Faktencheck

Nein, dieses Video zeigt kein einstürzendes Gebäude bei den Erdbeben in der Türkei

Ein Video soll zeigen, wie ein Gebäude in der Türkei durch die Erdbeben am 6. Februar einstürzte. Zwar gibt es zahlreiche zerstörte Gebäude in der türkisch-syrischen Grenzregion, doch dieses Video ist veraltet. Es zeigt ein Gebäude in Dschidda, Saudi-Arabien.

von Kimberly Nicolaus

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Dieses Video soll zeigen, wie ein Gebäude in der Türkei infolge der Erdbeben eingebrochen sei, die sich am 6. Februar in der türkisch-syrischen Grenzregion ereigneten (Quelle: Twitter; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige den Einsturz eines Gebäudes in der Türkei bei den Erdbeben am 6. Februar.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Die Videoaufnahme ist veraltet und zeigt keinen Ort in der Türkei. Das Gebäude stand an einer Hauptstraße in Dschidda, Saudi-Arabien.

Starke Erdbeben erschütterten am Montag den Südosten der Türkei und Regionen in Syrien. Bislang gibt es mehr als 11.000 Opfer und mehr als 49.000 Verletzte (Stand: 8. Februar). Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Notstand für die zehn vom Erdbeben betroffenen Provinzen ausgerufen. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten in beiden Ländern bis zu 23 Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen sein. 

Zu den Erdbeben kursiert online zahlreiches authentisches Bildmaterial. Doch auch Aufnahmen, die aus dem Kontext gerissen wurden, verbreiten sich in Sozialen Netzwerken. So etwa ein Video, das ein Nutzer mit dem Namen „Turkey Earthquake News“ auf Twitter veröffentlichte. Dieses Video wird auch in deutschsprachigen Beiträgen verbreitet und wurde auf Tiktok bereits über 11 Millionen Mal angezeigt. 

Auf Twitter veröffentlichte der Nutzer „Turkey Earthquake News“ dieses Video und behauptete, es stehe in Zusammenhang mit den Erdbeben in der Türkei vom 6. Februar. Doch das stimmt nicht. (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Video zeigt nicht Gebäudeeinsturz nach Erdbeben in der Türkei

Der Twitter-Nutzer, der am 6. Februar das Video veröffentlichte, schreibt, Nutzerinnen und Nutzer sollten dem Profil für Nachrichten zur Erdbebenkatastrophe folgen. Doch das im Januar 2023 erstellte Profil hieß zuvor „Bitcoin 2009“ und veröffentlichte bis zum 6. Februar überwiegend Inhalte mit Bitcoin-Bezug (hier und hier) – keine Nachrichten. In der Profilbeschreibung ist eine Webseite verlinkt, die zu einem Onlineshop für Tassen und T-Shirts führt. 

Über eine Bilderrückwärtssuche finden wir das Video mehrfach auf Tiktok. Auf der Plattform finden wir auch eine Videoversion, in dem ein Tiktok-Nutzername zu sehen ist: user966562349420. 

Dasselbe Video wurde bereits von einem anderen Nutzer am 16. Januar auf Tiktok veröffentlicht, also noch bevor Erdbeben die türkisch-syrische Grenzregion am 6. Februar erschütterten (Quelle: Tiktok; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Suche mit diesem Nutzernamen auf Tiktok führt zu demselben Video. Es wurde schon am 16. Januar 2023 veröffentlicht, also vor den schweren Erschütterungen in der Türkei und in Syrien am 6. Februar. Dazu steht in Arabisch: „Old Mecca Road“. 

Laut einer Google-Suche mit diesen Stichworten steht das Hochhaus im Video an der „Old Mecca Moukarramah Road“ in Dschidda, Saudi-Arabien. Die Suche führt auch zu einem Youtube-Video, das am 19. Januar 2023 veröffentlicht wurde und im Titel denselben Straßennamen nennt. Es zeigt dieselbe Aufnahme vom Einsturz des Gebäudes. 

Ein Twitter-Nutzer verlinkte unter dem Beitrag von „Turkey Earthquake News“ ein weiteres Youtube-Video vom 12. April 2022, welches ebenfalls dasselbe Gebäude zeigt. Auch in der Beschreibung dieses Videos steht die Ortsangabe Dschidda, Saudi-Arabien. 

Das Gebäude aus dem Tiktok-Video (links und mittig), das angeblich in der Türkei bei den Erdbeben am 6. Februar eingestürzt sein soll, stand in Wahrheit an der „Old Mecca Moukarramah Road“ in Dschidda, Saudi-Arabien, wie die Videoaufnahme (rechts) belegt (Quelle: Tiktok / Youtube; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Im rund 15-minütigen Videobeitrag ist zu sehen, wie eine Person entlang der Old Mecca Moukarramah Road fährt. Wir haben den Verlauf der Fahrt mit Satellitenaufnahmen von Google Earth abgeglichen. Anhand von Geschäften, Brücken und größeren Gebäuden konnten wir die Strecke rekonstruieren und das eingestürzte Gebäude in Dschidda finden. Auf Satellitenfotos von 2019 ist es noch intakt. Die charakteristische Fassade, der Grünstreifen in der Mitte der Fahrbahn und das Gebäude nebenan stimmen mit jenen aus den Tiktok- und Youtube-Videos überein. 

Das Youtube-Video (oben) zeigt denselben Ort wie die Aufnahme von Google Earth von Juni 2019 (unten): die Stadt Dschidda in Saudi-Arabien. Die Fassaden der zwei Gebäude und der Grünstreifen in der Mitte der Fahrbahn sind identisch. (Quelle: Youtube / Google Earth; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Videoaufnahme stammt also nicht von den Erdbeben am 6. Februar in der Türkei, sondern entstand zu einem früheren Zeitpunkt in Dschidda, Saudi-Arabien.

Seit den Erdbeben in der Türkei und Syrien am 6. Februar 2023 kursieren mehrere Aufnahmen, die angeblich Folgen der Katastrophe zeigen. Wir gehen potenziellen Falschmeldungen und Einsendungen dazu nach. Unsere Faktenchecks werden wir unter diesem Faktencheck ergänzen.

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl