Faktencheck

Tausendfach geteiltes Foto: Nein, diese Villa gehört weder Baerbock, noch steht sie bei Wien

In Sozialen Medien kursiert das Foto einer Villa, die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock angeblich gekauft haben soll. Doch die Villa steht weder bei Wien, wie behauptet wird, noch gehört sie laut Grundbucheintrag Baerbock. Investigative Recherchen fanden jedoch eine Spur zu einem russischen Oligarchen – und zu Putins Tochter.

von Gabriele Scherndl

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Diese Villa soll angeblich Annalena Baerbock gehören – doch sie gehört einer zypriotischen Firma mit Verbindungen nach Russland (Quelle: Tiktik; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Bild zeige eine Villa bei Wien, die Annalena Baerbock für sechs Millionen Euro gekauft habe.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Gebäude steht nicht in der Nähe von Wien, sondern in Kitzbühel, Tirol. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es Annalena Baerbock gehört. Die Villa gehört laut Grundbuch einer Firma auf Zypern, investigative Recherchen fanden eine Verbindung zu einem russischen Oligarchen.

Ein Pool, zwei Liegestühle, gleich mehrere Veranden und hohe Hecken: Diese Villa soll, so steht in Beiträgen in Sozialen Netzwerken, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock gekauft haben – für sechs Millionen Euro. Das Haus sei in der Nähe von Wien, heißt es weiter. Beiträge dieser Art kursieren in unterschiedlichen Versionen auf X, ehemals Twitter, Tiktok und Telegram und erreichen dort zehntausende Nutzerinnen und Nutzer.  

Doch das Foto zeigt kein Haus bei Wien, sondern eins in Kitzbühel. Laut Grundbuch gehört es einer ​​zypriotischen Firma, investigative Recherchen fanden aber Hinweise darauf, dass ein enger Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin in Verbindung mit der Villa steht. 

Und: Von Korruptionsermittlungen gegen Baerbock, wie in manchen Beiträgen berichtet wird, weiß man in Österreich bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nichts. 

In einem Tiktok-Beitrag werden das Foto einer Villa und ein Foto von Annalena Baerbock gezeigt.
Ein Tiktok-Nutzer behauptet, Bundesaußenministerin Baerbock habe dieses Haus für sechs Millionen Euro gekauft. Dafür gibt es keinerlei Belege. Dennoch wurde der Beitrag vielfach auf Tiktok geteilt. (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Foto zeigt ein Haus in Kitzbühel, Tirol – das gehört einer Firma aus Zypern

Über eine Bilder-Rückwärtssuche stoßen wir auf mehrere Medienberichte, in denen es heißt, die Villa stehe in Kitzbühel, Tirol – also zwar in Österreich, aber hunderte Kilometer von Wien entfernt. Die genaue Adresse: am Oberleitenweg 31b. Der Vergleich von Bildern aus verschiedenen Berichten mit jenem, das in Sozialen Netzwerken kursiert, zeigt, dass es sich tatsächlich um dasselbe Haus handelt. 

Drei Fotos von einem Haus aus unterschiedlichen Perspektiven. Details, die sich überschneiden, sind markiert.
Dass das Foto, das in Sozialen Netzwerken geteilt wird, jenes Haus in Kitzbühel zeigt (links), wird an einigen Details klar: Etwa am Pool, der Veranda und den Masten an der Straße vor dem Haus. (Quellen: Tiktok, Delfi, OCCRP; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Faktencheck-Team der AFP hat vor Ort überprüft, ob es Hinweise auf Baerbock gibt – und keine gefunden. Und: Eine Abfrage von CORRECTIV.Faktencheck im österreichischen Grundbuch zeigt: Das Gebäude gehört einem Unternehmen in Zypern, genauer der Wayblue Investments Limited. Im Januar 2013 wurde der Kaufvertrag geschlossen. 

Ein Grundbuchauszug zeigt den Namen der Wayblue Investments Limited.
Ein Auszug aus dem österreichischen Grundbuch zeigt, dass das Gebäude der Wayblue Investments Limited gehört, ein Unternehmen aus Zypern (Quelle: firmengrundbuch.at; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Doch laut investigativen Recherchen ist unklar, wer hinter diesem Unternehmen steckt, Spuren führen nach Russland. Die im Juni veröffentlichten „Rotenberg Files“, bei denen unter anderem das OCCPR und der österreichische Standard mitwirkten, rechnen das Haus dem Putin-Vertrauten Arkadi Rotenberg zu – ein Oligarch, der 2014 von der EU sanktioniert wurde und dessen Vermögen in der EU deshalb eingefroren sein sollte. Das Haus könnte auch von Putins Tochter genutzt worden sein, lassen Berichte von Nachbarn vor Ort sowie Grundstücksdokumente vermuten. Abschließende Belege dafür fehlen jedoch.

Nach der Enthüllung entschied das Landesverwaltungsgericht Tirol, dass die Villa nicht länger als Freizeitwohnsitz genutzt werden dürfe – der Entscheid dazu ist anonymisiert, doch auch Medien berichteten darüber. Laut Landesverwaltungsgericht hat seit 2013, als die Villa in den Besitz der Firma auf Zypern überging, niemand einen Wohnsitz in dem Anwesen gemeldet. Von Außenministerin Baerbock ist in keinem der Texte die Rede. Abgesehen von alledem: Die Villa wurde wurde laut der Recherchen nicht für sechs Millionen Euro gekauft, sondern für fast elf Millionen Euro. Wie viel das Haus heute wert ist, ist unklar. 

Die angeblichen Korruptionsermittlungen gegen Baerbock gibt es nicht

In manchen Beiträgen heißt es, die Staatsanwaltschaft wolle Baerbock wegen Korruption anklagen. Welche Staatsanwaltschaft das sein soll, wird nicht gesagt. Grundsätzlich ist dafür die Staatsanwaltschaft zuständig, in deren Gebiet eine mutmaßliche Straftat ausgeführt wurde. Die Erste Staatsanwältin der Wiener Staatsanwaltschaft, schreibt auf Anfrage, so ein Verfahren sei „nicht anhängig“. Die an Wien angrenzenden Gebiete liegen in der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften Korneuburg, Wiener Neustadt und St. Pölten. Alle drei schreiben auf Anfrage ebenfalls, es gebe kein derartiges Verfahren gegen Baerbock. 

Für schwere Korruptionsdelikte ist in Österreich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zuständig. Die Leiterin der dortigen Medienstelle schreibt auf Anfrage, dass „der geschilderte Sachverhalt keinem Verfahren […] zugeordnet werden kann.“ Auch der Staatsanwaltschaft Berlin sind keine Korruptionsermittlungen gegen Baerbock bekannt. Dasselbe gilt für Baerbocks Wohnort Potsdam, wo die Staatsanwaltschaft Neuruppin zuständig wäre. Das Pressebüro von Annalena Baerbock antwortete nicht auf inhaltliche Fragen dazu.

Es ist nicht das einzige Haus, das Baerbock angeblich besitzen soll: Auch ein anderes Bild, das verbreitet wird, hat nichts mit der Außenministerin zu tun und steht ebenfalls nicht da, wo behauptet wird. 

Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner

Update, 8. September 2023: Kurz nach der Veröffentlichung des Textes schrieb die Staatsanwaltschaft Neuruppin, dass auch in Brandenburg kein Korruptionsverfahren gegen Baerbock bekannt sei.