Fakes auf Tiktok: Angebliche Kilometersteuer für Autofahrer gibt es nicht
In Videos auf Tiktok wird behauptet, pro gefahrenen Kilometer im Auto müsse man ab Dezember acht Cent Steuern zahlen. Das hätte Bundeskanzler Friedrich Merz angekündigt. Das ist erfunden, hinter der Falschbehauptung steckt eine bekannte Masche.
In mehreren Videos auf Tiktok von Mitte Oktober wird behauptet, ab Dezember würde in Deutschland eine Steuer pro mit dem Auto gefahrenen Kilometer eingeführt. Das hätten Bundeskanzler Friedrich Merz und Verkehrsminister Volker Wissing „heute“ verkündet. Die Behauptung ist falsch, eine solche Steuer kommt nicht.
Die Videos sind sich sehr ähnlich, obwohl sie auf verschiedenen Kanälen veröffentlicht wurden. Sie benutzen unspezifische Bilder und Videosequenzen, etwa von Merz oder fahrenden Autos, und verwenden die gleiche Audiospur. Manche der Videos haben hunderttausende Aufrufe, darunter sammeln sich wütende Kommentare.

Acht Cent pro gefahrenen Kilometer? Regierung dementiert Behauptung über neue Steuer
Die Behauptung im Detail: Im Rahmen der neuen Steuer sollen pro gefahrenen Kilometer acht Cent anfallen, unabhängig vom Anlass der Fahrt. Überprüft würde das über Maut-Boxen oder das GPS des Autos selbst. Wer die gefahrenen Strecken nicht oder nicht korrekt melde, müsse mit Bußgeldern von bis zu 5000 Euro rechnen. Das ist falsch, wie uns eine Regierungssprecherin auf Anfrage mitteilte.
„Die Bundesregierung wird keine Kilometersteuer […] einführen. Es werden auch keine vergleichbaren gesetzlichen Regelungen diskutiert“, heißt es in der Antwort des Bundespresseamtes. Videos mit Behauptungen wie dieser hätten zum Ziel, Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern.
Tatsächlich gibt der Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sogar die Möglichkeit, Geld für Anfahrtswege zum Arbeitsort von der Steuer abzusetzen. Die Bundesregierung beschloss im September, dass die sogenannte Pendlerpauschale 38 Cent pro Kilometer betragen soll. Gerechnet wird pro Arbeitstag und mit der kürzesten Strecke. Über Details zur Pauschale informiert beispielsweise der ADAC.
Video nennt falschen Verkehrsminister: Wissing statt Schnieder
Abgesehen davon gibt es keine Medienberichte zu einer Kilometersteuer. Weder in der Pressedatenbank Genios, noch durch eine Google-Suche oder in den Reden des Kanzlers finden wir entsprechende Ergebnisse. Und: Verkehrsminister der aktuellen Regierung ist nicht, wie im Video behauptet, Volker Wissing. Der ehemalige FDP-Politiker war von 2021 bis 2025 Verkehrsminister unter Olaf Scholz. Der aktuelle Verkehrsminister ist Patrick Schnieder von der CDU.
„Satire“ in Profilbeschreibung: Bekannte Masche in sozialen Netzwerken
Dass hinter dem Video eine Motivation steht, die wenig mit der Verbreitung von Nachrichten zu tun hat, zeigt auch ein Blick auf die Tiktok-Profile, die es verbreiten.
Der Account „PoltikNewsDE“, dessen Video mit mehr als 100.000 die meisten Ansichten hat, veröffentlicht etwa ein Video pro Tag. Die meisten Beiträge kündigen neue Maßnahmen der Bundesregierung an, die angeblich in naher Zukunft in Kraft treten sollen. Immer im Fokus: Bundeskanzler Friedrich Merz.
Auch sonst ähneln sich die Videos: Eine offenbar KI-generierte Stimme spricht zu unspezifischen Bildern von Politikern und Szenen. Es fehlen direkte Zitate oder relevante Ausschnitte von Reden oder Pressekonferenzen. Die Themen betreffen das tägliche Leben. Sie reichen von frei erfundenen Einschränkungen bei Führerscheinen oder beim Bezahlen mit Bargeld bis zu einem fälschlich behaupteten späterem Schulbeginn. Über ein angebliches Nachtfahrverbot, das von mehreren Accounts behauptet wurde, haben wir hier berichtet.
Die Personen hinter den Accounts versuchen offenbar, mit angeblichen Gesetzesvorhaben von Merz Reichweite zu erzeugen. Die Masche dahinter ist nicht neu. Wir berichteten mehrfach darüber. Manche der Tiktok-Kanäle, wie auch „PolitikNewsDE“, enthalten einen Hinweis in der Account-Beschreibung, dass es sich um Satire handele. Aber um Satire geht es augenscheinlich nicht – die Videos sollen mit falschen Behauptungen Aufmerksamkeit generieren. Dass sie nicht als Satire verstanden werden, zeigen auch die Kommentare: „Wir lassen mit uns machen, was sie wollen“, schreibt eine Person, eine andere: „Dann gehe ich nicht mehr raus, keine Arbeit mehr. Was nun?“
Redigatur: Paulina Thom, Max Bernhard