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Ja, die Rinderrasse „Weißblaue Belgier“ hat überdimensional große Muskeln

Ein Artikel mit einem Foto einer extrem muskulösen Kuh wird viel auf Facebook geteilt. Darin steht, die Rasse heiße „Weißblaue Belgier“. Sie werde gezielt gezüchtet und habe oft gesundheitliche Probleme. Das ist richtig. 

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Gibt es so ein Tier wirklich? Diese Frage stellen sich Nutzer beim Anblick dieses Fotos, das ein Exemplar der Rinderrasse „Weißblaue Belgier“ zeigt. (Screenshot: CORRECTIV)

In diesem Faktencheck geht es um folgendes:

Am 12. Oktober 2018 wurde ein Artikel mit dem Titel „An mutierten Rindern sieht man genau, was in der Fleischindustrie schief läuft“ auf der Seite Unser Planet veröffentlicht. 

Der Artikel enthält folgende Behauptungen:

  • Die Fotos zeigten eine Rinderrasse namens „Weißblauer Belgier“.
  • Bauern hätten diese Rasse durch selektive Zucht erschaffen, indem sie ein mutiertes Gen isolierten, das die „Muskelberge“ verursache – so würden die Rinder mehr Fleisch bieten.
  • Die Rinder hätten aufgrund der Züchtung gesundheitliche Probleme. Sie könnten regelmäßig nur per Kaiserschnitt zur Welt kommen und viele Kälber hätten Geburtsfehler wie vergrößerte Zungen. Andere Tiere hätten Probleme mit dem Herzen, den Atemwegen sowie Knochen und Gelenken. Oft führe dies zu einem frühen Tod.

Bis heute wurde der Artikel laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 2.400 Mal auf Facebook geteilt, in letzter Zeit verstärkt. 

Das Ergebnis unseres Faktenchecks:

Die Behauptungen sind: Richtig.

Behauptung 1:

Die Fotos zeigten eine Rinderrasse namens „Weißblaue Belgier“.

Was stimmt?

Vor allem das Titelfoto des Artikels erregt auf den ersten Blick viel Aufmerksamkeit. Eine Bilder-Rückwärtssuche über Google zeigt, dass es seit Jahren auf vielen verschiedenen Internetseiten kursiert. Der Hinweis unten rechts in der Ecke des Fotos führt auf die Webseite Hornoxe. Allerdings handelt es sich dabei nach eigenen Angaben um eine „Funseite“, die lustige oder absurde Inhalte sammelt, und wahrscheinlich nicht um den Urheber des Fotos. 

Der älteste Treffer in der Bilder-Suchmaschine Tineye stammt von 2012, allerdings lässt sich das Foto auf den angezeigten Webseiten selbst nicht mehr finden. 2013 tauchte es auf einer belgischen Webseite des Unternehmens Genetique Avenir Belgimex (GAB) auf, die nach eigenen Angaben spezialisiert ist auf Produktion und Verkauf von Samen der Rinderrasse „Belgian Blue Breed“ – „Weißblaue Belgier“. 

Das Foto auf der Webseite von Genetique Avenir Belgimex. (Screenshot am 14. August: CORRECTIV)

Auf derselben Webseite findet sich auch ein weiteres Foto eines anderen, sehr ähnlichen Exemplars der Rasse aus einem anderen Blickwinkel. Es ist also plausibel, dass das Titelfoto in dem Artikel von Unser Planet wirklich ein Tier der Rasse „Weißblaue Belgier“ zeigt.  

Ein weiteres Foto eines Exemplars der Rasse „Weißblaue Belgier“ auf der belgischen Webseite. (Screenshot am 14. August: CORRECTIV)

Behauptung 2:

Bauern hätten diese Rasse durch selektive Zucht erschaffen, indem sie ein mutiertes Gen isolierten, das die „Muskelberge“ verursache – so würden die Rinder mehr Fleisch bieten.

Was stimmt?

Dass die Rasse namens „Weißblaue Belgier“ existiert, haben uns das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung und eine Sprecherin des Bundesverbands Rind und Schwein e.V. per E-Mail bestätigt. Ihre Züchtung sei in Deutschland nicht verboten.

Ein Sprecher des Ministeriums, Christian Däuble, schreibt: „Die Reinzucht besitzt mit einer Gesamtanzahl von 10 weiblichen und 3 männlichen Herdbuchtieren in Deutschland jedoch keine Bedeutung.“ Als Quelle verweist er auf die Zentrale Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland. Dort sind tatsächlich für 2018 nur 13 Tiere vermerkt. Im Vergleich dazu gebe es in Deutschland etwa 11,94 Millionen Rinder und etwa 65.000 Herdbuchtiere bei den verschiedenen Fleischrassen, so Däuble.

