Spanien: Keine Belege für Quälerei von Stieren vor Stierkämpfen
Eine Facebook-Seite veröffentlichte einen Beitrag, laut dem Stiere vor traditionellen Stierkämpfen angeblich tagelang gequält werden. Darüber hinaus wird suggeriert, die Kämpfe würden mit deutschen Steuergeldern subventioniert. Wir haben nachgefragt.
In diesem Faktencheck geht es um folgendes:
Am 26. Juni 2019 veröffentlichte die Facebook-Seite der „Gemeinnützige Tierschutz-Gesellschaft Aachen“ einen Beitrag mit folgenden Behauptungen:
- Stiere, die bei traditionellen Stierkämpfen in die Arena geschickt werden, würden vorher tagelang gequält. Unter anderem werde den Tieren Vaseline in die Augen gerieben, um das Sehvermögen zu verringern, und nasse Zeitung in die Ohren gestopft. Ätzende Substanzen an den Beinen würden dazu führen, dass sie schneller das Gleichgewicht verlieren. Es würden Nadeln in die Genitalien eingeführt und Baumwolle in die Nase gestopft, um die Atmung zu behindern.
- Stierkämpfe würden durch deutsche Steuern mitfinanziert. In dem Facebook-Beitrag heißt es: „Nein, zu Subventionen mit unserem Geld für diese Veralterte, Barbarische ‘Tradition’ !!![sic!]“
Der Facebook-Beitrag wurde mehr als 200 Mal geteilt.
Das Ergebnis unseres Faktenchecks:
Die Behauptungen sind: Unbelegt.
Behauptung 1:
Stiere, die bei traditionellen Stierkämpfen in die Arena geschickt werden, würden vorher tagelang gequält. Unter anderem werde den Tieren Vaseline in die Augen gerieben, um das Sehvermögen zu verringern, und nasse Zeitung in die Ohren gestopft. Ätzende Substanzen an den Beinen würden dazu führen, dass sie schneller das Gleichgewicht verlieren. Es würden Nadeln in die Genitalien eingeführt und Baumwolle in die Nase gestopft, um die Atmung zu behindern.
Was stimmt?
Der Text wurde schon mehrfach verwendet, unter anderem auf Italienisch in einer Petition gegen Stierkämpfe in Spanien, die 2018 gestartet wurde. Das im Facebook-Beitrag verwendete Foto taucht zum ersten Mal 2017 im Netz auf, wie eine Bilderrückwärtssuche mit Yandex ergibt. Auf einer Webseite namens Volcanotimes wird es in einem im August 2017 erschienen griechischen Beitrag zum Thema benutzt. Darin werden die gleichen Behauptungen über das Quälen der Tiere aufgestellt. Als Quellenangabe wird eine griechische Webseite genannt, die zu einem ebenfalls griechischen, privaten Facebook-Profil führt. Wann und wo das Foto aufgenommen wurde, ist letztlich nicht zu ermitteln.
Auch die deutsche Seite „Initiative Anti-Corrida“ verbreitet die Informationen, wie die Stiere angeblich körperlich beeinträchtigt werden. Zudem finden sich Teile der Behauptungen in Medienberichten, zum Beispiel in einem deutschen Vice–Artikel über Stierkämpfe in Spanien von Sommer 2015, oder in einem Beitrag des Abendblatts zum letzten Stierkampf in Katalonien 2011. Woher die Informationen stammen, wird jedoch stets nicht klar.
Tierschutzorganisationen wissen nichts über diese Praktiken
Die Tierschutzorganisation Peta informiert online – zum Beispiel auf der Seite der Jugendkampagne Peta Zwei – über die angebliche Praxis, den Tieren Vaseline in die Augen zu reiben. Auf Nachfrage schreibt uns jedoch ein Sprecher, Peter Höffken, die Seiten seien veraltet und man habe keine Belege dafür. In der Tat sei es unwahrscheinlich, dass Stiere vor dem Kampf in der Arena gequält würden, da dies dem Bild einer Toreros als „Held“ und dessen Karriere schaden würde. „Nach unserer Auffassung werden die unter dem Facebook-Link aufgeführten Methoden zur Schwächung der Stiere nicht angewandt.“
Man könne allerdings keine Aussage über alle Stierkampf-Veranstaltungen in Spanien treffen, da auch häufig inoffizielle, lokale oder privat organisierte Stierkämpfe stattfänden.
