Debatte um AfD-Verbot

Die AfD gründet eine neue Parteijugend – aus Sorge vor möglichen Verbotsverfahren?

Die AfD hat ihre rechtsextreme Parteijugend mitten im Bundestagswahlkampf abgestoßen. Eine ungewöhnliche Entscheidung, die wohl Folgen für mögliche Verbotsverfahren haben wird.

von Marie Bröckling

Wahlkampfveranstaltung der AfD Brandenburg
Die AfD stößt ihre Parteijugend ab - und gründet gleich eine neue. Foto: Frank Hammerschmidt/picture alliance/dp

Die Junge Alternative (JA) soll aufgelöst und durch eine neue Jugendorganisation ersetzt werden, so haben es die Delegierten am Wochenende auf dem AfD-Parteitag in Riesa mit Zweidrittelmehrheit entschieden. Der stellvertretende Bundesvorsitzende und einige Landesverbände der Jungen Alternative hatten sich bis zum Ende gegen ihre Abschaffung gewehrt. Die Stimmung in Riesa war entsprechend angespannt, im Vorfeld soll sehr viel Druck auf einzelne Personen ausgeübt worden sein.

Es ist eine ungewöhnliche Entscheidung, zumal mitten im Bundestagswahlkampf. Als Grund wurde unter anderem ein mögliches Vereinsverbot angeführt. Dahinter könnte aber auch die Angst vor einem möglichen AfD-Verbotsverfahren stehen. Denn die Junge Alternative wird vom Verfassungsschutz bereits als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, während die AfD auf Bundesebene aktuell nur ein „Verdachtsfall“ ist. Einige AfD-Funktionäre gehen offenbar davon aus, dass ein Parteiverbotsverfahren „gute Chancen auf Erfolg hätte“, berichtet der Spiegel. 

„Die Neugründung [der Jugendorganisation] soll den Eindruck erwecken, die AfD würde sich vom extremistischen Um- und Vorfeld abgrenzen“, sagt Martina Renner (Linke), Bundestagsabgeordnete und Fürsprecherin eines AfD-Verbotsantrags. „Sowohl die Hochstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz wie auch die Entscheidungen zur Einleitung eines Verbotsverfahrens sollen damit durchkreuzt werden.“

Die Junge Alternative als Gefahr für die AfD

Die Junge Alternative ist die offizielle Jugendorganisation der AfD und gilt als noch extremer als die AfD. So haben sich führende Köpfe der Jungen Alternative in der Vergangenheit beschwert, dass der AfD-Bundesvorstand in ihren Augen zu zurückhaltend sei. Der Verfassungsschutz führt die Junge Alternative als gesichert rechtsextreme Bestrebung.

Insbesondere muslimische Menschen würden durch die Junge Alternative „kontinuierlich pauschal diffamiert, herabgewürdigt und ausgegrenzt“, schreibt das Oberverwaltungsgericht NRW in seinem Urteil zur Beobachtung der Jungen Alternative durch den Verfassungsschutz im Mai 2024. Das führt laut Gericht „bis hin zu Forderungen nach einer ‘Remigration’ von Muslimen.“

Gleichzeitig ist die Parteijugend auch eine AfD-Kaderschmiede: Ehemalige Funktionäre der 2013 gegründeten Jungen Alternative haben inzwischen Karriere in der AfD gemacht. Die Junge Alternative gilt als politisch einflussreich, einige Mitglieder arbeiten als parlamentarische Mitarbeiter. „Faktisch befinden sich JA-Aktivisten als Mitarbeiter der Fraktionen an den Schalthebeln der Strategieentwicklung der rechtsextremen Partei“, sagt die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke). 

Bislang ist die Junge Alternative als Verein organisiert und in weiten Teilen unabhängig von der AfD. Seit der Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz wurde deshalb über ein Vereinsverbot spekuliert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser steht dem offenbar skeptisch gegenüber. Faeser argumentierte laut Medienberichten, dass die Junge Alternative als Teil der AfD zu betrachten sei und deshalb Parteienprivileg genieße. Dieser rechtliche Schutz für die Junge Alternative entfällt spätestens jetzt.

