Nein, Giorgia Meloni hat keine Zusammenarbeit mit der AfD verkündet
Seit Ende Mai heißt es in Youtube-Videos, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni habe eine Zusammenarbeit mit der AfD verkündet. Doch hinter der Behauptung stecken dubiose Youtube-Kanäle. Meloni sprach in Zusammenhang mit der AfD von „unüberbrückbaren Differenzen“.

„Neue Allianz gegen Brüssel“, „EU Beben! und „EU-Schock“ – so lauten die Titel mehrerer Youtube-Videos von Ende Mai. Das Viralste hat mehr als 400.000 Aufrufe. Sie alle vereint eine Behauptung: Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin, habe offiziell die Zusammenarbeit mit der AfD verkündet. Die Videos verbreiteten sich auch auf weiteren Plattformen wie Tiktok, LinkedIn und Instagram.
Die AfD gilt nach mehreren Skandalen in Brüssel als isoliert: Nach dem Anfang 2024 durch CORRECTIV aufgedeckten Geheimplan-Treffen distanzierte sich Frankreichs rechtspopulistisches Rassemblement National unter Marine Le Pen. Im Mai 2024 folgte dann der Ausschluss der AfD aus der Rechtsaußen-Fraktion ID im Europaparlament. Auslöser waren verharmlosende Aussagen des AfD-Politikers Maximilian Krah über die SS.
Giorgio Meloni sprach schon Anfang 2024 von „unüberbrückbaren Differenzen“ zwischen ihrer ultrarechten Partei Fratelli d’Italia und der AfD wegen unterschiedlicher Beziehungen zu Russland – Meloni unterstützt anders als die AfD Waffenlieferungen an die Ukraine. Hat sie nun mit Alice Weidel eine „neue Allianz gegen Brüssel“ geformt, wie es in einem der Videos heißt?

Es gibt keine offizielle Ankündigung Melonis zu einer Zusammenarbeit mit der AfD
In den Videos geht es um einen offenen Brief, der Mitte Mai vom Büro Melonis veröffentlicht wurde. Darin fordern neun EU-Mitgliedstaaten – unter der Initiative Italiens und Dänemarks – eine Debatte über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im viralsten Video heißt es weiter: Alice Weidel habe ihre Zustimmung dafür ausgesprochen und geschrieben: „Deutschland muss diese Initiative unterstützen.“ Meloni habe ihr daraufhin geantwortet: „Ich schätze Ihre Unterstützung sehr. Ich freue mich, Sie eines Tages persönlich zu treffen.“ In den anderen Videos ist teilweise von einer Pressemitteilung durch Meloni, in anderen gar von einer gemeinsamen Pressekonferenz mit AfD-Vertretern die Rede.
Dieser angebliche Austausch zwischen Weidel und Meloni wird in den Videos als „offizielle Ankündigung zur Zusammenarbeit“ interpretiert. Das ist nicht nur sehr weit hergeholt, sondern auch schlicht falsch: Zwar hat Weidel auf X tatsächlich geschrieben, Deutschland solle die Initiative unterstützen. Doch von Melonis angeblicher Reaktion fehlt jede Spur. Weder auf X noch auf der Presseseite der Ministerpräsidentin oder in Medienberichten findet sich das angebliche Zitat, eine Pressemeldung oder eine gemeinsam mit AfD-Vertretern abgehaltenen Pressekonferenz. Auf unsere Nachfrage dazu bei Melonis Partei, der Fratelli d’Italia, und der Regierung erhielten wir keine Antwort.
Auffällige Youtube-Accounts: Audiospur der Videos mutmaßlich KI-generiert
Die Audiospuren der Videos scheinen mit einer KI generiert worden zu sein. Die Aussprache der Namen ist teils seltsam, die Sprechweise wirkt künstlich und zwischendurch kommt es zu Verzögerungen in der Artikulation. Inhaltlich gibt es viele Wiederholungen und in den Formulierungen steckt wenig Abwechslung. Zudem gibt es weitere Fehler: So ist an einer Stelle von der Ampel-Regierung die Rede, die angeblich im Chaos versinke. Ende Mai war die aber nicht mehr im Amt.
Die Accounts hinter den Videos heißen „Fokus Deutschland“, „Politik Aktuell“ oder „Verheimlicht“, teils haben sie zehntausende Follower. Sie verbreiten regelmäßig angebliche „Skandale“, „Eilmeldungen“ oder anderweitig „schockierende Meldungen“. Die Inhalte richten sich fast immer gegen die EU und/oder unterstützen rechte Parteien und ihre Politikerinnen und Politiker.

Wer hinter den Accounts steckt, lässt sich nicht sagen: Keiner der Accounts hat ein Impressum, die meisten auch keine E-Mail-Adresse. Eine verlinkte Webseite des Accounts „Politik Aktuell“ lässt auf Verbindungen in die Türkei schließen. Auffällig ist auch: Die Accounts bestehen schon seit Jahren, aber bis vor einigen Monaten haben sie noch komplett andere Inhalte, teilweise auf Türkisch, veröffentlicht, wie Aufnahmen von Gebäck, Bastelarbeiten oder verschwörerische Videos über Lebensmittel. Wir haben bereits in der Vergangenheit über ein ähnliches Muster berichtet.
Möglicherweise sind die zuvor unauffälligen Accounts vor einigen Monaten von anderen Betreibern gekauft worden, um die Follower und damit eine gewisse Reichweite zu übernehmen und nun Desinformation zu verbreiten. Der Kauf oder Verkauf von Youtube-Konten verstößt gegen die Nutzungsbedingungen von Youtube und ist somit nicht erlaubt. Auf unsere Nachfrage dazu antwortete Youtube bis zur Veröffentlichung nicht. Die Videos sind weiterhin online (Stand: 24. Juni 2025).
Redigatur: Max Bernhard, Sophie Timmermann