Faktencheck

Positiver Corona-Test bei Apfelmus hat keine Aussagekraft

Experimente mit Lebensmitteln, die Corona-Schnelltests infrage stellen sollen, sind derzeit beliebt in Sozialen Netzwerken. Sie sagen jedoch gar nichts über deren Zuverlässigkeit aus. Antigen-Tests sind für menschliche Proben ausgelegt, daher funktionieren sie auch nur damit korrekt. 

von Alice Echtermann

Corona-Test mit Apfelmus
In einem Video wird ein Corona-Schnelltest mit Apfelmus durchgeführt. Das „Experiment“ soll wohl zeigen, dass die Tests unzuverlässig seien – sagt aber nichts über die professionelle Anwendung bei Menschen aus. (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV)
Behauptung
Ein Corona-Schnelltest reagiere positiv auf Apfelmus.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Ein solches Experiment sagt nichts über die Zuverlässigkeit des Antigen-Tests bei Menschen aus.

In einem Video ist zu sehen, wie jemand mit Gummihandschuhen einen Corona-Schnelltest und eine Packung „Fruchtdessert“ mit Apfelmus öffnet. Mit einem Stäbchen wird etwas Dessert entnommen, in einem Röhrchen mit einer Flüssigkeit vermischt und dann auf den Test geträufelt. Nach einiger Zeit erscheinen auf dem Test zwei Linien. Und im Video werden folgende Worte eingeblendet: „Apfelmus – positiv.“ Das Video verbreitete sich hundertfach auf Facebook (zum Beispiel hier und hier). 

Solche „Experimente“ mit Lebensmitteln sind derzeit ein beliebtes Mittel, mit dem die  Zuverlässigkeit von Corona-Tests infrage gestellt werden soll (CORRECTIV berichtete).

Im Video wurde ein Antigen-Schnelltest verwendet. Das Ergebnis des „Experiments“ mit Apfelmus ist jedoch nicht aussagekräftig. Es lässt keine Schlüsse darüber zu, ob der Test bei Menschen zuverlässig eine Infektion mit SARS-CoV-2 anzeigt oder nicht. 

Welche Testmethoden gibt es?

Es gibt laut Robert-Koch-Institut verschiedene Testmethoden für SARS-CoV-2. Als „Goldstandard“ gelte der PCR-Test, bei dem genetisches Material des Virus im Labor nachgewiesen wird (direkter Erregernachweis). 

Die zweite Testmethode sind Antikörper-Nachweise (indirekter Erregernachweis). Diese weisen nach, ob jemand in der Vergangenheit mit SARS-CoV-2 infiziert war und Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Laut RKI lassen diese Tests aber keine eindeutigen Schlüsse darüber zu, ob jemand ansteckend oder immun ist. 

Eine dritte Methode sind Antigen-Tests – ein solcher wurde in dem Video mit dem Apfelmus verwendet. „Das Antigen-(Schnell-)testformat basiert auf dem Nachweis von viralem Protein in respiratorischen Probenmaterialien“, schreibt das RKI. Diese Test seien aber nicht so genau wie PCR-Tests und daher nicht so zuverlässig. „Ein positives Testergebnis bedarf zur Vermeidung falsch-positiver Befunde einer Nachtestung mittels PCR. […] Ein negatives Ergebnis im Antigentest schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn eine niedrige Viruslast vorliegt […].“

Apfelmus wurde mit Antigen-Test getestet

Die Verpackung des Tests im Video lässt darauf schließen, dass es sich um einen „Antigen Rapid Test“ der Firma Medsan handelt. Medsan ist ein deutsches Unternehmen für Medizinprodukte mit Sitz in Hamburg. Auf Nachfrage teilte uns ein Sprecher, Kai Markus Xiong, per E-Mail mit, es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Test im Video um einen Originaltest handele – auch wenn es immer wieder „Fake-Produkte“ gebe. 

Das angezeigte Ergebnis mit zwei Linien bedeute tatsächlich, dass der Test positiv ist. „Wäre dies ein ernst zu nehmender Test bei einem Menschen, würde gemäß deutscher Testverordnung hier sofort ein PCR-Test zur Bestätigung gemacht werden müssen.“

Antigen-Test von Medsan
Die Packung zeigt: Es handelt sich offenbar um einen Antigen-Test der Firma Medsan. (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV)

Bei einem Antigen-Test wird eine Puffer-Lösung verwendet – das ist die Flüssigkeit, in der das Stäbchen in der Röhre rotiert wurde. Der Puffer ist nach Angaben des Sprechers unter anderem dazu da, Lebensmittel zu neutralisieren, doch für „eine derart große Menge Apfelmus“ sei er nicht ausgelegt. „Dies ist eine Zweckentfremdung des Produktes.“ Es werde für einen Einsatz benutzt, für den es weder vorgesehen noch validiert wurde. „Da das Produkt für Fachanwender konzipiert wurde, wird auch kein Test bei vollem Mund mit Apfelmus durchgeführt. Klingt lustig, ist aber tatsächlich ernst gemeint. Solche Überlegungen spielen bei der Produktentwickung natürlich immer einen Rolle.“

Dies bedeute nicht, dass der Test auch bei Menschen verfälschte Ergebnisse liefern würde, so Xiong weiter. Problematisch wäre der Test lediglich „bei Betrunkenen, die sich gerade übergeben hatten, bei Patienten mit Brechreizen oder ähnlichem“. Auch Störsubstanzen wie Medikamente würden von den Herstellern überprüft. 