Wortgefecht auf dem Parteitag in Riesa

Der Zeitpunkt für die Abkopplung hat offenbar auch einige auf der Führungsebene der Jungen Alternative überrascht. Sie werfen dem AfD-Bundesvorstand „kommunikatives Totalversagen“ vor. „Dieser Antrag, der heute hier im Raum steht, droht all das zu zerstören, was wir in vielen Jahren aufgebaut haben“, sagte Dante Riedel, stellvertretender Landesvorsitzende der JA in Thüringen auf dem Parteitag. Auch AfD-Mitglieder warnten davor, „diese Büchse der Pandora im Wahlkampf zu öffnen.“

Die Junge Alternative hat laut eigenen Angaben ein paar Tausend Mitglieder, wobei offenbar nur ein Bruchteil aktiv ist. Laut Markus Frohnmaier (AfD) sind nur „einige wenige Hundert“ bundesweit aktiv

Wie die neue AfD-Jugendorganisation aussehen könnte

Die neue Organisation soll deutlich stärker von der AfD kontrolliert werden. Die Junge Alternative durfte ihre eigene Satzung festlegen und über Programm, Finanzen und Personal weitgehend eigenständig entscheiden, solange sie den Grundsätzen der AfD nicht widersprach. Das ändert sich nun: Die neue Jugendorganisation muss ihr Statut durch den Bundesvorstand der Partei genehmigen lassen

Bislang mussten lediglich Personen aus dem JA-Bundesvorstand in der AfD sein. Zukünftig müssen alle Personen ab 16 Jahren, die in die Jugendorganisation eintreten wollen, auch AfD-Mitglied sein. Umgekehrt werden alle AfD-Mitglieder unter 36 Jahre automatisch Mitglied in der neuen Jugendorganisation. Bislang waren wohl nur 20 Prozent der jungen AfD-Mitglieder auch Mitglied in der Parteijugend, heißt es auf dem AfD-Parteitag.

Und jetzt?

Die Gründung der neuen Jugendorganisation fällt mitten in den Wahlkampf. Demnächst werden zunächst die jungen AfD-Mitglieder unter 36 Jahren zu einer Versammlung eingeladen, dort wird der Name der neuen Jugendorganisation festgelegt und ein Vorstand gewählt. Die neue Jugendorganisation wird am 1. April offiziell gegründet, berichtet die Tagesschau. Den JA-Landesverbänden wurde unterdessen vom Bundesvorstand empfohlen, sich aufzulösen, berichtet die Zeit

Ob die neue AfD-Jugendorganisation ebenfalls als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet wird und welche Konsequenzen das für die Einstufung der AfD als Ganzes haben wird, ist nicht bekannt. „Ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen [die Neugründung] für die Bewertungen und Maßnahmen des BfV haben wird, lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen“, teilt eine Sprecherin das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage mit.

Konsequenzen für mögliches AfD-Verbot

Bislang fielen alle Negativschlagzeilen der Jungen Alternative auf die AfD zurück – und hätten wohl auch als Beweis in einem möglichen Parteiverbotsverfahren gegolten. Mit der Abspaltung distanziert sich die AfD nun nach außen von der rechtsextremen Parteijugend. 

Stephan Kramer, der Thüringer Verfassungsschutzchef, geht allerdings davon aus, dass es keinen wirklichen Bruch mit der Jungen Alternative geben wird: „Im Gegenteil, all diese Kräfte werden in der Partei aufgehen“, sagt Kramer im Deutschlandfunk

Die neue Regelung könnte deshalb dazu führen, dass die AfD als Ganzes weiter nach rechts rückt. Wenn also Personen, die bislang lediglich in der rechtsextremen Jungen Alternative aktiv waren, demnächst in die neue Jugendorganisation und damit auch in die AfD eintreten, könnte das zu einer Radikalisierung führen.

„Unter neuer Struktur weitermachen“

„Künftig muss man Mitglied der AfD sein, um Mitglied der Jugendorganisation zu sein. Wenn das die gleichen Leute wie bisher [in der Jungen Alternativen] sind, wird die AfD als Ganzes dadurch noch einmal extremistischer,“ sagt Marco Wanderwitz (CDU), Bundestagsabgeordneter und Initiator des AfD-Verbotsantrags im Bundestag. „Davon gehe ich aus.“

Schon ein paar Tage nach dem AfD-Parteitag schreibt der Landesverband der Jungen Alternative in Schleswig-Holstein  auf Facebook: „Der Beschluss ändert nichts daran, dass wir alle in der AfD bleiben und auch unter neuer Struktur weiter machen werden.“