Harris statt Trump? Video belegt keinen Stimmentausch durch Wahlautomaten in Texas
Ein Video soll Wahlbetrug bei der vorzeitigen Stimmabgabe in White Settlement, Texas, belegen. Stimmen für Donald Trump seien vom Wahlautomaten fälschlich Kamala Harris zugeordnet worden, heißt es. Das stimmt nicht.
Am 5. November hat Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen. Etwa 140 Millionen Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben, mehr als die Hälfte von ihnen schon vor dem 5. November. In Texas etwa war es seit dem 21. Oktober möglich, persönlich im Wahllokal zu wählen.
Gleich zu Beginn der Wahl verbreitete sich online ein Videozusammenschnitt, der angeblich Wahlbetrug belegen soll. Das Video auf der rechten Bildschirmhälfte zeigt Interviews mit zwei Männern. Sie sagen, in White Settlement, einer Stadt im US-Bundesstaat Texas, seien Stimmen durch den Wahlautomaten falsch zugeordnet worden. Der erste Mann sagt, er habe es selbst erlebt; der andere gibt an, es von zwei anderen Personen gehört zu haben. Das Video auf der linken Bildschirmhälfte zeigt parallel zu den Interviews einen Wahlautomaten, auf dem eine Person abstimmt und anschließend den gedruckten Stimmzettel in die Kamera hält.
Englische Beiträge mit dem Video erreichten Millionen Aufrufe, deutsche Beiträge mehr als hunderttausend. Laut den meisten Beiträgen sei der angebliche Betrug zulasten von Donald Trump geschehen. In einigen deutschen Beiträgen hieß es zusätzlich, die Wahlautomaten seien von Dominion, einem kanadischen Unternehmen.
Video von Wahlautomat ist von 2019 und zeigt keinen Wahlbetrug
Zunächst fällt auf: Der Wahlautomat im Video stammt nicht von Dominion, sondern, wie oben rechts an einem Schild zu erkennen ist, von Hart. Tarrant County, der Bezirk, in dem die Stadt White Settlement liegt, nutzt laut der offiziellen Webseite seit November 2019 das „Hart InterCivic Verity Voting System“.
Die Wahl mit einem solchen Automaten funktioniert so: Man füllt an einem Gerät mit Touchscreen einen digitalen Wahlzettel aus. Anschließend kann man sowohl am Bildschirm als auch auf einem gedruckten Wahlzettel die eigenen Angaben überprüfen. Ist man damit zufrieden, schiebt man diesen Zettel in einen separaten Scanner – erst dann gilt die Stimme.
Ein genauer Blick auf den Stimmzettel zeigt, dass das Video von dem Wahlautomaten keinen Bezug zur aktuellen US-Wahl hat. Dort steht als Datum der 5. November 2019. An diesem Datum gab es keine Präsidentschaftswahl, sondern in Texas wurde über zehn Verfassungsänderungen abgestimmt.
Sämtliche auf dem Stimmzettel angegebenen Namen, wie etwa Doris James oder Clay Craig, gehören nicht zu echten Kandidatinnen oder Kandidaten. Auf dem Zettel ist zudem abgeschnitten der Begriff „Demonstration Election“ erkennbar.
Unter einem viralen englischen X-Beitrag kommentiert der Nutzer, – nachdem sein Beitrag mit einer Community Note versehen wurde – dass es sich bei dem Video vom Wahlautomaten um eine Aufnahme zu Demonstrationszwecken der Behörde von Tarrant County handele. Mit dieser Information fanden wir das Originalvideo auf der Webseite von Tarrant County. Es wurde dort Ende August 2019 veröffentlicht, um zu zeigen, wie die neuen Wahlautomaten von Hart funktionieren. Das Video des Countys zeigt zwar einen größeren Ausschnitt, aber die Bewegungen der Hand und der Stimmzettel sind identisch mit dem Video in Sozialen Netzwerken.
