Es stimmt nicht, dass nur 3 von 344 Säuglingen das Ende einer Pfizer-Studie erreichten
Eine Frau namens Karen Kingston, die sich als ehemalige Mitarbeiterin von Pfizer bezeichnet, behauptet in einem Blog: Nur 3 von 344 Säuglingen, die in einer Pfizer-Studie gegen Corona geimpft worden seien, hätten das Ende der Studie erreicht. Es wird suggeriert, alle anderen seien gestorben. Das ist falsch.
Ein „Massenmord an Säuglingen und Kleinkindern“, so lautet der Vorwurf von Karen Kingston gegenüber Pfizer, den sie Anfang Mai 2024 in einem englischsprachigen Blogartikel veröffentlichte. Darin geht es um eine klinische Studie von Pfizer zu mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19, an der Babys und Kleinkinder teilnahmen. Kingston ist angeblich eine ehemalige Mitarbeiterin von Pfizer. Laut ihr hätten nur 3 von 344 Säuglingen das Ende der Studie erreicht. Sie schlussfolgert daraus: Der mRNA-Impfstoff sei für Säuglinge tödlich.
Über diese falsche Behauptung berichteten auch die Pflege für Aufklärung, der Schild Verlag und Uncut News – sie alle verbreiteten in der Vergangenheit schon Falschinformationen zu den Impfstoffen gegen Covid-19.
Der Uncut News Artikel landete zudem auf Telegram und X, dort heißt es explizit, dass nur drei Säuglinge die Impfung überlebt hätten. Das behauptet auch Kai Orak in seiner Satiresendung „Kaitag am Freitag“, die laut Eigenbeschreibung „unbestätigte Meldungen“ enthält. Orak steht in Verbindung mit dem Fantasiestaat „Königreich Deutschland“, laut dem Verfassungsschutz eine der mitgliederstärksten Reichsbürger-Gruppierungen.
Unsere Recherche zeigt: An dem Vorwurf des angeblichen Massenmords ist nichts dran. Die Pfizer-Studie wird falsch interpretiert. Auf Anfrage teilte uns Uncut News mit, ihren Artikel korrigieren zu wollen. Orak wollte unsere Fragen hingegen nicht beantworten. Karen Kingston konnten wir nicht kontaktieren. Dazu, ob Kingston tatsächlich eine Ex-Mitarbeiterin Pfizers ist, wollte sich das Pharmaunternehmen nicht äußern.
Keine Todesfälle bei Pfizer-Studie mit Säuglingen und Kleinkindern
An der Pfizer-Studie nahmen insgesamt 1.776 Babys im Alter von 6 bis 23 Monaten und 2.750 Kleinkinder im Alter von 2 bis 4 Jahren teil. Doch anders als von Karen Kingston suggeriert und manch anderen behauptet, starb dabei niemand.
Das zeigt die Auswertung der sogenannten unerwünschten Ereignisse (adverse events, AE) in den Tabellen 21 und 22 (Seite 41), die in der Studien-Zusammenfassung der US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) steht. Dazu heißt es: „Es wurden keine Todesfälle gemeldet.“ Auch die Pressestelle von Pfizer verweist uns in ihrer Antwort auf diese Zusammenfassung, in der es weiter heißt (Seite 56): „Es gab keine Berichte über Myokarditis/ Perikarditis, keine Fälle von Anaphylaxie, die als durch die Impfung verursacht angesehen wurden, und keine Todesfälle.“
Doch was hat es dann mit den von Kingston genannten 344 Säuglingen auf sich, von denen angeblich nur drei „das Ende der Studie“ erreichten?
Nicht nur drei Säuglinge erreichten Ende der Pfizer-Studie zu mRNA-Impfstoff gegen Covid-19
Die 344 Säuglinge sind ein Teil der Untersuchungsgruppe mit Babys im Alter von 6 bis 23 Monaten. Insgesamt gab es 1.776 Teilnehmende in dieser Altersgruppe. Davon erhielten 1.178 den Comirnaty-Impfstoff und 598 ein Placebo (Kochsalzlösung). Innerhalb der Placebo-Gruppe wurden 377 Säuglinge „entblindet“ – ihnen wurde also mitgeteilt, ob sie das Placebo oder den Comirnaty-Impfstoff erhalten hatten. Aus dieser Gruppe bekamen 344 Säuglinge dann noch eine erste Dosis des richtigen Impfstoffes – das ist die Zahl, von der Karen Kingston sprach. 296 Säuglinge erhielten eine zweite Impfstoff-Dosis und 77 Säuglinge eine dritte Impfstoff-Dosis.
Wie Pfizer auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärt, sind laut dem Studienprotokoll für alle Teilnehmenden Besuche vorgesehen, die sie einen Monat nach jeder Dosis ableisten sollten. Die von Kingston zitierte Zahl von drei Säuglingen bezieht sich darauf: Nur drei Säuglinge der entblindeten Placebo-Gruppe erschienen nach ihrer dritten Comirnaty-Impfung zu ihrem letzten Folgebesuch (Seite 24 in der Studienzusammenfassung).
Kingstons Interpretation, dass nur drei Säuglinge „das Ende der Studie“ erreicht hätten und die Schlussfolgerung, die Impfung habe den Säuglingen geschadet, ist also falsch. Erstens nahmen aus der anderen Untersuchungsgruppe, die von Anfang an den Comirnaty-Impfstoff erhielt, hunderte Säuglinge ihren Besuch nach Dosis 3 wahr. Zweitens nahmen auch Kleinkinder im Alter von 2 bis 4 Jahren an der Studie teil. Diese Gruppe hat Kingston bei ihrer Rechnung ignoriert. Drittens ist der Kontrollbesuch nicht gleichbedeutend mit dem „Ende der Studie“.
Comirnaty-Impfstoff für Kleinkinder laut Arzneimittelbehörden nicht tödlich
Die FDA genehmigte am 17. Juni 2022 eine Notfallzulassung für den Comirnaty-Impfstoff für Kleinkinder im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren in den USA. Am 20. Oktober 2022 folgte die Zulassung der EU-Kommission nach der Empfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA).
Bislang wurden laut dem Paul-Ehrlich-Institut keine Verdachtsfälle auf Impfkomplikationen mit „fatalem (tödlichem) Ausgang in der Altersgruppe 6 Monate bis 5 Jahre“ gemeldet.
Die Pressestelle der EMA schreibt uns: „Die Covid-19-Impfstoffe werden von Kindern gut vertragen. Dies geht aus den Daten von Millionen von Kindern hervor, die geimpft wurden. Die Nebenwirkungen sind in der Regel leicht oder mäßig und bessern sich innerhalb weniger Tage, wie aus der Praxis und aus klinischen Studien mit Kindern hervorgeht.“ Seitens der FDA heißt es: „Die in den sozialen Medien verbreitete Behauptung, dass die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 für Säuglinge tödlich seien, ist falsch.“
Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann
Update, 19. August 2024: Wir haben die Antwort von Uncut News ergänzt.