Faktencheck

Bekannter Telegram-Account verbreitet erfundenes Zitat von Lars Klingbeil über deutsche Rentner

Ein bekannter Verbreiter von Fake-Zitaten behauptet, Lars Klingbeil habe gesagt, er würde sich für die deutschen Rentner schämen, weil sie so faul seien. Das Zitat ist frei erfunden und der Kanal hat Verbindungen zur russischen Propaganda.

von Sara Pichireddu

Eröffnung der Cranger Kirmes 2025
Das Fake-Zitat von Lars Klingbeil kommt von einem bekannten Akteur mit Verbindungen zu russischer Propaganda (Symbolbild: Revierfoto / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Finanzminister Lars Klingbeil habe behauptet, er schäme sich für deutsche Rentnerinnen und Rentner, weil sie die faulsten Menschen des Landes seien.
Bewertung
Falsch. Das Zitat ist erfunden. Es scheint nirgendwo sonst aufzutauchen und das Finanzministerium dementiert, dass es gefallen sei.

„Just in“ – Wieder einmal beginnt ein Beitrag im Telegram-Kanal „UNN – Unabhängig Neutrale Nachrichten“ mit diesen Worten und wieder einmal folgt darauf ein erfundenes Zitat eines deutschen Politikers. In dem Beitrag vom 25. Juli geht es diesmal um Finanzminister Lars Klingbeil: Er soll gesagt haben, dass er sich für deutsche Rentnerinnen und Rentner schäme. Diese seien die faulsten Menschen in Deutschland.

Dass das Zitat falsch ist, bestätigt uns das Finanzministerium auf Anfrage: „Wir können ausschließen, dass Minister Klingbeil sich so geäußert hat“, schreibt ein Sprecher. Auch Recherchen über Suchmaschinen und in der Pressedatenbank „Genios“ lieferten keine Hinweise darauf, dass Klingbeil sich so geäußert hat.

Erfundene oder verzerrte Zitate begegnen uns in sozialen Netzwerken immer wieder. In diesem Hintergrund erklären wir, wie Sie solche Zitate überprüfen und sich vor Irreführungen schützen können.

Screenshot des Telegram-Posts im Kanal UNN - Unabhängig Neutrale Nachrichten
Das falsche Zitat von Lars Klingbeil wurde einige Tage nach Veröffentlichung mehr als dreitausend Mal angesehen (Quelle: Telegram, Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Klingbeil forderte zuletzt auskömmliche Rente

Klingbeils SPD-Fraktion im Bundestag selbst zitiert im April auf Facebook deutlich andere Worte ihres Vorsitzenden: „Wer gebuckelt hat – in der Pflege, als Erzieherin, auf dem Bau oder an der Supermarktkasse – soll eine auskömmliche Rente haben. Das ist eine entscheidende Gerechtigkeitsfrage und kein Wahlgeschenk.“ Mehrere Medien griffen dieses Zitat des SPD-Vorsitzenden auf.

Auch im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht ausdrücklich: „Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit.“ Das Arbeiten im Alter wolle man mit einer „Aktivrente“ attraktiv machen, bei der bis zu 2.000 Euro des Gehalts im Monat nicht versteuert werden müssen.

Kommentare unter X-Beitrag teilweise skeptisch, teilweise empört

UNNs gefälschten Zitate erreichen mitunter tausende Menschen. Beim gefälschten Klingbeil-Zitat zweifeln manche Nutzerinnen und Nutzer dessen Authentizität an. In anderen Fällen gelingt es jedoch, damit zu emotionalisieren: Unter einem X-Beitrag, der das falsche Klingbeil-Zitat verbreitet (ohne die Quelle zu nennen), reagieren Nutzerinnen und Nutzer empört. „Selber nix auf die Kette gebracht […] und dann sein Maul weit aufreißen“ schreibt ein Nutzer etwa. In einem anderen Kommentar steht: „Ich würde ihn sehr gerne mal treffen und mit ihm sprechen. Dieses Bürschchen braucht mal eine Kopfwäsche.“

In anderen Fällen sind die Reaktionen auf UNN-Beiträge noch drastischer. Im März 2025, als der Kanal ein ebenfalls erfundenes Zitat von Mario Voigt veröffentlichte – auch er sollte von „arbeitsunwilligen Rentnern“ gesprochen haben – dokumentierten wir Reaktionen von Rücktrittsforderungen, bis Gewalt- und Mordfantasien.

Voigt und Klingbeil sind nicht die einzigen, denen UNN Worte in den Mund legt: Im Juni hat CORRECTIV.Faktencheck bereits Beiträge überprüft, die behaupteten, Friedrich Merz wolle Deutsche dazu verpflichten, ihren Wohnraum mit Geflüchteten zu teilen. Das Zitat war erfunden. Kurz nach der Bundestagswahl im Februar veröffentlichte UNN außerdem einen angeblichen Brief eines Wahlhelfers aus Düsseldorf. Auch dieser stellte sich als falsch heraus.

Telegram-Kanal UNN eng mit Russland und anderen Propaganda-Akteuren verbunden

Hinter dem Kanal steht laut Impressum ein Mann namens Christopher Wolf, der sich selbst auf seinem Youtube-Kanal als „Unternehmer, Investor und Auswanderer“ beschreibt. Er veröffentlicht auf seinen Plattformen neben eigenen Fakes auch Propagandainhalte von bekannten Akteurinnen und Akteuren, darunter etwa Alina Lipp und Thomas Röper. Außerdem bewirbt er Kryptowährungs-Kurse, zweifelhafte Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel.

Regelmäßig prahlt Wolf in Sprachnachrichten mit angeblich guten Verbindungen nach Russland. Im Sommer 2023 veröffentlichte der Kanal zwischenzeitlich Inhalte von der „RIA Nowosti Deutschland GmbH“ – sie wird in den Beiträgen sogar als Autor angegeben. RIA Nowosti ist eine russische Nachrichtenagentur, die im Frühjahr 2024 von der EU sanktioniert wurde.

Auf unsere Anfrage an Wolf, ob er für die Verbreitung russischer Propaganda bezahlt wird, und von welcher Natur seine Verbindungen zum russischen Staatsapparat sind, erhielten wir keine Antwort.

Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 2025: Link (archiviert)
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