Nein, dieses Video aus einem Behandlungszentrum beweist nicht, dass die Corona-Pandemie für die Medien inszeniert wird
Eine junge Frau liegt in einem Krankenhausbett und filmt sich selbst. Das ist in einem Instagram-Video zu sehen, das zahlreiche Nutzer in Sozialen Netzwerken verbreiteten. Das Video soll angeblich beweisen, dass Aufnahmen für ARD oder ZDF inszeniert worden seien, um Panik vor Corona zu schüren. Das ist falsch. Die Frau nahm an einer Übung teil, bei der keine Presse anwesend war.
Menschen in grünen Kitteln mit Masken und eine junge Frau, die in einem Krankenhausbett liegt und in die Kamera spricht: „Wir liegen hier und simulieren, wie man gut sehen kann, weil das das neue Corona-Zentrum ist und jetzt ein Testdurchlauf vorgenommen wird und wir haben bestimmte Aufgaben bekommen.“ Die Frau hält einen Zettel vor die Linse: „Das ist meine. Informieren Sie einen Mitarbeiter darüber, dass Sie schlecht Luft bekommen. Um genau 13.35 Uhr“.
Es ist ein Video aus einer Instagram-Story einer jungen Frau, das sich seit Mitte September viral auf Facebook verbreitet. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer haben das Video veröffentlicht und behauptet, dass dort zu sehen sei, wie Aufnahmen für deutsche TV-Sender wie ARD, ZDF oder RTL entstünden. Das Video zeige angeblich, dass die Corona-Pandemie nur „Schauspielerei und Show“ und „Hollywood“ sei und eine Inszenierung, die für Panik sorgen solle.
Unsere Recherchen zeigen, dass diese Vorwürfe falsch sind. Die junge Frau war Teilnehmerin einer Übung in einem Corona-Behandlungszentrum in Berlin – und erklärt dies auch selbst. Laut dem Krankenhaus war dabei keine Presse anwesend.
Das Ursprungs-Video findet sich in den Highlights eines Instagram-Profils
Ein Großteil der Facebook-Beiträge wurde am 11. September veröffentlicht. Bei der Suche nach dem betreffenden Instagram-Kanal der jungen Frau stoßen wir auf ein öffentliches Profil von „Melisa“. In ihrem Feed finden sich unterhaltende Beiträge aus ihrem Alltag, politische Meinung ist dort nicht zu finden. Die Instagram-Story, aus der das verbreitete Video stammt, hat sie in ihren Highlights unter dem Titel „Corona“ gespeichert.
Die junge Frau hat bereits auf die Behauptungen über ihr Video reagiert. Am 14. September hat sie ein weiteres Video in ihrem Feed veröffentlicht, mit dem Titel „STATEMENT“. In dem mehr als fünfminütigen Video stellt sie klar, was sich hinter ihrer ersten Corona-Instagram-Story verbirgt.
Instagram-Nutzerin stellt klar, dass es sich um eine Übung in einem Corona-Zentrum handelte
Sie sagt: „Meine Community kennt mich, meine Community weiß, dass meine Instagram-Seite ausschließlich Unterhaltungszwecken dient und deswegen glaube ich, dass ich ein paar Sachen klarstellen muss.“
Sie erklärt, dass das „Krankenhaus“, in dem sie gefilmt habe, nicht in Benutzung sei, weil dafür aktuell kein Bedarf bestehe. „Allerdings muss das Krankenhauspersonal ja trotzdem geschult werden, um einen sicheren Ablauf zu gewährleisten.“
Dann zeigt sie eine E-Mail, die eine ihrer Freundinnen von der Universität, an der sie studiere, erhalten habe. Darin ist zu lesen, dass Teilnehmer gesucht werden, um im Rahmen der Covid-19-Pandemie den Ernstfall zu üben. „Dafür wird ein Großschadensereignis mit einer hohen Anzahl an Patienten inszeniert“, ist dort weiter zu lesen. Mehrfach ist erwähnt, dass es sich um eine Übung handle. Die Teilnehmer erhielten 50 Euro Aufwandsentschädigung.
