Faktencheck

Bundestagswahl: RT DE führt mit Behauptungen über OSZE-Wahlbeobachter in die Irre 

Das russische Medium RT DE behauptet, die OSZE entsende in diesem Jahr viel weniger Wahlbeobachter zur Bundestagswahl nach Deutschland als 2017. Der Bericht lässt jedoch entscheidende Details aus und führt so in die Irre.

von Alice Echtermann

Briefwahl Einwurf
Das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte hat in den vergangenen drei Jahren kleine Teams nach Deutschland entsandt, um Bundestagswahlen zu beobachten (Symbolfoto: Picture Alliance / Sulupress.de / Dirk Pagels) 
Behauptung
Die diesjährigen Bundestagswahlen werden nur von vier OSZE-Beobachtern aus drei Ländern begleitet. 2017 waren es noch 59 Beobachter und Experten aus 25 Ländern.
Bewertung
Teilweise falsch
Über diese Bewertung
Teilweise falsch. Die zuständige Abteilung der OSZE entsendet seit mehreren Jahren ledigliche kleine Expertenteams zu den Wahlen nach Deutschland. 2017 bestand das Team aus drei Personen, 2021 sind es vier. Ein zusätzlicher Sonderbesuch von 56 Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung der OSZE 2017 war keine reguläre Beobachtungsmission, sondern hatte vor allem Symbolcharakter.  

In einem Artikel behauptet das staatliche russische Medium RT DE, bei der Bundestagswahl 2021 würden viel weniger Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingesetzt als 2017. Im Jahr 2017 seien es 59 gewesen, 2021 dagegen nur vier. 

Der Artikel besteht aus der Abschrift einer Szene während der Regierungspressekonferenz am 22. September. Dort fragte der Journalist Florian Warweg von RT DE, wie die Bundesregierung die Differenz zwischen den beiden Jahren erkläre. Der anwesende Pressesprecher des Innenministeriums, Marek Wede, antwortete, er habe zu dieser Frage keine Informationen. Andrea Sasse vom Auswärtigen Amt ergänzte, die Anfrage müsse RT DE an die zuständige Stelle der OSZE richten. RT DE schreibt anschließend in seinem Artikel, die Regierung verweigere die Antwort auf die Frage. 

Der Bericht suggeriert, dass es bei der Bundestagswahl 2021 zu Wahlbetrug kommen könne, weil so wenige Wahlbeobachter nicht in der Lage wären, Unregelmäßigkeiten zu entdecken. Die Aussage ist irreführend. Die Größe der OSZE-Missionen zur Wahlbeobachtung in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. 2017 waren einmalig wesentlich mehr Wahlbeobachter anwesend – vor allem aus symbolischen Gründen.  

OSZE entsendet seit mehreren Jahren kleine Expertenteams zu Bundestagswahlen

RT DE verlinkt in seinem Artikel auf ein Dokument der OSZE, das zeigt, dass tatsächlich vier Personen im „Election Expert Team“ der OSZE für die Bundestagswahl am 26. September 2021 sind. Ein kurzer Blick auf die Webseite der OSZE zeigt jedoch, dass auch 2017 ein Expertenteam entsandt wurde – und dass es damals aus drei Personen bestand. 

Election Expert Team 2021
Anzahl der Mitglieder im Election Expert Team der OSZE für die Bundestagswahl 2021 (Quelle: OSCE / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Election Expert Team 2017
Anzahl der Mitglieder im Election Expert Team für die Bundestagswahl 2017 (Quelle: OSCE / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zum Verständnis: Die OSZE hat eine spezielle Abteilung, das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), das Wahlbeobachter in OSZE-Mitgliedsländer entsendet. Diese sollen beobachten, ob Wahlen frei und nach demokratischen Kriterien ablaufen. Eine richtige Wahlbeobachtungsmission des ODIHR besteht aus einem Kernteam von Expertinnen und Experten, außerdem gibt es Langzeit- und Kurzzeitbeobachtende. 

