Virales Instagram-Video schürt zu Unrecht Angst vor Stanzbiopsien und Mammografien
In einem viralen Instagram-Video behauptet eine Frau im weißen Kittel, die Krebsdiagnose-Verfahren Stanzbiopsie und Mammografie seien gefährlich – Tumorzellen könnten sich dadurch im Körper ausbreiten. Laut Fachärzten ist das falsch.

Mehr als 14.000 Nutzerinnen und Nutzern gefällt seit Anfang 2025 ein Instagram-Video. Eine Frau in einem weißen Kittel stellt darin zentrale Krebsdiagnose-Verfahren als die „zwei gefährlichsten Untersuchungen“ dar: Stanzbiopsien und Mammografien. Ärzte würden deren Gefahren verheimlichen, behauptet die Frau im weißen Kittel, deren Profil in dem Instagram-Beitrag auch verlinkt ist. Sie hat das Video bereits im Oktober 2024 veröffentlicht und ist laut Profil-Beschreibung die Inhaberin einer Heilpraktikerschule, also keine Ärztin.
Wir haben mit zwei Fachärzten über die Untersuchungen gesprochen. Laut beiden gelten die Verfahren als uneingeschränkt sicher. Wir haben auch die Inhaberin der Heilpraktikerschule aus dem Instagram-Video nach Belegen für ihre Behauptungen gefragt, aber erhielten bis zur Veröffentlichung keine Antwort.

Facharzt über Stanzbiopsie: „Das Verfahren gilt als uneingeschränkt sicher“
Wie die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) auf ihrer Webseite erklärt, dient die Stanzbiopsie bei Verdacht auf Brustkrebs der Entnahme von Gewebeproben, um abzuklären, ob eine Veränderung des Brustgewebes gut- oder bösartig ist. Die Proben werden mit einer Hohlnadel und einem Stanzgerät entnommen. Das Verfahren kommt auch bei Verdacht auf Prostatakrebs zum Einsatz.
Die Frau im Video behauptet, dabei könnten wie beim Stechen in einen Kuchen „Zellen an der Nadel hängen bleiben“ und beim Herausziehen ins Blut gelangen. Dadurch könnten sie anschließend an entfernten Orten, wie den Knochen, dem Gehirn oder der Leber, Metastasen bilden, behauptet sie.
Wolfgang Janni, Direktor der Universitätsfrauenklinik Ulm und Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe schreibt uns, die stanzbioptische Untersuchung der Brust sei seit vielen Jahren Standard. Es gebe keinen wissenschaftlichen Hinweis, dass sie Patientinnen oder Patienten durch Tumorzellverschleppung gefährde. „Das Verfahren gilt als uneingeschränkt sicher“, schreibt Janni.
Keine Belege, dass verschleppte Brust- oder Prostatakrebszellen Metastasen bilden können
Rüdiger Schulz-Wendtland, Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie, schreibt uns, Stanzbiopsien würden in Deutschland seit 1989 durchgeführt und es habe dadurch keine Erhöhung der Brustkrebsrate gegeben.
Der Krebsinformationsdienst erklärt auf seiner Webseite: Grundsätzlich könnten offenbar nur wenige Zellen eines Tumors – sogenannte Metastasen-Stammzellen – von sich aus überhaupt Metastasen bilden. Die meisten Zellen, die sich lösen und ins Blut gelangen, würden vom Immunsystem schnell ausgeschaltet. Mit Blick auf die Biopsie heißt es: „Verschleppte Krebszellen unterscheiden sich stark von Zellen, die sich selbstständig vom Tumor abgelöst haben. In der Regel sind sie nicht in der Lage, Metastasen zu bilden: Den mechanisch abgelösten Tumorzellen fehlen die benötigten Eigenschaften, um im Körper zu überleben und sich an anderen Stellen anzusiedeln.“ Das erkläre, warum bei Operationen oder bei einer Biopsie gewöhnlich kein messbar erhöhtes Metastasierungsrisiko bestehe. Insbesondere bei Brust- und Prostatakrebs gebe es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass verschleppte Tumorzellen Metastasen bilden würden.