Die Frau erklärt dann weiter, dass das Ganze von einem Kamerateam des Krankenhauses gefilmt und dokumentiert worden sei, um Fehler im Ablauf zu finden. „Es war nicht vom ZDF oder irgendwelchen Fernsehsendern“ (ab Minute 1:30 im Video). Es sei auch nicht gefilmt worden, „um irgendwelchen Propaganda-Zwecken zu dienen“. Ihre Story habe sich rasant über Twitter, Facebook, Tiktok, Instagram und Whatsapp verbreitet, sagt sie, ihr Konto sei daraufhin deaktiviert worden (ab Minute 2:30 im Video).
Die Frau sagt, das Video sei verkürzt und instrumentalisiert worden, wovon sie sich distanzieren will
„Mein Video […] wurde um eine Minute verkürzt, bearbeitet und instrumentalisiert, um die Weltanschauung und Interessen einer bestimmten Zielgruppe zu verbreiten. Und davon möchte ich mich klar distanzieren und klarstellen, dass ich weder diese Meinung noch diese Auffassung vertrete.“ Die Aufnahmen seien komplett zweck- und sinnentfremdet und irreführend verbreitet worden.
Im Video selbst sagt die Instagram-Nutzerin zwar nicht, um welches Krankenhaus es sich konkret handelte, aber aufgrund der Beschriftung der Bettwäsche haben wir bei Vivantes, einem lokalen Krankenhausbetreiber in Berlin, nachgefragt. Eine Sprecherin bestätigte uns die Aussagen der jungen Frau.
Aufnahmen stammen von einer Übung in einem Corona-Behandlungszentrum in Berlin Anfang September
Eine Sprecherin erläuterte uns am Telefon, dass die Aufnahmen im Video von einer Übung im Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße (CBZJ) stammten. Es werde bisher nicht für die Patientenversorgung benötigt. Am 10. September sei dort zwischen 13 und 15 Uhr eine Übung durchgeführt worden. Dies diente als Vorbereitung für den Fall, dass steigende Infektionszahlen eine Belegung der Reserveeinrichtung notwendig machen würden, wie auch in einer Pressemitteilung auf der Webseite von Vivantes vom 11. September zu lesen ist.
Solche Übungen seien üblich, erklärt die Sprecherin. „Damit man das realistisch üben kann, werden Patientendarsteller rekrutiert, die bestimmte Krankheitsbilder darstellen sollen.“ Im Normalfall werde in Krankenhäusern auf diese Weise ein Ausnahmezustand geübt. Bei dem CBZJ handele es sich um eine Reserveklinik, die erst dann zum Einsatz käme, wenn alle anderen Kapazitäten in Krankenhäusern für die Behandlung von Corona-Patienten ausgeschöpft wären.
Vivantes-Sprecherin: Die Übung wurde für interne Zwecke dokumentiert, es war keine externe Presse anwesend
An der Übung hätten rund 50 Mitarbeitende aus dem Vivantes-Kernteam sowie externe Freiwillige teilgenommen. Diese seien bereits am CBZJ geschult worden und hätten dabei geholfen, die Abläufe zu optimieren. Zudem hätten sich rund 70 Statistinnen und Statisten in der Rolle als Patienten beteiligt.
„Durchgespielt wurde die Aufnahme, Versorgung, Verlegung und Entlassung der fiktiven Corona-Patient*innen. Durch die verschiedenen Szenarien gaben die Patient*innen den Mitarbeitenden Aufgaben vor, die erfüllt werden mussten: so beispielsweise die Situation einer Luftnot, eine notwendige Reanimation, oder individuelle Wünsche wie die Unterstützung beim Toilettengang oder die Frage nach einem Getränk“, steht in der Pressemitteilung.
Die Patientendarsteller würden beispielsweise über Anfragen an Universitäten oder bestimmte Organisationen wie den Arbeiter-Samariter-Bund gefunden, sagte uns die Sprecherin von Vivantes. Das Ganze sei für interne Zwecke von einem Kamerateam begleitet worden. „Es war keine externe Presse dabei.“