Faktencheck

Falschbehauptungen nach Wissing-Drohung: Bundesregierung hat kein Wochenend-Fahrverbot ab Juli 2024 beschlossen

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) drohte kürzlich mit Fahrverboten am Wochenende. Er wollte damit die Einigung zu einer Gesetzesänderung beschleunigen. Nach dieser Einigung war das Fahrverbot vom Tisch. Doch online bleiben Falschbehauptungen.

von Gabriele Scherndl

leere-staßen
Leere Straßen am Wochenende? Das ist aktuell nicht in Aussicht, ein Fahrverbot, das diskutiert wurde, ist vom Tisch. (Quelle: Frank Hoermann / Sven Simon / Picture Alliance)
Behauptung
Ab 1. Juli 2024 gebe es samstags und sonntags ein absolutes Fahrverbot in ganz Deutschland.
Bewertung
Falsch. Die Bundesregierung hat keine Fahrverbote beschlossen und plant aktuell auch keine. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte am 11. April zwar mit Fahrverboten gedroht – allerdings nur, falls sich die Bundestagsfraktionen der Bundesregierung nicht auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einigen würden. Diese Einigung gab es am 15. April.

Die jüngste Debatte rund um ein drohendes Fahrverbot in Deutschland erreichte auch Tiktok – in Form von Falschbehauptungen. Dort heißt es etwa in einem Beitrag, der laut einem Recherchetool von Bellingcat am Abend des 15. April veröffentlicht wurde: Ab 1. Juli 2024 werde in Deutschland ein absolutes Fahrverbot an Samstagen und Sonntagen kommen. Über 460.000 Nutzerinnen und Nutzer sahen den Beitrag.

Auch ein Video vom 13. April wurde mehrfach auf Tiktok geteilt und mehr als eine Million mal angesehen. Darin wird die Behauptung ebenfalls aufgestellt – allerdings wird sie im Text des Beitrags etwas abgeschwächt, dort ist von „Spekulationen“ über ein Fahrverbot die Rede. Zu diesem Zeitpunkt stimmte das, die Spekulationen sind jedoch seit dem Nachmittag des 15. April vom Tisch. Dennoch verbreiten Nutzer das Video auch danach noch auf Tiktok weiter – auch wenn selbst der Ersteller darunter kommentierte, das sei „erstmal vom Tisch“.

Worum genau geht es in der Debatte, und was geschah wann? 

In einem Tiktok-Video steht: Ab dem 1.7. 2024 gebe es Samstags und Sonntags ein absolutes Fahrverbot in ganz Deutschland.
Dieses Video erschien, nachdem Verkehrsminister Volker Wissing bekanntgab, ein Fahrverbot sei endgültig vom Tisch (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wie die Debatte um ein mögliches Fahrverbot zustande kam – und seit wann sie beendet ist

Laut dem Klimaschutzgesetz müssen die Bundesministerien in Deutschland, deren Sektoren die zulässige Menge an CO2-Emissionen pro Jahr überschreiten, dagegen Sofortmaßnahmen vorschlagen und ergreifen. Das Gesetz soll geändert werden: Das Bundeskabinett beschloss schon im Juni 2023, diese Sektorziele abzuschaffen. Ein Gesetzentwurf dazu ist aber noch nicht in Kraft, er wird seit Herbst im Bundestag beraten – „eine außergewöhnlich lange Zeit“, wie die Zeit im April 2024 schreibt.

Der Verkehrssektor, für den das Verkehrsministerium zuständig ist, erreichte seine Sektorziele im Jahr 2023 nicht, wie aus dem Prüfbericht (PDF) des Expertenrats für Klimafragen hervorgeht. 

Am 11. April 2024 drohte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) in einem Brief an die Bundestagsfraktionen der Bundesregierung (SPD, Grüne und FDP): Werde die Änderung des Klimaschutzgesetzes nicht bis Mitte Juli umgesetzt, müsse der Verkehrssektor ein Sofortprogramm nach den alten gesetzlichen Vorgaben vorlegen. Dieses müsse dann Fahrverbote am Wochenende enthalten – ansonsten könne man die Ziele nicht erreichen. 

Den 1. Juli – von dem auf Tiktok die Rede ist – nennt Wissing darin nicht. Er schreibt, das Gesetz müsse vor dem 15. Juli 2024 in Kraft treten, um Fahrverbote abzuwenden.

Fahrverbot „endgültig vom Tisch“, Falschbehauptungen auf Tiktok bleiben

Vier Tage nach Wissings Brief, am 15. April, kam die geforderte Einigung zustande. In einer Pressemeldung der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Regierungsfraktionen im Bundestag wird FDP-Bundestagsabgeordenter Lukas Köhler zitiert: „Durch die Abschaffung der jährlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz ist sichergestellt, dass es keine Fahrverbote geben wird.“

Das besänftigte auch Verkehrsminister Wissing: In einer Pressemeldung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vom 15. April nennt er die Einigung einen „vernünftigen Schritt“. Fahrverbote seien damit  „endgültig vom Tisch“.

Auf Tiktok jedoch werden die Falschbehauptungen rund um ein angebliches Fahrverbot ab 1. Juli 2024 weiter geteilt – obwohl diese nie konkret in Planung waren und die Debatte darüber mittlerweile beendet ist. Mehrere Tiktok-Accounts, die CORRECTIV.Faktencheck dazu anfragte, antworteten nicht.

Redigatur: Alice Echtermann, Kimberly Nicolaus

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Klimaschutzgesetz, Paragraf 8, aktuelle Fassung, Stand 19. April 2024: Link (archiviert)
  • Informationen der Bundesregierung zum Klimaschutzgesetz, 9. Februar 2024: Link (archiviert)
  • Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen für das Jahr 2023, 15. April 2024: Link (PDF, archiviert)
  • Brief von Verkehrsminister Volker Wissing an die Bundestagsfraktionen, 11. April 2024: Link (PDF, archiviert)
  • Pressemeldung der Grünen Bundestagsfraktion zur Einigung zum Klimaschutzgesetz, 15. April 2024: Link (archiviert)
CORRECTIV im Postfach
Lesen Sie von Macht und Missbrauch. Aber auch von Menschen und Momenten, die zeigen, dass wir es als Gesellschaft besser können. Täglich im CORRECTIV Spotlight.