Facharzt: Brustkrebs durch Druck bei der Mammografie „vollkommen ausgeschlossen“
Kommen wir zur zweiten angeblich gefährlichen Untersuchung aus dem Instagram-Video: der Mammografie, also einer Röntgenuntersuchung der Brust. Über die Mammografie heißt es im Video, der Druck auf das Drüsengewebe könne das Verteilen von Krebszellen im Körper auslösen. Zudem sei das Krebsrisiko durch die Mammografie um zwei Prozent erhöht, weil allein durch den Druck Krebs entstehen könne.
Eine Mammografie wird laut der DKG angewandt, um Symptome abzuklären, aber auch in der Brustkrebs-Früherkennung. Frauen im Alter zwischen 50 und 75 Jahren haben alle zwei Jahre Anspruch auf eine solche Untersuchung. Damit das geröntgte Gewebe möglichst dünn ist und ein deutlicheres Röntgenbild zu erkennen ist, wird die Brust bei dem Verfahren zwischen Plexiglasplatten gepresst. Der Druck kann unangenehm und eventuell etwas schmerzhaft sein. Doch können durch den Druck, wie im Video behauptet, Krebszellen verteilt werden oder überhaupt erst entstehen?
Nein, schreibt uns Schulz-Wendtland, es sei „vollkommen ausgeschlossen“, dass durch den Druck bei der Mammografie Brustkrebs entstünde. Auch Wolfgang Janni schreibt, der Mehrwert der Mammografie sei in zahlreichen Analysen belegt, während keine Hinweise auf eine Förderung zur Entstehung von Krebs durch den Druck bestünden.
Mammografie senkt bei regelmäßiger Teilnahme das Risiko, an Brustkrebs zu sterben
Die Schlussfolgerungen, die manche aus dem Instagram-Video ziehen, können gefährliche Folgen haben: In den Kommentaren schreiben einige, sie würden auf eine solche Untersuchung verzichten und stattdessen andere Untersuchungen wie Ultraschall oder Abtasten nutzen.
Doch wie der Krebsinformationsdienst auf seiner Webseite schreibt, ist früher Brustkrebs oft nicht tastbar. Eine Ultraschall-Untersuchung könne zwar bei Frauen unter 40 Jahren eine gute Methode sein, weil in jungen Jahren das Brustgewebe noch sehr dicht ist, es gebe aber keine Belege, dass dadurch weniger Frauen an Brustkrebs sterben – dasselbe gilt für die Tastuntersuchung. Eine Mammografie dagegen erhöht laut einem Infoblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses die Heilungschancen für Frauen: Nehmen sie 25 Jahre lang regelmäßig am Mammografie-Screening-Programm teil, könnten 3 bis 8 von 1.000 Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden.
Altersempfehlungen für Mammografien werden regelmäßig überprüft
Was stimmt und worauf auch in den Kommentaren teils hingewiesen wird: Bei der Mammografie besteht ein Risiko von falsch positiven und falsch negativen Befunden sowie Überdiagnosen, also Diagnosen, bei denen Brustkrebs entdeckt wird, der keine Beschwerden verursacht oder das Leben einer Patientin beeinträchtigt hätte. Ebenso sei es möglich, dass ein Brustkrebs durch die Mammografie zwar früh erkannt werde, aber trotzdem nicht heilbar sei.
Unter anderem aus diesen Gründen empfehlen Fachleute die Mammografie Frauen erst ab 50 Jahren bis zum 76. Geburtstag, da nach ihrer Ansicht der Nutzen größer ist als die möglichen Risiken – diese Altersempfehlungen werden regelmäßig überprüft und mitunter angepasst.
Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Brustkrebs-Früherkennung: Mammografie-Screening und Abtasten, Krebsinformationsdienst, 1. Juli 2024: Link (archiviert)
- Mammografie-Screening. Eine Entscheidungshilfe, Gemeinsamer Bundesausschuss, 19. Dezember 2024: Link (PDF, archiviert)