„Es gibt kein Volk“: Zitat von Robert Habeck wird aus dem Kontext gerissen
Auf Facebook kursiert ein Bild von Robert Habeck mit dem Zitat „Es gibt kein Volk, und es gibt deswegen auch keinen Verrat am Volk“. Den Satz hat der Grünen-Politiker tatsächlich gesagt, allerdings als Antwort auf die Frage, was er mit dem Begriff „Volksverräter“ verbinde. Der Facebook-Beitrag lässt diesen Kontext weg und führt so in die Irre.
In einem Facebook-Beitrag, der rund 2.000 Mal geteilt wurde, wird dem Co-Bundesvorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, unterstellt, er habe gesagt: „Es gibt kein Volk, und es gibt deswegen auch keinen Verrat am Volk.“
Das stimmt, Habeck hat sich im Jahr 2018 tatsächlich so geäußert. Allerdings fehlt dem Zitat auf Facebook weiterer Kontext: Habeck wurde in einem Interview um seine Assoziationen zu dem Begriff „Volksverräter“ gebeten. Er erklärte, dass er das Wort ablehne, weil es sich dabei um einen „Nazi-Begriff“ handele, der dazu diene, Menschen zu stigmatisieren.
Interview von 2018: Robert Habeck wurde nach seiner Assoziation zum Begriff „Volksverräter“ gefragt
Als Quelle für das Zitat wird in dem Bild auf Facebook ein Interview des Formats „Informr“ des öffentlich-rechtlichen Senders Funk von April 2018 angegeben. In dem Video wird ein sogenanntes „Blitz-Interview“ geführt. Es werden Habeck Stichwörter genannt, zu denen er „spontan, in einem Satz“ sagen soll, was ihm dazu einfällt. Im Laufe des knapp zweiminütigen Interviews äußert sich Habeck zu Begriffen wie „Marktwirtschaft“, „Bitcoin“, „Europa“ und „Volksverräter“.
Auf den Begriff „Volksverräter“ erwidert Habeck: „Das ist ein Nazibegriff. Es gibt kein Volk, und es gibt deswegen auch keinen Verrat am Volk. Das ist ein böser Satz, um Menschen auszugrenzen und zu stigmatisieren.“
Am 8. Mai 2018 veröffentlichte Habeck auf seinem persönlichen Blog einen Beitrag, in dem er von Anfeindungen aufgrund seiner Aussage berichtet. In Tweets sei das Zitat teils beliebig umgeschnitten und damit der Zusammenhang, „nämlich der Volksbegriff der Nazis, bewusst ignoriert und ausgeblendet“ worden.
„Volksverräter“-Begriff ist NS-belastet
Der Literaturwissenschaftler Victor Klemperer bemerkte laut Bundeszentrale für politische Bildung bereits 1947 in einer Studie zu Sprachveränderungen während des NS-Regimes, dass das Wort „Volk“ im Dritten Reich zunehmend verwendet wurde: „’Volk’ wird jetzt beim Reden und Schreiben so oft verwandt wie Salz beim Essen, an alles gibt man eine Prise Volk: Volksfest, Volksgenosse, Volksgemeinschaft, volksnah, volksfremd, volksentstammt …“
Auch das Wort „Volksverräter“ wurde in der NS-Zeit vermehrt gebraucht. Während des NS-Regimes wurde der „Volksverrat“ laut Gesellschaft für deutsche Sprache erstmals als Straftatbestand eingeführt. Zuvor habe es einen ähnlichen Straftatbestand gegeben, nämlich den Landesverrat. Erst mit dem Wort „Volksverrat” sei jedoch eine Abgrenzung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen entstanden.
Das Wort „Volksverräter“ wird auch aktuell noch diffamierend verwendet
In der jüngere Vergangenheit wurden laut Bundeszentrale für politische Bildung „Volksverräter“-Rufe regelmäßig auf Pegida-Demonstrationen zur Bezeichnung von Medien und Politik skandiert.
Die „Unwort des Jahres“-Jury kritisierte im Jahr 2016 den Gebrauch des Begriffs: „Als Vorwurf gegenüber PolitikerInnen ist das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, dass ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt.“
Laut der Jury steht der Wortbestandteil „Volk“ in „Volksverräter“ „ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt“.
Roberts Habecks Aussagen zum Volksbegriff beziehen sich also auf dessen Auslegung im Wort „Volksverräter“ und nicht auf den Begriff „Volk“ allgemein. Der Facebook-Beitrag, in dem Habecks Zitat wiedergegeben wird, erwähnt diesen Kontext nicht und ist insofern irreführend.
Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann