HSV-Rufe fälschlich als Stimmungsmache gegen Migranten ausgegeben
Ein Video soll zeigen, wie eine Menschenmenge in Deutschland „send them home“ skandiert und fordere, dass Migranten abgeschoben werden. Die Verbreiter des Videos setzen offenbar darauf, dass man hört, was man hören will. Denn die Realität klingt anders.

Dutzende Menschen stehen eng zusammen. Sie tragen schwarze Kleidung und reißen mehrere Male, schnell hintereinander, die Fäuste geballt nach oben. Diese Szene ist in einem Instagram-Video mit mehreren Millionen Aufrufen zu sehen. Die Behauptung: die Menschen würden darin „send them home“ brüllen.
Dazu heißt es: „Germany is fighting back“ („Deutschland wehrt sich“). Und: „Germans are now demanding for illegal migrants to be deported“ („Die Deutschen fordern nun die Abschiebung illegaler Migranten“). Die Behauptung verbreitet sich auch auf Tiktok, X, und Threads.
Video zeigt Fußballfans des HSV vor dem Stadtderby gegen St. Pauli Ende August 2025
Erste Hinweise auf den Ursprung der Aufnahme liefert das Video selbst. Die Menschen in der vordersten Reihe halten ein Banner fest, auf dem „Hamburg“ steht. Vor der Menschenmenge sind eine Person mit einem Megafon und Personen mit einer Trommel zu sehen. Auch Polizeikräfte sind vor Ort. Das älteste Video der Szene, das wir finden konnten, ist vom 30. August 2025.
Mit diesen Anhaltspunkten stießen wir auf einen Artikel des NDR vom 30. August 2025. Demnach fand am Tag zuvor das Stadtderby der Fußball-Bundesliga zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV statt. Das Hamburger Abendblatt veröffentlichte davon am 29. August ein Video auf Youtube. Es zeigt, wie HSV-Fans zum Spiel in das Volksparkstadion marschierten. Darin sind dasselbe Banner mit dem „Hamburg“-Schriftzug und die Personen mit Megafon und Trommel zu sehen. Im Video ist auch deutlich zu hören, dass sie nicht „send them home“ sondern „Scheiß St. Pauli“ skandieren.

Vergleich mit Google Maps zeigt konkreten Aufnahmeort des Videos in Hamburg
Weiter belegt ein Abgleich mit Bildern von Google Maps, dass die Aufnahme aus dem viralen Instagram-Video und die Aufnahme des Hamburger Abendblatts dieselbe Situation in der Max-Bauer-Allee in Hamburg zeigen. Die Straße lag auf der geplanten Route des HSV-Fanmarschs. Nur die Aufnahmewinkel sind unterschiedlich.
In den viralen Instagram-Videos ist die Straßenseite sichtbar, die dieselbe Hausfassade und eine Werbetafel zeigt, wie eine Aufnahme der Max-Bauer-Allee von Google Maps aus dem Jahr 2022.

In dem Video des Hamburger Abendblatts ist die andere Straßenseite der Max-Bauer-Allee zu sehen. Das erkennt man an den Gebäuden im Hintergrund.

HSV-Fans rufen „Scheiß St. Pauli“
Wie im Video des Hamburger Abendblatts zu hören, riefen die Fans nicht wie behauptet „send them home“, sondern: „Scheiß St. Pauli“. Das ist vor allem beim Vorsänger gut zu verstehen. In dem viralen Instagram-Video mit der Falschbehauptung wurde die Sequenz mit dem Vorsänger jedoch abgeschnitten.
Die Pressestelle des HSV bestätigt uns gegenüber: „Die abgebildeten Personen rufen in dem Video ‚Scheiß St. Pauli‘“. Es habe auch zu keinem anderen Zeitpunkt, wie behauptet, „send them home“-Rufe von HSV-Fans gegeben. Der HSV trete „rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen […] aktiv entgegen.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Sprechchöre von Fußballfans zur Verbreitung von Desinformation instrumentalisiert werden. Im Januar 2025 ging beispielsweise ein Video auf Tiktok viral, das Fans des österreichischen Fußballvereins Strum Graz fälschlich die Worte „Ost, Ost, Ostdeutschland“ in den Mund legte.
Mitarbeit: Laura Seime, Luisa Uhlig
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann
Die wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:
- Hamburger Abendblatt, Capo-Ansage der HSV-Ultras: Der Fanmarsch vor dem Stadtderby gegen den FC St. Pauli, Youtube, 29.08.2025: Link (archiviert)