E-Mail des Sprechers von Medsan
Die E-Mail des Sprechers der Firma Medsan / Sana-Group (Screenshot: CORRECTIV)

Tests mit Lebensmitteln sagen nichts über die Zuverlässigkeit bei professioneller Anwendung aus 

Auch die Faktenchecker von AFP haben das Apfelmus-Video bereits überprüft. Auf ihre Anfrage führten Mitarbeiter von Medsan auch selbst Tests mit verschiedenen Lebensmitteln, Glasreiniger und Desinfektionsmittel durch – und erhielten ein positives Testergebnis für das Desinfektionsmittel und ein schwach positives Testergebnis für Erdbeermarmelade. 

AFP zitierte zudem Thomas Decker, Professor für Immunbiologie an der Universität Wien, unter anderem mit den Worten, es sei kein Kunststück, die Bedingungen eines solchen Tests so zu verfälschen, dass er falsche Ergebnisse liefert: „Ebenso könnte man sich darüber mokieren, dass ein Auto nicht mehr fährt, wenn man Apfelmus in den Tank füllt.“ 

Ein Sprecher des österreichischen Sozialministeriums teilte uns auf Anfrage für einen anderen Faktencheck mit, Lebensmittel könnten bei einem Rachenabstrich das Ergebnis eines Antigen-Tests theoretisch tatsächlich verfälschen. Deshalb werde auch bei allen Tests, die auf diese Art genommen werden, angegeben, dass man zwei Stunden vorher nichts essen und keine Softdrinks konsumieren solle. 

Meist wird der Abstrich für einen Corona-Test nach Recherchen von CORRECTIV jedoch ohnehin nicht im Rachen, sondern am Nasenrachen genommen (mit einem Stäbchen durch die Nase). Dort ist die Viruslast am höchsten und die Qualität des Abstrichs nach Ansicht von Experten daher besser. 

Positive Antigen-Tests werden mit PCR-Tests überprüft

Antigen-Tests haben den Vorteil, dass sie innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis liefern. Sie sind aber weniger zuverlässig als PCR-Tests, das betont auch das Robert-Koch-Institut. Aktuelle Medienberichte bestätigen das. So berichtete das ZDF kürzlich von mehreren Fällen in Deutschland, in denen Mediziner infiziert und ansteckend waren und die Antigen-Schnelltests dennoch mehrfach negativ ausfielen. 

Antigen-Tests wurden laut RKI erst im Oktober in die Nationale Teststrategie in Deutschland integriert. Die Schnelltests sollten nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden und möglichst nur bei Personen, „bei denen ein falsch negatives Ergebnis nicht zu schwerwiegenden Konsequenzen führt“. Bei positiven Ergebnissen solle grundsätzlich eine Bestätigung durch einen PCR-Test erfolgen.

Auszug aus den Informationen des RKI zur Nationalen Teststrategie. (Screenshot: CORRECTIV)

Fallzahlen in Deutschland beruhen nicht auf Antigen-Tests

Wie viele Antigen-Tests derzeit in Deutschland durchgeführt werden, ist dem Robert-Koch-Institut nach Angaben von Pressesprecherin Susanne Glasmacher nicht bekannt. Die gemeldeten Fallzahlen können jedoch nicht durch falsch-positive Antigen-Tests verfälscht werden. „Die vom RKI veröffentlichten Fälle sind sämtlich PCR-bestätigt“, schreibt uns Glasmacher per E-Mail. 

In Deutschland sind zahlreiche Antigen-Tests verschiedener Hersteller verfügbar. Eine Liste findet sich auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArmM). Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Mindestkriterien festgelegt für Antigen-Tests, die auf dem deutschen Markt erhältlich sind. Dazu gehören Kriterien für die Sensitivität und Spezifität – also die Zuverlässigkeit, mit der die Tests Infizierte als infiziert beziehungsweise Gesunde als gesund erkennen. 

Das PEI führt zudem selbst kontinuierlich vergleichende Analysen zur Sensitivität von Antigen-Tests durch. Tests, die dabei durchfallen und nicht dem „Stand der Technik“ entsprechen, werden laut PEI aus der Liste des BfArM entfernt.

Fazit: Das „Experiment“ mit Apfelmus ist eine Zweckentfremdung des Antigen-Tests und das positive Ergebnis daher nicht aussagekräftig. Es stimmt, dass sich die Testergebnisse mit Lebensmitteln theoretisch verfälschen lassen. Deshalb ist der Test auch nur für den professionellen Gebrauch zulässig. Darüber, ob er bei Menschen das Virus SARS-CoV-2 zuverlässig erkennen kann, sagt ein Test mit Apfelmus nichts aus. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Antigen-Test auf der Webseite von Medsan: Link
  • Faktencheck von AFP: Link
  • RKI-Hinweise zur Testung auf SARS-CoV-2: Link
  • Nationale Teststrategie Deutschland: Link
  • Liste verfügbarer Antigen-Test des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte: Link
  • Mindestkriterien für Antigen-Tests des Paul-Ehrlich-Instituts: Link
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