Sowohl 2013 als auch 2017 und 2021 hat das ODIHR keine große Beobachtungsmission in Deutschland durchgeführt, sondern nur ein kleines Expertenteam geschickt. Das Büro erklärte, dass das Team den Wahl- oder Auszählungsprozess nicht detailliert überwache, sondern nur eine kleine Anzahl Wahllokale über Deutschland verteilt besuchen werde. 2013 bestand das Expertenteam aus zwei Personen. In anderen Ländern führt das ODIHR größere Missionen durch, zum Beispiel bei lokalen Wahlen in Georgien am 2. Oktober 2021

2017 gab es zusätzlich einen Sonderbesuch von OSZE-Parlamentariern bei der Bundestagswahl

Die Zahl 59, die RT DE nennt, bezieht sich auf etwas anderes: einen zusätzlichen Besuch von 56 Personen, darunter 43 Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, der bei der Bundestagswahl 2017 stattfand. Laut Auswärtigem Amt gab es 2017 zum ersten Mal so einen Besuch. 

Der Besuch wurde nicht vom ODIHR organisiert und hatte offenbar vor allem symbolischen Charakter, wie sich Medienberichten von 2017 entnehmen lässt. So schrieb die Süddeutsche Zeitung, der Hintergrund sei kein Misstrauen gegen Deutschland. Es gehe eher darum, dass Deutschland als Vorbild ein Zeichen für Offenheit setze, wird ein ehemaliger Sprecher des ODIHR zitiert. In einer Pressemitteilung zog die OSZE 2017 anschließend die Bilanz, der Besuch habe gezeigt, wie groß das Vertrauen in die Demokratie in Deutschland sei. „Deutschland hat wieder einmal bewiesen, dass es die Aufrechterhaltung von demokratischen Standards sehr ernst nimmt und ihrer Erfüllung in jeder Weise nachkommt”, wird George Tsereteli, Sonderkoordinator der Wahlbeobachtermission der Parlamentarischen Versammlung, zitiert.

Die Sprecherin des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, Katya Andrusz, erklärte uns am Telefon, die ODIHR-Mission 2021 sei die gleiche wie 2017 und 2013. Die Entscheidung, 2021 ein kleines Expertenteam zu senden, sei nach zahlreichen Gesprächen in Deutschland getroffen worden. Man habe mit allen im Bundestag vertretenen Parteien geredet sowie mit Personen aus dem Innen- und Außenministerium und dem Bundeswahlleiter und sich die Bedenken und Themen zur Wahl angehört. Die daraus resultierte Analyse hat die OSZE auch veröffentlicht

Reporter von RT DE erzeugt einen falschen Eindruck 

Dieser Kontext fehlt bei der Behauptung von RT DE. Es wird suggeriert, die OSZE entsende 2021 viel weniger Wahlbeobachter nach Deutschland als normalerweise, und dies sei ein Problem. 

In der Regierungspressekonferenz fragte der Reporter Florian Warweg: „Die diesjährigen Bundestagswahlen werden nur von vier OSZE-Beobachtern aus drei Ländern begleitet. 2017 waren es noch 59 Beobachter und Experten aus 25 Ländern. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung diese Differenz erklärt. Glaubt Sie, dass diese vier Beobachter bei mehr als 60 Millionen Wahlberechtigten ausreichen, um diesen Wahlprozess entsprechend zu begleiten?“ Damit erzeugt er den falschen Eindruck, die Bundestagswahl 2021 sei unsicherer als 2017. 

Redigatur: Tania Röttger, Matthias Bau

Update, 27. September 2021: Wir haben eine Information korrigiert. Nicht Marek Wede vom Innenministerium sondern Andrea Sasse vom Auswärtigen Amt sagte auf der Pressekonferenz zu dem RT-Reporter, er müsse sich mit seiner Frage an die OSZE wenden. 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • OSZE-Wahlbeobachtung 2013: Link
  • OSZE-Wahlbeobachtung 2017: Link
  • OSZE-Wahlbeobachtung 2021: Link
  • Pressemitteilung zur Sondermission von OSZE-Parlamentariern 2017: Link
  • Auswärtiges Amt über die Wahlbeobachtung durch die OSZE 2017: Link
  • Abschrift der Regierungspressekonferenz am 22. September 2021: Link
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