Was kostet das Fahren mit Elektroautos? Facebook-Beitrag geht von unrealistisch hohen Verbrauchswerten und Strompreisen aus
Auf Facebook wird eine irreführende Berechnung verbreitet: Das Laden eines Elektroautos koste angeblich mehr als einen Euro pro Kilowattstunde – somit liege der Preis für eine Ladung bei mehr als 87 Euro, und 100 Kilometer zu fahren koste 29 Euro. Damit werden die Kosten für Elektromobilität übertrieben dargestellt.
In einem Facebook-Beitrag, der bisher mehr als 2.000 Mal geteilt wurde, wird behauptet: Weil der Stromtanksäulen-Betreiber Ionity im Januar den Preis auf 1,09 Euro pro Kilowattstunde (kWh) erhöht habe, koste ein üblicher Ladevorgang eines Elektroautos nun mehr als 87 Euro. Der Preis pro 100 Kilometer liege bei 29 Euro.
Diese Darstellung ist nach unseren Recherchen irreführend. Es fehlt wesentlicher Kontext und die Werte, die der Berechnung zugrunde liegen, sind unrealistisch hoch angesetzt.
Ionity ist ein Joint-Venture verschiedener großer Automobilkonzerne, darunter BMW und Mercedes-Benz. Es stellt ein Netzwerk von öffentlichen Ladesäulen für Elektroautos zur Verfügung. Ionity verspricht dabei besonders kurze Ladezeiten. Laut einer Preisliste auf der Webseite kostet die Kilowattstunde in Deutschland für Direktkunden aktuell 79 Cent.
Wie kommt es also zu der Behauptung, der Preis von Ionity betrage 1,09 Euro?
Im Dezember 2020 und Januar 2021 gab es tatsächlich Medienberichte über die geplante Preiserhöhung (hier, hier und hier). Konkret hieß es, diese gelte ab Mitte Januar 2021. Die Preiserhöhung kam aber nicht von Ionity selbst, sondern von dem Mobilitätsanbieter Plugsurfing.
Plugsurfing erhöhte Anfang 2021 seine Preise
Plugsurfing ist eine Art Abrechnungssystem für Besitzer von Elektroautos, mit denen diese bei verschiedenen Anbietern von Ladesäulen tanken können – also auch bei Ionity. Die App navigiert das Fahrzeug zur nächsten Ladesäule, und man bezahlt zentral über Plugsurfing anstatt direkt an die verschiedenen Ladesäulenbetreiber.
Anfang des Jahres schaffte Plugsurfing sein Abo-Modell für Deutschland ab und führte Festpreise ein. Und hier gilt dann tatsächlich seit dem 15. Januar 2021, dass die Kilowattstunde an Ionity-Säulen 1,09 Euro kostet.
Es ist also nicht so, dass eine Kilowattstunde Strom für ein Elektroauto überall 1,09 Euro kostet. Dieser Preis gilt nur, wenn man an einer Ionity-Schnellladesäule tankt und über Plugsurfing bezahlt. An anderen Ladesäulen nimmt Plugsurfing pro kWh 49 Cent (reguläres Laden, Wechselstrom) oder 59 Cent (Schnellladen, Gleichstrom).
Grundsätzlich speichern Batterien von Elektroautos nur Gleichstrom (DC). AC-Ladesäulen liefern Wechselstrom (AC), also muss der Strom vom Auto umgewandelt werden. DC-Ladesäulen wie die bei Ionity, wandeln selbst den Strom um, weshalb das Laden schneller geht.
Schnellladesäulen sind grundsätzlich teurer
Ein Preis von einem Euro pro kWh, wie der Tarif von Plugsurfing, ist nicht üblich. Preise um die 40 Cent pro kWh sind realistischer. Der ADAC listet auf seiner Webseite verschiedene Tarife von Ladesäulenbetreibern auf. Ein Preisvergleich ist schwierig, denn teilweise werden die Preise auch nach Ladezeit abgerechnet, und manche Betreiber haben monatliche Grundgebühren. Von denjenigen in der Liste des ADAC, die pro Kilowattstunde berechnen, nimmt aber keiner mehr als 50 Cent pro kWh.
Das Onlineportal „Lichtblick“ nannte in einer Auswertung im Oktober 2020 Preise zwischen 31 und 52 Cent. Wer sein Auto mit der DC-Technologie schneller aufladen wolle, zum Beispiel an einer Schnellladesäule von Ionity, zahle mehr.
Effizienz von Elektroautos ist sehr verschieden
In dem Facebook-Beitrag wird weiter behauptet, ein Ladevorgang von 80 kWh sei „bei einem größeren Akku an der Tagesordnung“. Wenn diese Ladung 87,20 Euro koste, seien das bei einer „geladenen Reichweite von 300 Kilometern“ 29 Euro pro 100 Kilometer.
Diese Rechnung setzt voraus, dass das Elektroauto auf 300 Kilometer 80 kWh verbraucht. Das sind 26,7 kWh pro 100 Kilometer. Das mag auf manche Modelle zutreffen, die meisten Elektroautos verbrauchen aber viel weniger.
Der ADAC hat im Januar 2021 einen Test veröffentlicht, bei dem der Stromverbrauch verschiedener Elektroautos pro 100 Kilometer gemessen wurde. Die Hälfte lag unter 20 kWh. Mehr als 26 kWh verbrauchten lediglich drei Modelle, gebaut von Jaguar, Mercedes und Nissan.
Stromverbrauch lässt sich nicht pauschal berechnen
In dem ADAC-Testbericht wird die Kapazität der Batterien der verschiedenen Elektroautos nach Herstellerangabe angegeben. Manche haben kleine Batterien mit etwa 32 kWh, andere sehr große mit mehr als 90 kWh. Die Reichweite von Elektroautos hänge aber nicht nur mit der Größe der Batterie zusammen. Manche Autos seien effizienter als andere. Zudem benötigten manche Batterien durch sogenannte Ladeverluste mehr Strom als offiziell angegeben, um voll zu laden.
So hat ein Mercedes EQC 400 AMG Line eine 80-kWh-Batterie, brauchte aber im ADAC-Test 93 kWh, um voll geladen zu sein. Mit dieser Ladung kam das Auto dann 335 Kilometer weit. Pro 100 Kilometer verbrauchte das Auto also rund 28 kWh.
Dieselbe Reichweite von 335 Kilometern hatte laut ADAC jedoch auch ein Renault Zoe R135 Z.E. mit einer 52-kWh-Batterie. Dieses Modell brauchte im Test 64,3 kWh, um voll geladen zu sein. Das Auto verbrauchte also rund 19 kWh pro 100 Kilometer.
Fazit: Die Rechnung in dem Facebook-Beitrag stellt die Kosten für das Fahren mit Elektroautos übertrieben dar – sie nimmt einen besonders hohen Strompreis (1,09 Euro pro kWh) und einen hohen Verbrauch durch das Auto (26,7 kWh pro 100 Kilometer) als Beispiel.
Eine Beispielrechnung mit Preisen im Mittelfeld zeigt, dass die Kosten deutlich niedriger ausfallen können: Mit einem Stromverbrauch von 20 kWh pro 100 Kilometer und einen Strompreis von 40 Cent pro kWh, würden 100 Kilometer nur acht Euro kosten.
Redigatur: Tania Röttger, Till Eckert