Höffken schreibt außerdem, dass die Stiere nach Kenntnis von Peta zumindest teilweise in dunklen Verschlägen gehalten würden und die runden Arenen so angelegt seien, dass sie den Stier desorientieren. Außerdem bekämen die Stiere die im Abendblatt-Artikel erwähnten Stiche in den Nacken, um den Kopf nicht mehr weit heben zu können.
Alberto Díez Michelena, Direktor der spanischen Tierschutzorganisation Asociación Nacional para la Defensa de los Animales, spricht ebenfalls von einer guten Versorgung der Tiere vor dem Kampf in der Arena. Die Behauptungen seien nicht bewiesen. Es würden jedoch oft Beruhigungsmittel vor dem Stierkampf eingesetzt.
Spanisches Kulturministerium: Gesetze sollen Tierquälerei verhindern
Auch das zuständige spanische Ministerium für Kultur und Sport hat nach eigenen Angaben keine Belege für die beschriebenen Quälereien von Stieren. Es gebe sowohl auf bundesweiter wie auch auf regionaler Ebene Gesetze, die solche Vorgehensweisen verhindern sollen. Vor dem Kampf würden die Tiere doppelt tierärztlich untersucht. Sollten während der Veranstaltung Zweifel aufkommen, werde nach dem Kampf noch eine weitere Untersuchung gemacht.
Insgesamt ist nicht völlig auszuschließen, dass manche dieser oder ähnliche Methoden bei Stierkämpfen in Spanien angewandt wurden oder werden. Die Behauptungen kursieren seit vielen Jahren, aber es gibt keine belastbaren Quellen. Wer sie ursprünglich aufgestellt hat, ist unklar.
Behauptung 2:
Spanische Stierkämpfe würden durch deutsche Steuern mitfinanziert. In dem Facebook-Beitrag heißt es: „Nein, zu Subventionen mit unserem Geld für diese Veralterte, Barbarische ‘Tradition’ !!![sic!]“
Was stimmt?
Es fließen keine deutschen Steuergelder direkt für Stierkämpfe nach Spanien. Das spanische Kulturministerium schreibt uns per E-Mail: „Für Stierkampfveranstaltungen gibt es keine direkten Beihilfen oder Subventionen aus deutschen öffentlichen Mitteln.“ Möglich sei eine Finanzierung aus Gemeinschaftsmitteln, vor allem durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Agrarsubventionen kommen aus dem gemeinschaftlichen EU-Haushalt, in den alle EU-Länder einzahlen, nicht nur Deutschland.
Es kann also eine indirekte Finanzierung durch EU-Mittel stattfinden. Seit 2003 sind die Agrarförderungen der EU nicht mehr an die Produktion gekoppelt, sondern nur noch an die Größe des Betriebes. Es könne also sein, dass Farmer die Subventionen auch dazu nutzen, Bullen für Stierkämpfe zu züchten, erklärte die Europäische Kommission 2014.
Auch die Tierschutzorganisation Asociación para la Defensa de los Animales schreibt uns, Teile der Agrarsubventionen an Spanien gingen in unbestimmter Höhe auch an Züchter, die ihre Stiere teilweise später für die Kämpfe verkaufen könnten.
Lea Schmitz, Leiterin der Pressestelle des Deutschen Tierschutzbundes, erklärt auf unsere Anfrage ebenfalls, dass es keine gezielte Förderung von Stierzuchten gäbe. Sie betont jedoch, dass EU Agrarsubventionen unter anderem spanischen Züchtern zugute kämen, die ihre Tiere – zumindest teilweise – für Kämpfe verkaufen.
Die EU oder Deutschland subventionieren also nicht gezielt spanische Stierkämpfe. Lediglich indirekt könnten EU-Subventionen für Aktivitäten, die in Beziehung zu Stierkämpfen stehen, genutzt werden. Die Behauptung in dem Facebook-Beitrag ist somit teilweise falsch.
Fazit:
Ob Stiere vor den Kämpfen in Spanien gequält oder anderweitig beeinträchtigt werden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, weil es dafür bei offiziellen Stellen keine Belege gibt. Auch Tierschutzorganisationen in Deutschland und Spanien haben dafür keine Beweise.
Deutsche Steuergelder fließen als EU-Subventionen tatsächlich nach Spanien, jedoch nicht, um gezielt Stierkämpfe zu subventionieren, sondern als Teil der regulären Agrarsubventionen. Diese Gelder werden in der Landwirtschaft eingesetzt und fließen auch an Züchter, die ihre Stiere zumindest teilweise für Stierkämpfe verkaufen.
Von Steffen Kutzner, Mitglied der Checkjetzt-Redaktion