Die Antwort des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung per Email. (Screenshot: CORRECTIV)

Eine natürliche Gen-Mutation sorgt dafür, dass die Tiere so muskulös werden. „In der Rasse Weißblaue-Belgier gibt es eine natürliche Mutation des Gens, das für die Bildung von Myostatin verantwortlich ist“, erklärt Däuble. „Myostatin hemmt das Muskelwachstum und fördert den Fettansatz. Durch die Mutation fehlt den Tieren das Myostatin, sodass sie viel Fleisch mit wenig Fett produzieren.“ In Deutschland würden „Weißblaue Belgier“ meist mit Milchrassen gekreuzt, um die Nachkommen mästen zu können. „Dabei kommt die Mutation des Myostatin-Gens nicht zum Tragen, da die Mutation rezessiv ist.“ 

Auch in einem wissenschaftlichen Artikel aus dem Journal Nature Genetics von 1997 heißt es, es gebe bei Rindern eine genetische Mutation, die zum Phänomen des „double muscling“ führe, also zu sehr starkem Muskelwachstum. Erwähnt wird auch explizit die Rasse „Belgian Blue“ – die „Weißblauen Belgier“. Gleiches beschreibt ein weiterer Artikel von 2012 im Journal Animals.

Züchter machten sich also eine natürliche Mutation zunutze, weil die Tiere durch das Muskelwachstum sehr viel mageres Fleisch besitzen. 

Behauptung 3:

Die Rinder hätten aufgrund der Züchtung gesundheitliche Probleme. Sie könnten regelmäßig nur per Kaiserschnitt zur Welt kommen, viele Kälber hätten Geburtsfehler wie vergrößerte Zungen. Andere Tiere hätten Probleme mit dem Herzen, den Atemwegen sowie Knochen und Gelenken. Oft führe dies zu einem frühen Tod.

Was stimmt?

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen von 2010 schreibt die Bundesregierung (Seite 8), grundsätzlich spiele eine natürliche Fortpflanzung bei der Zucht eine wichtige Rolle. Aber für die Rasse „Weißblaue Belgier“ ergäben sich daraus „keine konkreten Forderungen“, da diese in Deutschland „beinahe ausschließlich in Kreuzungen mit Holstein und Braunvieh eingesetzt“ werde. Sie werde deshalb nicht als „Qualzucht“ eingestuft.

Auszug aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen von 2010. (Screenshot: CORRECTIV)

 Christian Däuble, Sprecher des Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, bestätigt in seiner Mail, dass es durch das starke Muskelwachstum schwierig sei, dass reinrassige Tiere der Art „Weißblaue Belgier“ auf natürliche Weise geboren werden. Die meisten würden per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Über weitere gesundheitliche Probleme sei „vorliegend nichts bekannt“. 

In Deutschland würden fünf Prozent der Milchkühe mit Sperma dieser Rasse besamt, schreibt Bianca Lind, Sprecherin des Bundesverbands Rind und Schwein. „Die Geburt dieser Kreuzungskälber ist problemlos.“ Über weitere Probleme sei dem Verband nichts bekannt.

Es gibt jedoch mehrere wissenschaftliche Berichte, die darauf hinweisen, dass die reinrassigen Rinder anfällig für verschiedene gesundheitliche Probleme ist. In dem Artikel im Journal Animals heißt es, sie seien besonders anfällig für Atemwegserkrankungen, Stress und einen gestörten Geburtsverlauf, weshalb sie besondere Aufmerksamkeit bei der Haltung benötigten.

Über eine Sammlung wissenschaftlicher Artikel in der Datenbank Science-Direct zur Rasse „Belgian Blue“ ist zudem ein Kapitel aus dem Buch Genetics and the Behavior of Domestic Animals zu finden. Darin steht, die Kälber hätten manchmal vergrößerte Zungenmuskeln und könnten deshalb nicht gestillt werden. 

Als Quelle verweist der Text auf einen Artikel von Wissenschaftlern der Katholischen Universität Leuven von 2001 mit dem Titel „Ethische Einwände gegen Kaiserschnitte: Bedeutung für die Zukunft der ‘Weißblauen Belgier’“. Darin heißt es, die Kälber litten manchmal unter geschwollenen Zungen, Gelenksteifigkeit oder Herz-Lungen-Problemen; teilweise führten diese Probleme zu einem frühen Tod. 

Auszug aus dem Artikel von Wissenschaftlern der Katholischen Universität Leuven. (Screenshot: CORRECTIV)

Fazit:

Die Behauptungen in dem Artikel über die Rinderrasse „Belgian Blue“ beziehungsweise „Weißblaue Belgier“ stimmen: Sie wird gezüchtet, um möglichst viel Fleisch zu produzieren und ist durch ihre Genmutation anfällig für gesundheitliche Probleme. 

Von der Checkjetzt-Redaktion