriff „Wohnung Brandenburg an der Havel provisionsfrei“, so ein Beispiel auf der Homepage.

Wichtig ist an dieser Stelle aber auch, den Blick auf die Zahlenkurven zu weiten: Eine erhöhte Sichtbarkeit bei Suchabfragen konnte die Webseite kellybroganmd.com erst seit dem 8. Oktober 2018 erzielen. Auch damals war der Grund offenbar eine Veränderung des Algorithmus von Google.

Der Sichtbarkeitsindex, analysiert von Sistrix, zeigt einen Einbruch für die Webseite von Kelly Brogan nach dem 3. Juni 2019, aber auch einen Anstieg nach dem 8. Oktober 2018. (Screenshot: CORRECTIV)

Interessant ist, dass zu Zeiten solcher Updates auch die Sichtbarkeitsraten der anderen Webseiten starken Schwankungen unterliegen, dies mitunter aber unter völlig anderen Vorzeichen. Die Webseite draxe.com zum Beispiel rutschte durch die Änderung im Algorithmus 2018 in den Ergebnislisten eher noch weiter nach hinten. 

 

Sichtbarkeitsindex, analysiert von Sistrix, für die Webseite draxe.com. Sie zeigt auch einen Einbruch nach dem 8. Oktober 2018. (Screenshot: CORRECTIV)

Von einer neuerdings eingeführten, generellen Benachteiligung von Naturheilmedizin-Webseiten, die der Artikel von Kopp-Report im Zusammenhang mit dem Juni-Update suggerieren will, kann also eher nicht die Rede sein.

Der Autor des Artikels, Sayer Ji, möchte mit seinem Text offenbar andeuten, Google vertrete mit seinem Algorithmus gesellschaftspolitische Interessen. Google verweist in den eigenen, öffentlich einsehbaren Richtlinien (PDF, Seite 9) darauf, dass für sogenannte „Your Money or Your Life (YMYL)“-Seiten besonders strenge Expertise-Standards gelten. Darunter versteht man Seiten im Internet, bei denen falsche Empfehlungen fatale Folgen für den eigenen Kontostand oder die eigene Gesundheit haben können – das sind zum Beispiel laut Google Shopping-Webseiten oder Seiten mit medizinischen Informationen.  

Zwischenfazit: Diese Behauptung ist unbelegt.

Behauptung 2:

  • Bei Suchergebnissen zur Heilpflanze Kurkuma sei die Webseite greenmedinfo.com als „weltweit größte Open-Access-Ressource zu diesem Thema“ von den vorderen Plätzen verschwunden.

Was stimmt? 

Kurkuma, in Deutschland vor allem als Gewürz bekannt, werden gemeinhin verdauungsfördende Wirkungen nachgesagt. Stimmen aus der Heilpraktiker-Szene gehen sogar noch weiter und rufen den Pflanzenstoff als angebliches Heilmittel gegen Alzheimer und Krebs aus – wofür es aber keine wissenschaftlichen Belege gibt. Der Autor des Artikels, Sayer Ji, betreibt in den USA die Webseite Greenmedinfo. Diese würde jedoch beim Suchbegriff „Kurkuma“ praktisch keine Erwähnung mehr finden. Google-Nutzer träfen stattdessen verstärkt auf kritische Webseiten, die vor den Nebenwirkungen des Gewürzes warnen, schreibt der Autor bei Kopp-Report

Entsprechende Verlaufsdaten bei Sistrix können bestätigen, dass Greenmedinfo am 6. Juni zumindest noch auf Platz 28 in der Rangliste für den Suchbegriff „turmeric“ (englisch für Kurkuma) zu finden ist, in den folgenden Tagen aber bis auf Platz 76 (Stand 10. Juni) abstürzte. 

Ranking der Seite Greenmedinfo für den Suchbegriff „turmeric“ (Kurkuma), analysiert von Sistrix. (Screenshot: CORRECTIV)

Gibt man den Begriff „turmeric“ aktuell bei Google ein, wird nichtsdestotrotz ganz oben eine Webseite vorgeschlagen, die zehn angebliche Beweise aufführt, warum Kurkuma gesund sei.