Das Video zeigt also keinen echten Stimmzettel, sondern ein Muster. Es hat keinen Bezug zur aktuellen US-Wahl und belegt auch keinen Wahlbetrug.
Interviews im zweiten Videoausschnitt belegen laut lokalen Behörden keinen Wahlbetrug
Wie sieht es mit dem anderen Videoausschnitt aus, der die beiden Interviews zeigt? Lokalen Medien zufolge ist das Video aktuell und wurde offenbar am 21. Oktober 2024, dem Start der Wahlen in Texas, aufgenommen. Doch mehrere Behörden und Beamte dementierten, dass es Wahlbetrug zeigt.
Am 22. Oktober erklärte die Wahlbehörde von Tarrant County in einer Pressemitteilung auf X: „Am ersten Tag der vorzeitigen Stimmabgabe wurden in Tarrant County mehr als 58.000 Stimmzettel für die allgemeinen Wahlen abgegeben. In einem gemeldeten Fall überprüfte ein Wähler seinen ausgedruckten Stimmzettel und stellte fest, dass seine Stimmabgabe für die Präsidentschaftswahl nicht korrekt wiedergegeben wurde.“
Es gab also lediglich einen Wähler, der ein Problem mit seinem Stimmzettel hatte, nicht mehrere. Der ursprüngliche Stimmzettel wurde laut der Wahlbehörde ungültig gemacht, der Wähler habe einen neuen Stimmzettel ausgefüllt. Die Wahlbehörde sehe keinen Grund zur Annahme, dass Stimmen durch das Wahlsystem vertauscht würden.
Demokratische und Republikanische Beamte widersprechen Behauptung von Wahlbetrug
Der republikanische Richter des Bezirks, Tim O’Hare, sagte am 23. Oktober gegenüber dem lokalen Nachrichtensender NBC 5, dass „ziemlich strenge Tests“ der Wahlautomaten durchgeführt worden seien. Auch er schrieb, dass die Meldung des Wählers ein Einzelfall gewesen sei. O’Hare bestätigte, dass das Wahlpersonal den einen Stimmzettel für ungültig erklärt habe und der Wähler danach seine Stimme abgegeben habe. „Wähler können in Tarrant County vertrauensvoll wählen“, schrieb er auf X.
Auch der Wahlleiter des Bezirks, Clint Ludwig, bestätigte in einer Videobotschaft auf X, dass es – auch nach inzwischen 102.000 abgegebenen Stimmen – nur einen gemeldeten Vorfall gegeben habe. Laut Wahlleiter sei die falsche Auswahl auf dem Stimmzettel auf einen menschlichen Fehler zurückzuführen, nicht auf den Wahlautomaten. Die demokratische Bezirkskommissarin, Alisa Simmons, erklärte gegenüber NBC 5, dass es keinerlei Beweise für den behaupteten Wahlbetrug gebe.
Dass Wahlautomaten nicht zuverlässig seien und Wählerstimmen vertauschten, ist eine weit verbreitete Behauptung bei US-Wahlen. Auch bei den Wahlen im Jahr 2020 wurde sie bereits verbreitet. Trump und sein Wahlkampfteam sowie der Sender Fox News warfen unter anderem dem Unternehmen Dominion immer wieder Wahlbetrug vor. Dominion klagte gegen Fox News wegen Verleumdung. Im April 2023 kam es zu einer außergerichtlichen Einigung, Fox News zahlte 787,5 Millionen Dollar an Dominion.
Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier.
Redigatur: Viktor Marinov, Matthias Bau
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Video des Wahlautomaten, 28. August 2019: Link (archiviert, Englisch)
- Pressemitteilung der Wahlbehörde von Tarrant County, 22. Oktober 2024: Link (archiviert, Englisch)
- Statement des Wahlleiters auf X, 23. Oktober 2024: Link (Englisch, archiviert)
- Medienbericht von NBC 5, 23. Oktober 2024: Link (Englisch, archiviert)