Google-Suchergebnis für „turmeric“ (Kurkuma), abgerufen am 15. Juli 2019. (Screenshot: CORRECTIV)

Zwischenfazit: Diese Behauptung ist größtenteils richtig.

Behauptung 3:

  • Argumente von Impfgegnern würden durch die Vervollständigungs-Funktion bei der Google-Suche unsichtbar gemacht. Argumente der anderen Seite würden hingegen bevorteilt.

Was stimmt?

In dem Artikel wird eine Art Alltagstest durchgeführt, bei dem Sayer Ji die Worte „vaccines cause…“ (Übersetzung: Impfstoffe verursachen…) in die Google-Suchleiste eingibt. Besonders stößt er sich dann an dem ersten Vorschlag der Suchmaschine zur Vervollständigung der Suche, nämlich „vaccines cause adults“, also in freier Übersetzung: Impfstoffe verursachen Erwachsene. Dabei handelt es sich offenbar um einen beliebten Spruch, den Impfbefürworter in den USA sich auf T-Shirts drucken lassen. Ji allerdings verweist darauf, dass diese Suchphrase etwa im Vergleich zu der Kombination „vaccines cause autism“ ein gar nicht so großes Suchvolumen habe. 

Als Beweis fügt er in dem Artikel dazu einen Screenshot von Google Trends ein. Dort kann das Interesse von Nutzern in einer Region an bestimmten Suchbegriffen betrachtet werden – über einen gewissen Zeitraum und im Vergleich zueinander. Der Test zeige, dass sich in Wirklichkeit viel mehr Menschen für den Zusammenhang von Impfen und Autismus interessierten. Trotzdem werde diese Suchphrase von Google in der automatischen Vervollständigung nicht aufgeführt.

Das Ergebnis für die Suchbegriffe „vaccines cause adults“ und „vaccines cause autism“ bei Google Trends zeigt, welche Phrase häufiger gesucht wird. (Screenshot: CORRECTIV)

Ein schneller Check bei Google Trends kommt, was die Zahlen betrifft, zum gleichen Ergebnis, wenn man sich für Suchanfragen in den USA interessiert. Die aktuelle Popularität eines Begriffes scheint also nicht zwingend mit einer automatischen Ergänzung im Suchfeld bei Google einherzugehen. 

Ein Beleg, dass Google damit willentlich Impfgegner zum Schweigen bringt, ist dies aber noch nicht. Man braucht dafür zur Gegenprobe nur die deutschen Wörter „Impfen ist“ einzugeben, um als erste Ergänzungen „Gift“, „Körperverletzung“ und „die beste Art der Bevölkerungsreduktion“ vorgeschlagen zu bekommen.

Die automatische Vervollständigung von Google für die Worte „Impfen ist…“. (Screenshot: CORRECTIV)

Dass Google zudem einzelne Vervollständigungen gar nicht anzeigt, könnte auch mit der Meldefunktion zusammenhängen, die Nutzer im Desktop-Modus unten rechts in der Vorschlagsliste anklicken können. „Meldungen von Nutzern und Nutzerinnen oder Klagen von Unternehmen führen zu Löschungen oder Änderungen“, erklärt Thomas Dürmeier vom Verein Goliathwatch auf unsere Anfrage per E-Mail. Goliathwatch kritisiert die intransparente Praxis von Google bei der Autovervollständigung. Dürmeier verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Google einzelne Begriffe auch bewusst aus der „Autocomplete“-Funktion herausnehme. So zeige die Suchmaschine zu dem Begriff „Juden“ in manchen Sprachen keine automatische Vervollständigung an.

E-Mail von Thomas Dürmeier vom Verein Goliathwatch. (Screenshot: CORRECTIV)

Zwischenfazit: Diese Behauptung ist unbelegt.

Fazit

Es stimmt, dass viele Webseiten zum Thema Naturheilmedizin in den USA nach einer Änderung des Algorithmus nun schwieriger bei Google zu finden sind. Für absichtliche Manipulationen vonseiten des Unternehmens finden sich aber keine überzeugenden Belege. 

Von Marvin Kalwa, Mitglied der Checkjetzt-Redaktion